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db deutsche Bauzeitung 2018|07-08
Auf dem Land
db deutsche Bauzeitung 2018|07-08

Das Sudhaus im Dorf gelassen

Umbau einer Brauerei zum Hotel in Eilsbrunn-Sinzing

Im Rahmen der Bayerischen Städtebauförderung und dank privaten Engagements konnte der historische Ortskern mit Kirche, Wirtshaus und einer ehemaligen Brauerei bewahrt und aufgewertet werden. Der Umbau des Sudhauses zum Hotel beweist, dass sich auch Todeskandidaten wieder zum Leben erwecken lassen – ohne Denkmalschutzförderung und bei wirtschaftlicher Umsetzung.

2. Juli 2018 - Ira Mazzoni
Zählte das Dorf Eilsbrunn nahe Regensburg in den 20er Jahren knapp 300 Einwohner, so leben heute in diesem Sinzinger Gemeindeteil über 1 100 Personen. Wie überall im Einzugsgebiet einer Großstadt staffeln sich Einfami­lienhäuser jedweder Couleur die Hänge hinauf. Aber im Ortskern hat sich Eilsbrunn etwas bewahrt, was es auch in Bayern nicht mehr allzu häufig gibt: ein Ensemble aus Kirche mit Pfarrhof, Pfarrstifthaus sowie Schule einerseits der Straße sowie Wirtshaus mit Biergarten, Festsaalbau, ehemaligen Stallungen und großer Brauerei andererseits. Die schmale Straße, die aus dem Tal der Schwarzen Laber auf die Jura-Höhe emporführt, findet bis heute ihren optischen Abschluss in der hohen Giebelwand des alten Sudhauses. Das denkmalgeschützte Wirtshaus, das seit über 300 Jahren im Besitz der Familie Röhrl traditionsbewusst geführt wird und es deshalb jüngst ins Guinness-Buch der Rekorde schaffte, ist zusammen mit dem Anfang des 20. Jahrhundert angelegten Alpinen Steig zu steil abfallenden Kalkfelsen ein beliebtes Ausflugsziel für die Regensburger.

Heilungsprozess

»Es war nicht schwer, das Dorf zu heilen«, sagt Landschaftsarchitektin Susanne Wamsler, »es war ja noch alles da – ein perfektes Ensemble!« Wenn auch in ­einem erbarmungswürdigen Zustand. Die Sudhaus-Ruine, das leerstehende Pfarrstifthaus und die nur sporadisch als Versammlungsraum genutzte Schule standen abstandslos hart an der geteerten Straße, auf der die Autos vom Berg kommend fast ungebremst durch die Engstelle rasten. Mit Mitteln der Bayerischen Städtebauförderung sollte der historische Dorfkern mit dem Dorfplatz gestalterisch gestärkt werden. Die Gemeinde Sinzing schrieb einen kleinen eingeladenen Wettbewerb aus, den die Regensburger Arbeitsgemeinschaft Köstlbacher Miczka Architektur Urbanistik mit Wamsler Rohloff Wirzmüller FreiraumArchitekten gewannen. Das bewährte Team startete mit einer Bürgerbefragung. »Da bekommt man – anders als bei einer Bürgerbeteiligung – jeden Haushalt«, erklärt Wamsler. »Je früher man die Bürger einbezieht, desto besser.« So erhielt jeder Eilsbrunner einen Satz Fragebögen frei Haus. Die Auswertung der Umfrage ergab ein sehr differenziertes, teil­weise auch widersprüch­liches Meinungsbild. Da war viel Interpretation und Moderation gefragt.

Einig waren sich die Ansässigen, dass der Dorfplatz einen Brunnen braucht und dass die alten Brunnrechte der alten Anwesen erhalten bleiben. Denn ohne die namensgebende Quelle hätte es hier nie einen Amtshof gegeben, der das Reichsstift St. Emmeram mit Bier versorgte.

Über acht Jahre hat der gemeinschaftliche Stadtentwicklungsprozess ge­dauert. Ihm ist es zu verdanken, dass das Dorf tatsächlich geheilt werden konnte und nicht einfach eine vorstädtisch anmutende Gestaltung über­gestülpt bekam. Rund zehn Bürgerversammlungen hat es gegeben. Jeden entscheidenden Gestaltungsvorschlag, wie etwa die Pflasterung von Straße und Platz, haben die Planer für die Bürger bemustern lassen. Durch den einheit­lichen Belag aus frostsicherem Dolomitpflaster (das nur im Fahrbahnbereich dem druckfesteren Granit den Vorrang überlassen muss) stellt sich der Platzcharakter in der Ortsmitte selbstverständlich ein. Er fließt den topografischen und baulichen Bedingungen folgend angenehm unprätentiös durch den Ort, durch Staudensaum und Rasenfugen ländlich aufgelockert.

Das Stifterhäusl aus dem 18. Jahrhundert bauten die Architekten Köstlbacher Miczca so um, dass im EG ein Friseurladen einziehen konnte und im OG eine Wohnung entstand. Für die Einrichtung eines Dorfladens hat es zum Bedauern der Planer zu keinem Zeitpunkt der Diskussion eine Mehrheit gegeben. 2013 konnte die lange umstrittene Sanierung und Umnutzung der alten Schule zum Gemeindehaus in Angriff genommen werden, mit Gemeindegarten im Hof. Letztlich beteiligte sich sogar die Kirche an der Dorferneuerung, widmete den Pfarrhof für die Dauer von 30 Jahren der Öffentlichkeit, sodass die Planer auch diesen Bereich in ihr Gesamtkonzept barrierefrei einbinden konnten.

Doch der gesamte Dorferneuerungsprozess wäre kaum der Rede wert, wenn sich nicht zu guter Letzt Andreas Röhrl getraut hätte, ohne Denkmalförderung, ohne Städtebauförderung das riesige Sudhaus zu erhalten und zum ­Hotel umzubauen. Ohne seinen Mut hätte das Dorf seine Fassung verloren.

Rettung in letzter Minute

Als Andreas Röhrl das Erbe 2008 antrat, war das 1764 errichtete Sudhaus ­Ruine. Die Gemeinde fragte zwar um Teilnahme an der geplanten Dorferneuerung an, konnte finanzielle Unterstützung aber nicht zusagen. Desillusionierend fiel auch der Entwurf von Köstlbacher und Miczka aus: Ihr Statiker gab dem dreigeschossigen Bauwerk keine Chance; die angstbehaftete Kostenschätzung für einen zweigeschossigen Baukörper, der keine Ähnlichkeit mehr mit einer Brauerei hatte, war ein Schock für den jungen Landwirt und Vater, der auch mit dem Erhalt des denkmalgeschützten Gasthofs in der Pflicht steht. Das Sudhaus gilt nicht als schutzwürdig, dem Abriss-Antrag wurde stattgegeben. Zweifel an der Sinnhaftigkeit eines Neubaus aber blieben, zumal das aktuelle Baurecht an dieser Stelle für eine Hotelnutzung ungünstige Bau­linien vorschreibt.

Als die Dorferneuerung schon in vollem Gange war, schaltete sich der besorgte, ortsansässige Kreisheimatpfleger ein und vermittelte den Kontakt zum Architekten Michael Kühnlein. Die Rettung.

Bauen im Bestand

Das Büro Kühnlein Architekten, das ausschließlich im Bestand baut, fand für die totgesagte Brauerei ein robustes, wirtschaftliches Konzept mit einer Bausumme für das Gesamtvorhaben, die einem Neubaupreis gleich kam. Der Charakter des Bauwerks sollte erhalten und nur das Notwendige so einfach und kostengünstig wie möglich neu gebaut werden. Ein statisches Gutachten fundierte die von der Gemeinde bezuschusste Machbarkeitsstudie.

Der substanziell minderwertige Brennereianbau auf der Nordseite wurde niedergelegt und schuf Platz für ein Treppenhaus nebst Aufzugsanlage sowie einen Küchentrakt. Dabei nahm Kühnlein seinen Anbau aus der Fluchtline des Brauereigiebels zurück, sodass er städtebaulich kaum in Erscheinung tritt.

Die 1 m dicken Außenmauern des historischen Kernbaus mussten unterfangen werden. Da sie durch den Einsturz der Holzbalkendecken ihren Halt verloren hatten, wurden sie nach der Beräumung mit Edelstahlzügen rückverankert, neue Stahlbetondecken wurden eingezogen. Die verzinkten Ankerplatten rhythmisieren die Fassaden. Das obere DG entfiel, das erste DG wurde zu einer Volletage ausgebaut. Das neue Dach bekam eine geringere Neigung, sodass die Gesamthöhe des Altbaus gehalten werden konnte.

Das preußische Kappengewölbe über dem zweigeschossigen Sudhaus wurde an die neue Stahlbetondecke rückverankert. Besonders aufwendig war die statische Sicherung der alten Säulenhalle. Offenbar hatten schon die Vorbesitzer dem Tragwerk nicht mehr getraut und einige Eisenstützen und Züge eingebaut. Jede Gewölbestütze erhielt einen neuen Stahlbetonschaft und ein eigenes Fundament. Der Gewölberücken wurde entschuttet und ausbetoniert.

Gelassener Auftritt

Das Hotel Garni überzeugt heute mit einer nach historischem Vorbild klar ­gegliederten Fassade. Weiße Glattputzstreifen markieren die Geschossdecken und Hausecken. Straßenseitig wurden vier Lichtschlitze eingelassen, um den Gewölbesaal in jedem Joch mit Tageslicht zu versorgen. Das schmale Format dieser feststehenden Fenster vermag, das geschlossene Erscheinungsbild der Straßenansicht zu wahren.

Auf der Hofseite wurden die Beton-Anbauten für das Treppenhaus und die Wirtschaftsräume aus Kostengründen mit witterungsbeständig gestrichenen Holzlatten beplankt. Dabei alterniert die Farbpalette bezugnehmend auf die in der Brauerei vorherrschenden Materialien zwischen Messing-, Holz- und Kupfertönen. Dazu gesellt sich noch das Grau der beiden hochrechteckigen Fensterbänder des Treppenhauses. Dagegen bleibt die am Ostgiebel nach feuerpolizeilicher Vorschrift und statischer Vorgabe zwangsweise angestellte, ausladende, an zwei Pfosten montierte, verzinkte Fluchttreppe ein Fremdkörper.

Haus voller Überraschungen

Der Gast betritt das Hotel durch eine hohe Messingtür und steht mitten im ehemaligen Sudhaus: Die gemauerte Feuerung, die geflieste Braupfanne, der Maischbottich, Motorblock, Pumpe, Leitungen und Transmissionen, Treppen und Stege bestimmen den Raum, dessen Boden mit gesäuberten Ziegeln aus dem Abriss gepflastert ist, und lassen die eicherne Rezeption in den Hintergrund treten. Hinter der gläsernen Tür öffnet sich die 163 m² große Gewölbehalle. Der luxuriös großzügige Frühstücksraum ist von den alten, aufpolierten Kalksteinplatten und den getünchten Backstein-Gewölben geprägt. Dass der Raum nicht hallig ist, verdankt er den großen textilen, auf Keilrahmen ge­zogenen und mit Schaumstoff hinterfütterten Schwarzweißfotos an den Wänden, die zeigen, wie es früher auf dem Röhrl-Hof ausgesehen hat.

Der Treppenhausanbau, der die nötige Infrastruktur aus dem historischen Bau fernhält, überzeugt durch seine rohe Qualität. Allen Gewerken – den Maurern wie den Spenglern – musste der Architekt vermitteln, dass alles was sie machen, zu sehen sein wird. Nichts wurde verputzt oder bekleidet.

Die nackten Betonwände und Decken, die nackten Leitungen und Lüftungsrohre entsprechen vollkommen dem Wesen der historischen Produktionsstätte.
Etwas manieriert wirkt es allerdings, dass Bauherr und Architekt in den ­Fluren die Wände der alten Mälzerei so belassen haben wie vorgefunden: Schrundig mit offenen Ziegelplomben. Die in den alten Bräuburschenkammern und im Darrturm eingerichteten Gästezimmer hingegen überzeugen mit ihrem konservierten Lokalkolorit und einer schlichten Eichen-Vollholz-Schreiner-Ausstattung.

Es steht außer Frage, dass das 25-Zimmer-Hotel dem Dorf gut zu Gesicht steht. Das »älteste Gasthaus der Welt«, in dem Hochzeiten und andere Feste gefeiert werden, erhält eine sinnvolle Ergänzung. So mancher Dienstreisende, der in der Welterbestadt Regensburg kein Zimmer mehr buchen kann, entdeckt jetzt Eilsbrunn. Die Orts- und Familientradition wird gewahrt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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