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Innerer Urbanismus

Prolegomena zum Zürcher Toni-Areal von EM2N

19. März 2012 - Stephan Trüby
Es gehört zu den architekturtheoretischen Konstanten seit der Neuzeit, nach dem Zusammenhang von Architektur und Stadt zu fragen. Gehorcht der kleine Maßstab von Raumfolgen und Etagen denselben Prinzipien wie die großmaßstäblichen Arrangements urbaner Areale? Welche Rolle spielen Durchwegung und Zirkulation auf beiden Ebenen? Gibt es gar eine Selbstähnlichkeit von Stadt und Haus? Das im Bau befindliche Zürcher „Toni-Areal“ von EM2N lädt wie derzeit wohl kaum ein zweites Bauwerk dazu ein, solche Fragen zu diskutieren.

Die Festungsmauer und das Haus als kleine Stadt

Die Verwandtschaft von Haus und Stadt wurde zum ersten Mal durch Leon Battista Alberti in seinen 1452 fertiggestellten Zehn Büchern über die Architektur angesprochen. Darin schreibt er: „Und wie man in der Stadt das Forum und die Plätze, so wird man im Hause das Atrium, den Saal und Räume dieser Art haben, die nicht an abgelegener, verborgener und enger Stelle liegen, sondern vollkommen zugänglich sein müssen, dass auf sie die übrigen Räumlichkeiten ganz unbehindert münden können. Auf sie werden sich nämlich die Mündungen der Stiegen und Gänge öffnen, in ihnen werden die Begrüßungen und Besuche der Bekannten entgegengenommen.“ Damit wurde die Stadt und ihre Durchwegung zum Vorbild für das Haus und seine Erschließung ausgerufen. Es kann vor diesem Hintergrund kaum verwundern, dass Georg Germann – im Anschluss an Überlegungen Giulio Carlo Argans – die architektonische Schrift Albertis als ein „Traktat des Urbanismus“ bezeichnet hat: „Bei Alberti [...] fügt sich die Architektur in den größeren Rahmen der Stadt, ist sie deren Interpretation, die von sichtbaren Formen getragene Botschaft ihrer Bedeutung.“
Die Stadt, die von Alberti ins Haus geholt wurde, war eine befestigte.

Diese urbanistische Besonderheit sollte man auch im Auge behalten, wenn man von seinen Architekturen spricht. Sie erklärt nämlich nicht nur die Raumtopologien, sondern auch die Innenarchitekturen, die der Architekt und viele seiner klassisch inspirierten Nachfolger planten und bauten. Heiner Mühlmann hat darauf hingewiesen, dass die Stadt und das Zimmer im Haus der Renaissance topologisch identisch sind: Beide stellen Sphären dar, die transversal von einer Bewegungsbahn durchschnitten werden. Der Weg durch einen Renaissance-Saal, der in einer geraden Linie von Tür zu Tür führt, kann als eine herunterskalierte, von Stadttor zu Stadttor spannende Via regia betrachtet werden. Das Kleine spiegelt sich im Großen – zumal das Große, nämlich die Stadt und ihre Umfassungsmauer, in der Sicht Albertis ja auch das Höchste ist: „Da die Stadt [...] als Ganze einem Gott geweiht ist, wird die Stadtmauer zum eigentlichen Gebäude der Stadt.“ Von dieser militärisch-sakralen High-Ranking-Architektur leiten sich alle anderen Bauwerke ab: Je bedeutsamer ein Gebäude für das Kollektiv der Civitas ist, desto stärker treten Anleihen an eine Stadttor-Ästhetik in den Vordergrund. In den Zentren vieler Städte gerieren sich Triumphbögen als Pseudo-Stadttore, und Triumphbogenmotive tauchen an fast allen wichtigen Gebäuden der Stadt in unterschiedlicher Dichte auf – die Ornamentik und das Bildprogramm aller urbanen Häuser sind gewissermaßen an der Stadtmauer und ihren Toren „geeicht“. Die einzig „eigentlichen“ Räume der Renaissance-Stadt, die nicht auf andere Gebäude Bezug nehmen, sind, so Mühlmann, die Geheimkorridore von Palazzi in der Dicke der Wand: „Hinter der Architektur befindet sich in einem Bereich architektonischer Jenseitigkeit technische Architektur. Ihre Räume sind die Hohlräume zwischen Innenwand und Außenwand.“

Die unbefestigte Stadt und das Ende des Hauses als Weg und Platz

Seit Stadtbefestigungen militärisch sinnlos geworden sind, also seit der Etablierung und Konsolidierung des Territorialstaats im 18. und 19. Jahrhundert, sind Albertis Ideen vom Haus als einer kleinen Stadt hinfällig geworden. Denn seither ist das Primat des Hindurchgehens durch das Primat des Daranvorbeigehens ersetzt worden: Wie Robin Evans dargelegt hat, sind die Räume mit den vielen Türen, die sich zu Enfiladen reihen, weitgehend durch Räume mit nur einer Tür ersetzt worden. Anders gesagt: Die Transversalen sind den Tangentialen gewichen. Das tangentiale Zeitalter der Architektur hatte seinen Vorläufer in den Zellen der mittelalterlichen Klöster, um sich ab der Aufklärung Mitte des 18. Jahrhundert zunächst in Hospitälern, Asylen und Gefängnissen und später auch in den allgemeinen Wohnformen durchzusetzen. Seither gehen Urbanismus und Architektur weitgehend getrennte Wege, denn fortan ging man zwar nach wie vor durch Städte hindurch, aber an den meisten Räumen und Zimmern vorbei. Moderne Gebäude sind anders organisiert als moderne Städte: Während die Durchwegungsoptionen von Städten seit dem Wegfall von Fortifikationen noch gesteigert wurden, reduzieren sich die Erschließungen von einzelnen Gebäuden auf den einen Zugang, an den sich zumeist – jedenfalls bis weit ins 20. Jahrhundert hinein – baumartig verästelte Korridorstrukturen anschließen. Versuche aus den fünfziger und sechziger Jahren, mithilfe multikursal organisierter „Mat-Buildings“ Baumstrukturen zu überwinden, gelten spätestens seit der um 2000 entstandenen neuen Sicherheitserwartungen an Zugangskontrollen als Sackgassen der Architekturevolution.

Seit der Moderne leiten sich Erschließungskonzepte innerhalb von Gebäuden kaum noch von der dichten Stadt, sondern vor allem von der Natur bzw. der offenen Landschaft ab. Insbesondere Josef Frank und Le Corbusier entwarfen in diesem Geiste innerarchitektonische Wege. Zwar bezieht sich Frank, der über Alberti promovierte, in seinem Aufsatz Das Haus als Weg und Platz explizit auf die Stadt als Vorbild seiner Raumschöpfungen. Doch begründet er seine Vorliebe für gebaute Parcours recht inkonsistent mit dem Abwechslungsbedürfnis des Städters nach architektonischen Dschungel-Surrogaten: „Der Mensch im Urwald brauchte keine Architektur, denn er hatte genügend Zeit und Raum sich ungehindert bewegen zu können, und musste sich nichts vortäuschen lassen. Wir, durch die Zivilisation eingesperrt, machen uns künstliche Wege und Plätze im Haus und dem kleinen Stück Erde, das wir Garten nennen, um Abwechslung auf dem möglichst kleinen Raum zu schaffen.“ Im selben Geiste, aber mit eindeutigerer Wortwahl, setzt Le Corbusier unter dem Motto „promenade architecturale“ auf die landschaftliche Erlebnisqualität durchwegter Architektur. Er formulierte ein „Gesetz des Durchwanderns“ und realisierte in seiner Pariser Villa La Roche (1925) seine erste Architektur-Promenade: „Man tritt ein. Gleich bietet das architektonische Schauspiel sich dem Blick dar. Man folgt einem vorgezeichneten Weg, und die Perspektiven entwickeln sich in großer Mannigfaltigkeit. Man spielt mit dem hereinströmenden Licht, das die Wände erhellt oder dämmrige Winkel schafft. Die Öffnungen geben die Sicht auf das Äußere frei, wo man (infolge der abgewinkelten Anordnung des Hauses und der Verzahnung von Innen- und Außenraum) die architektonische Einheit wieder findet.“

Was in den Tangentialerschließungen moderner Architekturen und in den intellektuellen Bezügen von Josef Frank und mehr noch von Le Corbusier implizit enthalten ist, wurde von Rem Koolhaas und seinem „Oeuvre incomplète“ S,M,L,XL explizit gemacht: das Ende der humanistischen Spiegelung des Makrokosmos im Mikrokosmos im Geiste von Albertis „Haus als kleiner Stadt“. Indem Koolhaas sein architektonisches Werk weder chronologisch noch typologisch oder geografisch, sondern nach Konfektionsgrößen ordnet, kommuniziert er: „S“ ist etwas völlig anderes als „XL“; es gibt kein geheimes Band, kein „connective tissue“, das Architektur und Stadtplanung im Innersten zusammenhielte. Verblüfft darüber, „dass allein schon die Größe eines Gebäudes ein ideologisches Programm konstituiert“, konstatiert der niederländische Architekt: „Bigness = Urbanismus versus Architektur.“

Bigness in Zürich

Inwieweit das Haus auf der einen und die Stadt bzw. Landschaft auf der anderen Seite einander ähnlich sind, inwieweit sie gar topologisch identisch sind, ist eine Frage, die in einem Land wie der Schweiz, in dem die Urbanisierungsprozesse der Moderne nicht nur auf die Städte begrenzt blieben, von besonderer Aktualität. Entsprechend herrscht in dem Alpenland seit ein paar Jahren eine kontrovers geführte Urbanismus-Debatte, initiiert vor allem durch das Buch Die Schweiz. Ein städtebauliches Porträt, das Roger Diener, Jacques Herzog, Marcel Meili, Pierre de Meuron, Christian Schmid und ihr ETH-Studio Basel herausgegeben haben. Am kontroversesten scheint diese Diskussion innerhalb des Instituts selbst geführt zu werden, denn betrachtet man den Band genauer, so fällt auf, dass beim wohl entscheidendsten Diskussionspunkt, nämlich der Frage, ob die Schweiz genuin anti-städtisch verfasst ist oder ob sie nicht vielmehr selbst als eine große Stadt zu betrachten ist, zwei unvereinbare Positionen für intellektuelle Inkonsistenz im Buch sorgen. Während etwa Jacques Herzog mit Verweis auf die Gemeindeautonomie von einem spezifischen „Antiurbanitätsmolekül“ der Schweiz spricht und in der radikal-föderalistischen Verfasstheit des Landes ein hochproblematisches „System der Abgrenzung, der Kleinteiligkeit, des Kleinmuts und des Egoismus“ erblickt, zeichnet Christian Schmid ein konträres, nämlich dezidiert städtisches Bild der Schweiz, wenn er schreibt: „Ausgangspunkt unserer Analyse ist die Hypothese, dass alle Gebiete der Schweiz als urban zu begreifen sind. Sie sind alle in der einen oder anderen Form vom Urbanisierungsprozess erfasst und grundlegend transformiert worden. Es macht keinen Sinn mehr, Stadt und Land oder Agglomerationen und ländliche Gebiete voneinander zu unterscheiden: Die gesamte Schweiz ist urbanisiert, und entsprechend sind alle ihre Landschaften mit Begriffen der Urbanisierung zu analysieren.“

Ein Blick auf das 1977 errichtete „Toni-Areal“ in Zürich-West könnte die beiden antipodischen Positionen wohl versöhnen, denn wie kaum ein zweites Gebäude in Zürich steht es für eine industrielle und letzten Endes auch urbanistische Durchdringung des Schweizer Territoriums – und gleichzeitig für die Fähigkeit dieses Prozesses, städtische Monumente zu generieren. Denn um nichts anderes handelt es sich beim Toni-Areal: um das gigantische, hochaufragende Artefakt eines nahrungsindustriellen Streamlinings; um die seinerzeit größte Milchfabrik Europas, in der täglich bis zu eine Million Liter Milch zu Joghurt, Butter, Sahne, Käse, Eis oder Milchpulver verarbeitet werden konnte [Abb. 1-2]. 1999 beschloss die Swiss Dairy Food, in der die Toni-Molkerei aufgegangen war, das Werk aus Kostengründen stillzulegen; ein Jahr später wurde der Betrieb liquidiert. Übrig blieb die zähe Baustruktur einer „generischen Zweckarchitektur“, die sich durch Böden von hoher Belastbarkeit, einer Stützenkonstruktion mit großen Spannweiten sowie doppelgeschossige Raumhöhen auszeichnet. Als bizarre Hinterlassenschaft an die Nachnutzer ragen – als eine Art Zürcher Kondensat des größten eidgenössischen Bauprojekts der Nachkriegszeit: der Schweizer Autobahn – breite LKW-Rampen in den Himmel; Stanislaus von Moos hat sie einmal als „zyklopische Ohren“ bezeichnet. Die jüngere Architekturgeschichtsschreibung hat sich daran gewöhnt, in diesen Rampen eine unter dem Pseudonym „Anonymus“ verfasste Flaschenpost Le Corbusiers zu erblicken, um einen eigenen Entwurf doch noch zur Realisierung zu bringen: den Plan des Schweizer Wahlparisers für das Europa-Parlament in Straßburg aus dem Jahre 1964, welcher vor allem durch seine weit auskragende promenade architecturale von sich reden machte [Abb. 3].

Das neue Toni-Areal: Aneignung des Rohen

Was sollte aus dem Toni-Koloss werden? Erste Überlegungen der als Grundpfandgläubigerin involvierten Zürcher Kantonalbank in Richtung Bürobau, Einkaufszentrum oder Entertainmentcenter zerschlugen sich. Als „Geburtsstunde“ des heute entstehenden Hochschulstandorts Toni-Areal kann eine vom Kanton Zürich 2005 in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie gelten. In der Folge entschied sich der Regierungsrat des Kantons zusammen mit den Schulleitungen und dem Fachhochschulrat für das Toni-Areal als zentralen Standort für die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und für die zur Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) gehörenden Departemente Angewandte Psychologie und Soziale Arbeit. Darüber hinaus werden Räume für öffentliche und halböffentliche Nutzungen sowie 100 Mietwohnungen entstehen. Ein Studienauftrag unter sieben eingeladenen Generalplanerteams folgte, aus dem das Projekt der Architekten Mathias Müller und Daniel Niggli, besser bekannt unter dem Namen „EM2N“, als Sieger hervorging. Die Kantonalbank verkaufte das Toni-Areal an die Generalunternehmung Allreal, die nun nicht nur die Baustelle und das gesamte Planerteam leitet, sondern auch als Vermieterin des umgebauten Gebäudes fungieren wird. Hierfür wurde im Jahre 2008 für den Toni-Campus der umfangreichste je abgeschlossene Mietvertrag des Kantons Zürich unterzeichnet: Auf eine feste Mietdauer von 20 Jahren fixiert und mit zwei Verlängerungsoptionen sowie einem Vorkaufsrecht des Kantons versehen, wird der jährliche Mietzins für die Gesamt-Mietfläche von 70.000 Quadratmetern 15,2 Millionen Franken betragen. Umfassende Planungsunterlagen sind Teil des Mietvertrages. In den Größendimensionen etwa vergleichbar mit dem Pariser Centre Pompidou oder der Tate Modern in London [Abb. 4], wird im Neuen Toni Platz für rund 5.000 Mitarbeiter, Dozenten und Studenten, für ein Kino, einen Jazzclub, vier Konzertsäle, diverse Ausstellungsräume sowie das Sammlungszentrum des Museums für Gestaltung geschaffen. Für den Ausbau der Liegenschaft bewilligte der Kantonsrat einen Kredit von rund 138 Millionen Franken.

Um das komplexe Raumprogramm in der ehemaligen Milchfabrik unterzubringen, wählten EM2N die Strategie eines „inneren Urbanismus“. Gemeint ist ein artifizielles Wegesystem, das – ergänzt um neue Lichthöfe – aus dem bestehenden Gebäude herausgestemmt wird. Dieses besteht im Wesentlichen aus den Querspangen der bestehenden Rampenanlage und einer neuen, zweigeschossigen Haupteingangshalle. Dazwischen erstreckt sich – im Innern des Hauses – eine ebenfalls neue Treppenkaskade, die, von der Eingangshalle ansteigend, bis in die oberste Etage der Rampenanlage reicht, und von dort Zugang zu einer „Kulturterrasse“ und einer „Dachpromenade“ ermöglicht. In der Summe entsteht ein strukturell an einen Knochen erinnernder öffentlicher Raum, der als „vertikaler Boulevard“ den öffentlichen Außenraum in das Gebäude hineinziehen soll [Abb. 5-10]. Raffinierterweise verstanden es die Architekten, diese Wegefigur von Brandschutzlasten frei zu halten, sodass ein offener Raum ohne Brandabschnittsklappen und feuerbeständige Bauteile zu erwarten sein wird. Die Treppenkaskade beschreiben die Architekten wie folgt: „Sie oszilliert zwischen weit und eng, monumental und fast intim. Durch eine Abfolge von wechselnden Raumstimmungen führt sie die Besucher durchs Gebäude, schafft Adressen, bindet Nutzungen zusammen und bildet Identifikationspunkte aus. Um diese Figur herum können sich die Nutzungen auf ihren „Parzellen“ flexibel entwickeln. So entsteht ein Haus mit kräftigen, Identifikation stiftenden Räumen und gleichzeitig maximaler Nutzungsflexibilität.“

Ein Schlüsselbegriff für das Verständnis des Neuen Toni ist „Aneignung“. Müller und Niggli legen Wert darauf, dem Gebäude keine Respekt erheischenden Oberflächen zu verpassen. Eine Besitzergreifung des Gebäudes durch neue Nutzer soll mehr sein als das Abstellen von Möbeln und das Anbringen von Namensschildern an Büros und Werkstätten. Gleichsam haptisch soll der neue Bau in Beschlag genommen werden: durch eine As-found-Ästhetik, die tote Perfektion meidet und das Rohe als Aufforderung zur Intervention begreift. Diese Zielrichtung wird durch eine künstlerische Lichtinstallation des Berliner Büros realities:united flankiert, die die Beschränkungen der berüchtigten „Kunst am Bau“ überwindet, indem sie das Nützliche (Lichtgebung für weitgehend innen liegenden Räume) mit dem Angenehmen (der Verpflichtung auf Aneignung) verbindet. Für ihre Arbeit nutzen die Berliner das gesamte für die öffentlichen Erschließungsbereiche notwendige Beleuchtungssystem [Abb. 11-15]. Das Licht, so realities:united, „folgt keinem wie auch immer gearteten „technischen“ Anordnungsraster, und auch sonst fehlt der Bezug zu anderen in Frage kommenden Typologien; weder entsteht in der Zusammenballung von Leuchten eine erkennbare „Lichtskulptur“, noch dient die Akzentuierung einer dramaturgischen oder architektonischen „Verdeutlichung“ des Raumes oder der Architektur“. Indem sie etwaige Erwartungshaltungen an Beleuchtungssysteme bewusst unterlaufen und auch suboptimale Lichtatmosphären bewusst suchen, provozieren sie Partizipation: „Die Nutzer, z.B. StudentInnen, die ihre Arbeiten ausstellen, finden keine Flächen vor, die für den Ausstellungsbetrieb optimiert sind, sondern Orte, die in dem Prozess der Aneignung eine Auseinandersetzung und ggf. eine Veränderung der Gegebenheiten provozieren.“ (realities:united) Vielleicht ist es das, was von der alten Idee des „Hauses als Weg und Platz“ ins 21. Jahrhundert hinübergerettet werden sollte: Der „innere Urbanismus“ kommt nur dann von innen, wenn er auf die Handlungen und Mikropolitiken der Nutzer rekurriert.


[Stephan Trüby, geb. 1970, ist Freier Architekt, Theoretiker, Kurator sowie Direktor des Postgraduierten-Studiengangs Spatial Design der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Er studierte an der AA School in London, promovierte bei Peter Sloterdijk und war von 2007 bis 2009 Professor für Architektur an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Sein neues Buch, Die Geschichte des Korridors, erscheint in Kürze. Er ist Ständiger Mitarbeiter von ARCH.]

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