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TEC21 2012|8
Nach der Katastrophe
TEC21 2012|8
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG

Hilfsbrücken für die Bahn

Eisenbahnhilfsbrücken sorgen dafür, dass Bahnlinien nicht wegen Baustellen an Brücken unterbrochen werden müssen. Diese vormontierten Stahlbauwerke können in kurzen Sperrpausen auf vorbereiteten Lagern eingebaut werden und ermöglichen Bauarbeiten unter Bahnverkehr, ohne dass die Zugfahrenden viel davon merken. Die robusten und flexibel einsetzbaren Hilfsbrücken können aber auch kurzfristig abgerufen werden, wenn Bahnverbindungen durch ausserordentliche Ereignisse unterbrochen werden.

Bei natürlichen oder von Menschen verursachten Katastrophen kann auch die Verkehrsinfrastruktur beeinträchtigt oder gar lahmgelegt werden. Insbesondere Brücken sind durch Hochwasser, Murgänge, Überschwemmungen, seltener durch Lawinen oder Bergstürze gefährdet. Erfahrungsgemäss hatten auch kleinere, noch nicht katastrophale Hochwasser immer wieder den Ausfall von Brücken zur Folge. Da Verkehrsverbindungen für die Wiederherstellung einer Industriegesellschaft nach einem Ereignis eine Schlüsselfunktion haben, ist der kurzfristige Ersatz ausgefallener Brücken eine dringliche Aufgabe des Bauwesens. Bei grossen Bauwerken wird dies zweifellos nicht einfach und vor allem nicht schnell möglich sein; bei kleineren Brücken ist die Wiederherstellung einer zumindest behelfsmässigen Verkehrsverbindung unter günstigen Umständen jedoch bereits nach wenigen Stunden möglich. Eine Eisenbahnbrücke ist meist anspruchsvoller und zeitaufwendiger zu ersetzen als eine Strassenbrücke, wo eine befahrbare Piste als Umgehung fürs Erste ausreichen kann.

Brücken für Baustellen

Eisenbahntrassees können in der Regel nicht so einfach und kurzfristig verlegt werden wie Strassen; so muss die Ersatzbrücke etwa am gleichen Ort stehen und ähnliche Dimensionen aufweisen wie das ursprüngliche Bauwerk. Für Brücken gibt es keine abrufbereiten Reservebrücken – der Ersatz einer zerstörten Eisenbahnbrücke ist eine Einzelanfertigung, die sich nur mit beträchtlichem Zeitaufwand realisieren lässt.

Für den schnellen Ersatz von Eisenbahnbrücken mit kleinen Spannweiten können hingegen die von den Schweizer Bahnbetreibern bei Baustellen verwendeten Hilfsbrücken unter einfachen topografischen Bedingungen eine kurzfristig verfügbare Lösung sein. Was sich bei Dutzenden von Baustellen bewährt hat (Abb. 2), könnte mit etwas Improvisation auch nach Katastrophen nützlich sein (Abb. 1). Und vor allem sind einsatzbereite Hilfsbrücken in ausreichender Anzahl gelagert (Abb. 5) und könnten praktisch über Nacht installiert werden (Abb. 7). Hier werden diese unentbehrlichen, aber kaum beachteten Baustelleninstallationen für einmal genauer betrachtet, da sie im Ereignisfall eine zentrale Rolle spielen können.

Vormontiert und am Stück transportiert

Der Brückenüberbau von Eisenbahnhilfsbrücken besteht üblicherweise aus vier einfeldrigen vollwandigen Längsträgern, von denen je zwei durch Querträger zu einem Zwillingsträger verbunden sind (Abb. 3, 5 und 8). Der Abstand der Querträger, die mittels HV-Stirnplatten- stössen mit den Längsträgern verschraubt sind und als Schienenauflager dienen, beträgt 60cm, was dem normalen Schwellenabstand auf der freien Strecke entspricht. Einige dieser Querträger können zur Stabilisierung der Zwillingsträger mit verstärkten HV-Stirnplatten­stössen ausgebildet werden. Die beiden Zwillingsträger werden mittels Quersteifen, welche im Abstand von 1.8–2.4 m angeordnet sind, zur Gesamthilfsbrücke verbunden. Statisch wirkt eine Eisenbahnhilfsbrücke als Trägerrost mit biegeweich bis biegesteif angeschlossenen Querträgern. Bei einem Einsatz in der Kurve wird zwischen den beiden Zwillingsträgern zusätzlich ein Horizontalverband eingebaut. Der Spannweitenbereich von Eisenbahnhilfsbrücken reicht von ca. 6 bis 23 m. Eisenbahnhilfsbrücken werden, wenn immer möglich, ungeteilt und fertig montiert zur Einsatz- oder Baustelle geliefert. Je nach Baustelle sind eine oder mehrere Hilfsbrücken notwendig, die sowohl neben wie auch hintereinander (als Hilfsbrückenkette) angeordnet werden können (Abb. 1 und 2).

Einsatz von Hilfsbrücken

Eisenbahnhilfsbrücken sind sicherheitsrelevante Ingenieurbauwerke, die bezüglich Sicherheit des Bahnbetriebs den gleichen Kriterien genügen wie normale Bahnbrücken. Im Grundsatz ist auch unter Last ein möglichst kontinuierliches, der vorgesehenen Überfahrgeschwindigkeit entsprechendes Längenprofil des Gleises zu gewährleisten. Aufgrund der minimierten Bauhöhen weisen Eisenbahnhilfsbrücken gegenüber permanenten Eisenbahnbrückenbauwerken eine geringere Steifigkeit auf. Im Vergleich zu permanenten Brückenbauwerken werden grössere zulässige Verformungen von Brückenträger und Fundation und somit ein etwas geringerer Fahrkomfort akzeptiert.

Die maximal zulässige Überfahrgeschwindigkeit von Hilfsbrücken für Normalspurbahnen beträgt je nach Konstruktionstyp und Anordnung zwischen 50km/h und 100km/h. Für den Einsatz bei Meterspurbahnen gilt eine maximale Überfahrgeschwindigkeit von 60km/h.

Widerlager rasch erstellt

Bei gutem Baugrund kann die Hilfsbrücke mittels Holzschwellenfundament oder Betonfertigelement auf gewachsenem Baugrund flach gegründet werden. Das Flachfundament ist auf einer 2 bis 5cm dicken Schicht aus einem Sand-Zement-Gemisch (trockener Mörtel) oder Splitt aufzulegen. Quer zur Brückenachse wirkende Horizontalkräfte aus der Brücke werden über Anschlagwinkel in das Fundament eingeleitet. Die Mindestspannweite der Hilfsbrücke kann meist mit einer Böschungsneigung von 2:3 ermittelt werden. Im Geschwindigkeitsbereich bis 60km/h kann die Hilfsbrücke auf einem Holzschwellenfundament aufgelagert werden. Dieses sehr einfach und kurzfristig erstellbare Bauteil besteht aus einem Schwellenrost mit zwei ca. 3.0 m langen Querschwellen und mehreren ca. 2.5 m langen Längsschwellen. Bei Geschwindigkeiten über 60km/h werden anstelle der Holzschwellenfundamente vorgefertigte Betonfundamentplatten von 2.5 m in Längsrichtung der Schienen mal 3.0 m in Querrichtung verwendet (Abb. 6). Die Fundamentdicken liegen zwischen 0.35 m und 0.50 m. Bei schlechten Baugrundverhältnissen und im Geschwindigkeitsbereich von 80 bis 100km/h sind Tiefgründungen (Schlitz- oder Pfahlfundamente) erforderlich. Auch rasch erstellbare Baugrubenabschlüsse wie Pfahl-, Rühl- oder Spundwände können für die Auflagerung von Hilfsbrücken verwendet werden. Die Fundamenttiefe von Schlitzfundamenten ist auf ungefähr 2.0 bis 3.0 m (bzw. 3.0 bis 4.0 m ab Schienenunterkante) zu begrenzen. Bei hohen Anforderungen an das Setzungsverhalten der Gründungsbauwerke sind Pfahlfundationen (Bohrpfahl- oder Mikropfahlfundation) auszuführen. Der Auflagerriegel für die Hilfsbrücke kann als Beton- oder Stahlträger ausgeführt werden. Wird die Hilfsbrücke auf Stahlspundwände abgestützt, wird als Hilfsbrückenauflager in der Regel ein Walzträgerprofil mit verkeilter Holzschwelle (Brückenlager) aufgeschweisst.

Stützen aus dem Baukasten

Bei Hilfsbrückenketten werden die Zwischenauflager der Brücke in der Regel auf normierten Stahljochen ausgeführt. Diese Stahljoche sind räumliche Fachwerkstützen mit zum Teil biegesteifen Rahmenriegeln im oberen Jochbereich und mit typischen Stützenabständen von 150cm in Querrichtung und 95cm in Längsrichtung (Abb. 4). Für die Berechnung der Joche, der Verankerungen und der Fundamente ist die Einwirkung «Anfahren und Bremsen» zu berücksichtigen. Für die Aufnahme grosser Zentrifugalkräfte sind eventuell zusätzliche Verstrebungen notwendig. Stahljoche werden stets auf Ortbetonfundamenten verankert. In schlechtem Baugrund sind, analog zu den Widerlagern, allenfalls Pfahlfundationen für die Joche erforderlich. Beidseitig der Brücken sind Dienststege mit Holzbelag und Suvakonformen Geländern eingebaut. Alle tragenden Verbindungen der Hilfsbrücken und der Stahljoche sind mit voll vorgespannten, hochfesten Schrauben der Festigkeitsklasse 10.9 ausgeführt.


Literatur:
Teile dieses Beitrags beruhen auf Auszügen aus dem Regelwerk RTE 21590 «Hilfsbrücken für Eisenbahnen», herausgegeben vom Verband öffentlicher Verkehr, Technik Bahn. Zu beziehen bei VSS Zürich, www.vss.ch Vgl. auch: Strasse und Verkehr 6/2006.

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Für den Beitrag verantwortlich: TEC21

Ansprechpartner:in für diese Seite: Judit Soltsolt[at]tec21.ch

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