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db deutsche bauzeitung 08|2012
London olympisch
db deutsche bauzeitung 08|2012

Opfer des Verfahrens

London Basketball Arena

Auf dem Weg zum Entwurf des größten olympischen Temporärbaus wurde im Prinzip alles richtig gemacht. Dennoch stößt die Basketballhalle nur auf verhaltenes Echo, denn das ursprüngliche Konzept wurde im Lauf diverser Umplanungen zwischen Sparzwängen zerrieben. Letztlich ist ein simples Zelt übrig geblieben: Die Konstruktion aus Stahlträgern und einer darüber gespannten PVC-Haut bietet aber durchaus genügend ästhetischen Reiz für telegene Auftritte und ist während der warmen Jahreszeit bestens nutzbar. Wenn sich Interessenten finden, können zwei Drittel des verbauten Materials wiederverwertet werden.

1. August 2012 - Rory Olcayto
In der Strategie für den Londoner Olympiapark dreht sich alles um »Legacy, Legacy, Legacy« – das Nachnutzungskonzept. Jedes Olympia-Gebäude wurde im Hinblick auf seine Zukunft nach den Spielen entworfen. Für das Olympiastadion plante das Büro Populous ein demontierbares Stahltragwerk, das, sollte es tatsächlich einmal entfernt werden, eine nur noch 25 000 Besucher fassende Betonschale übrig lässt. Das Aquatics Centre (s. S. 18) wird durch den Abbau seiner Tribünenflügel zum städtischen Schwimmbad schrumpfen. Und die Brücke von Heneghan Peng (s. S. 46), im »Olympia-Modus« ein 54 m breites Deck, das die Massen ins Stadion lenkt, lässt sich zu einer eleganten Fußgängerbrücke rückbauen.

Jetzt, da die Spiele begonnen haben, scheint es aber gar nicht mehr so sicher, dass die Pläne auch umgesetzt werden. Mindestens bis nach der Leichtathletik-WM 2017 bleibt das Olympiastadion, wie es ist. Folglich bleibt auch die Brücke weitere drei Jahre unverändert. Auch fand sich noch keine neue Nutzung für das größte Gebäude des Parks, das Haupt-Pressezentrum: ein charakterloser Schuppen (Architekten: Allies & Morrison), der einst als mögliches Distributionslager für Supermärkte im Gespräch war.

Die Basketball-Arena hingegen könnte tatsächlich unangefochten den Status als Vorzeigeprojekt in Sachen Nachnutzung für sich beanspruchen: Nach den Olympischen Spielen können ihre sämtlichen Bestandteile wiederverwendet und recycelt werden. Und weil sie das Gelände kaum berührt, werden Fernsehaufnahmen und Fotos die einzigen Belege dafür sein, dass sie überhaupt jemals existiert hat.

Dabei war sie die ganze Zeit über ein völlig unauffälliges Projekt und vermochte es nicht, die Aufmerksamkeit der Kritiker zu gewinnen. Selbst die verantwortlichen Architekten scheinen von ihrer Schöpfung wenig beeindruckt: Sie haben dem schätzungsweise um die 60 Mio. Euro teuren Bau den Spitznamen »Brotlaib« gegeben, weil er eben aussieht wie frisch aus dem Ofen geholt.

Immerhin ist die Arena mit Platz für 12 000 Personen eines der größten temporären olympischen Gebäude, das je gebaut wurde. Mit einer Traufhöhe von 25 m erinnert sie an den Maßstab der massigen Tate Modern im Zentrum Londons. Sie ist ein zehngeschossiger Riese, dessen tonnenartig gewölbte Stahlrahmen eng in weiße Kunststoffbahnen gehüllt wurden – und darüber hinaus ein großer Kompromiss.

Ringen um die beste Lösung

Unter den zehn Planerteams, die im Wettbewerb in die engere Wahl gekommen waren, fanden sich nur wenige Stars. Neben einigen verdienten Namen und großen Firmen war als einzige ernsthafte Konkurrenz nur Nicholas Grimshaw gemeinsam mit dem Ingenieur Mott MacDonald in den Ring gestiegen. Im November 2007 wurde das Entwurfsteam ermittelt, es gewann ein Konsortium, zu dem die Ingenieure Sinclair Knight Merz, die Projektmanager Nüssli, Wilkinson Eyre Architects als leitende Architekten und die KSS Design Group als Fachplaner für Sportbauten zählten.

Damals sagte Richard Burdett, architektonischer Chefberater der Olympic Delivery Authority (ODA): »Temporäre Bauten mit einem Maßstab und einer Wirkung wie die Basketball-Arena müssen mit Eleganz, Schlichtheit und Intelligenz entworfen werden.« Doch just, als das Entwurfsteam ernannt war, wurde die Kostenschraube angezogen. Entwurf und Ausführung bekamen Fesseln angelegt, denn ein schlechtes Auftragsmanagement hatte bei Stadion und Aquatics Centre zu Baukosten weit über dem Beschaffungswert geführt. Der Topf war bereits ordentlich geleert, vom Budget blieb kaum mehr etwas für die temporären Bauten übrig. Die ursprüngliche Idee der Architekten, eine geodätische Kuppel, musste fallengelassen werden. Sie war eines von 17 Konzepten gewesen, die das Team auf eigene Rechnung untersucht und vorgeschlagen hatte. Unter den Prämissen Einfachheit der Konstruktion, Demontierbarkeit, graue Energie und Recycling erwies sich das Prinzip eines Portalrahmens aus Stahl als der gesuchte Alleskönner. Dass hierbei statt eines Satteldachs ein Tonnengewölbe zur Ausführung kam, ist ein Zugeständnis an die Ästhetik.

Nach bewährter Strategie wurde das Projekt in sechs Pakete aufgeteilt: Unterkonstruktion, Tragwerk, Tribünen, Hülle, Nebenräume, Haustechnik und sonstige Bauarbeiten. Diese Gewerke wurden unabhängig voneinander ausgeschrieben, und jeder Subunternehmer war dafür verantwortlich, dass die Elemente nach den Olympischen Spielen im Ganzen wiederverwendet oder auf andere Art recycelt werden. So lässt sich die PVC-Membran wahlweise am Stück wiederverwenden oder aber auch genauso gut zu Pellets zermahlen.

Es heißt, Brasilien habe für die Olympischen Spiele 2016 Interesse am Stahltragwerk und an der gewellten Kunststoffhülle angemeldet, leider aber eben nur dafür. Angesichts der strengen Vorgaben von Rio de Janeiro ergäbe es keinen Sinn, das komplette Gebäude zu versetzen. Prinzipiell ist die Zerlegbarkeit der Halle positiv zu bewerten, auf der Kehrseite bedeutete das für die Architekten, dass sie die zahlreichen Schnittstellen zwischen den Paketen detailliert planen mussten – etwa die Frage, wie die Gipskartonplatten für die Nebenräume an den Sitzbereichen zu befestigen sind, ohne sie für eine spätere Vermietung unbrauchbar zu machen.

Es ist schwer zu sagen, wo genau die Verdienste dieses Projekts liegen. Die expressive Fassade beispielsweise, der einzige wirklich architektonische Aspekt des Bauwerks, geht auf den Fassadenunternehmer zurück, der die stählerne Unterkonstruktion mit ihren formgebenden Bögen entwickelt hat. Architekten und ODA hatten sich zuvor eigentlich auf ein Rhombenmuster geeinigt.

Die Kunststoffhaut selbst ist dafür gedacht, von hinten mit ausgefeilten Lichteffekten beleuchtet und so zum Highlight der olympischen Berichterstattung zu werden. Nein, den Stirling Prize wird die Basektball-Arena nicht gewinnen. Doch für den einen Monat wird sie im Fernsehen eine gute Figur machen. Und dann ist sie wieder weg. Ein akzeptabler Kompromiss.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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