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db deutsche bauzeitung 2018|10
Keramik
db deutsche bauzeitung 2018|10

Smaragd im Park

Erweiterung der Konzerthalle »Musis Sacrum« ­ in Arnheim (NL)

Klassische Konzerte, House-Parties, Fashion Shows und Volleyball-Turniere: Im neuen Parksaal des Konzerthauses Musis Sacrum in Arnheim ist alles möglich. Die Vielfalt der Veranstaltungen spielt sich hinter einer sattgrün melierten Keramikfassade ab, die den Bau zur Erweiterung des Parks werden lässt.

8. Oktober 2018 - Anneke Bokern
Musis Sacrum (Den Musen geweiht) ist ein alteingesessenes Konzerthaus in Arnheim und Heimat des Arnhem Philharmonic Orchestra. Das Stammhaus wurde 1847 in einem Park am Rande der Innenstadt errichtet und im Laufe der Zeit mehrfach umgebaut und erweitert. Mit seinem etwas plumpen Eklektizismus galt schon der Ursprungsbau nicht gerade als Schönheit, und die diversen Um- und Anbauten, darunter ein unter Sparzwängen entstandener Saal aus den 1970er Jahren auf der Parkseite, bewirkten auch keine Verbesserung. Die Wegeführung war unlogisch, die Akustik schlecht, das Dach leckte, und der gesamte Bau steckte voller Asbest.

Es musste also etwas geschehen. Als 2014 endlich öffentliche Mittel verfügbar wurden, luden die Stadt und die Leitung des Konzerthauses fünf Architekturbüros ein, einen Entwurf für eine Erneuerung des Anbaus und die Renovierung des Altbaus zu erarbeiten. Aus dem Wettbewerb ging das Amsterdamer Büro Van Dongen & Koschuch, das bereits zwölf weitere Konzertsäle in den Niederlanden im Portfolio hat, als Gewinner hervor: Als einzige Teilnehmer hatten sie vorgeschlagen, den Neubau durch ein Foyer vom Altbau zu trennen und einen Teil des Raumprogramms unterirdisch unterzubringen.

Minimale Sanierung des Bestands, maximale Strahlkraft des Neubaus

Mit insgesamt 18 Mio. Euro für Neubau und Sanierung war das Budget sehr beschränkt. Ursprünglich sollte der neue Saal deshalb nur ein Volumen von 10 000 m³ bekommen. Aber für eine optimale Akustik muss die Höhe des Saals mindestens der Hälfte der Tiefe entsprechen, was auf 15 000 m³ hinauslief. Um das zu finanzieren, wurde die Renovierung des Altbaus recht einfach gehalten: Die Installationen wurden erneuert, der große Saal mit fünf hohen, schmalen Fenstern zur Stadt hin geöffnet, alte Parkettböden freigelegt, und alle Räume in eine etwas charakterlose beigefarbene Grundfarbe getaucht (mit der Option, ehemalige Wanddekorationen zu einem späteren Zeitpunkt wiederherzustellen).

Viel bildbestimmender als der Altbau ist glücklicherweise der neue Erweiterungsbau auf der Parkseite, der an die Stelle des Anbaus aus den 1970er Jahren getreten ist. An den Altbau schließt, unter einem Kragdach und über einem Treppensockel aus Beton, die Glasfassade des Neubaus an. Auf der stadtzugewandten Seite befinden sich der neue Haupteingang und das Foyer, das an das Foyer des Altbaus anschließt. Auf der Nordseite liegt eine Logistik-Achse mit Zulieferung, Büros und Backstage-Bereich. Alle Garderoben, Studios und sonstige Nebenräume wurden im UG untergebracht – eine für die Niederlande, wo unterirdische Baumaßnahmen normalerweise viel Geld kosten, ungewöhnliche Lösung, die aber dank des niedrigen Grundwasserspiegels in Arnheim möglich war. Damit die Aufenthaltsräume dennoch Tageslicht erhalten und gleichzeitig nicht von außen einsehbar sind, befindet sich vor der Nordfassade ein langer, schmaler, abgesenkter Patio.

Keramikfassade als Hingucker

Das Volumen des neuen Konzertsaals ist 17 m hoch und steckt als autonomes Objekt mit abgerundeten Ecken durch das Betondach. Hingucker ist die mit smaragdgrün melierten, 8 cm breiten Keramikelementen bekleidet Fassade, die das gesamte Volumen umhüllt – sowohl außen als auch hinter der Glasfassade. Dafür wurden insgesamt 15 000 Keramikröhren mit trapezförmigem Querschnitt angefertigt und in der Manufaktur Koninklijke Tichelaar im friesischen Makkum, die auf Keramikprodukte für architektonische Anwendungen spezialisiert ist, von Hand glasiert. Mit einem Kännchen wurden fünf verschiedene Grüntöne über die auf Kante gestellten Elemente gegossen. Der so erzeugte sirupartige Verlauf bewirkt, dass jedes Element anders aussieht und die handwerkliche Entstehungsweise deutlich sichtbar ist.

Um der Fassade noch mehr Tiefe zu verleihen, wurden die Elemente in zwei Maßen angefertigt und abwechselnd montiert. So entsteht eine vertikale Reliefstruktur mit viel Tiefe, Bewegung und einer facettenreichen, samtigen Farbgebung. Die glasierten Keramikmodule sind über einer Mineralwoll-Dämmschicht angebracht und in Aluminiummanschetten eingehängt. Während sich außen zwischen den Elementen jeweils eine T-förmige Dichtung befindet, liegt im Innern dort ein 2 cm breiter Spalt, der schallschluckend wirkt. Hinter den Keramikelementen versteckt sich ohnehin viel mehr als man zunächst denkt: Ventilation, Absaugung, Schlauchtrommeln und Anschlüsse aller Art sind in der sattgrünen Wand verborgen. Auf diese Art konnte alles Geld in die Fassade fließen und nicht etwa in ein aufwendiges Deckensystem.

So flexibel wie irgend möglich

Hinter dem Keramikgewand befindet sich der neue Konzertsaal mit 1 000-1 750 flexibel montierbaren Sitzplätzen und einem umlaufenden Balkon. Sein Akustikkonzept wurde gemeinsam mit dem Büro Peutz ausgearbeitet und an einem 1:10-Modell getestet. Die Wände sind mit Eichenholzkassetten mit einem teils unregelmäßigen Sägezahnmotiv bekleidet. Zusätzlich verstecken sich hinter der Wandbekleidung noch 250 ausklappbare, schwarze Faltpaneele, mit deren Hilfe man die Nachhallzeit im Saal von 2,3 Sekunden auf 1 Sekunde reduzieren kann, sodass er vom Klassik- zum Pop-Saal wird. Multifunktionalität war ohnehin das Leitmotiv: Auch Bühne und Saalboden sind je nach Nutzungsart in der Höhe verstellbar.

Größter Kunstgriff hier ist jedoch die 10 m hohe und 16 m breite Glaswand hinter der Bühne. Um eine Schallisolierung von 58 dB zu gewährleisten, besteht sie aus zwei 50 mm dicken Isolierglasschichten, zwischen denen ein breiter, begehbarer Spalt liegt. Bei Konzerten im Saal kann sie mit einem großen Rollo verdunkelt werden. Man kann den gesamten Saal aber auch zum Park hin öffnen, denn die Glaselemente sind auf einer im Boden eingelassenen Schiene fahrbar. Wenn man die Glaswand öffnet und sich das Orchester umdreht, spielt es auf einmal ein Open-Air-Konzert für die Parkbesucher.

Nicht nur dank dieser Öffnung, sondern auch durch das satte Grün der Keramikfassade wird das Gebäude zu einer echten Verlängerung des Parks. Die Grüntöne der Blätter und des Grases, aber auch des schlammigen kleinen Wasserlaufs kehren in der Fassade zurück, die außerdem bei unterschiedlicher Lichteinstrahlung einen immer wieder anderen Anblick bietet. Im Innern treffen die grünen Keramikelemente auf Türen, Handläufe und Schilder aus Messing und weiße Natursteinböden, was an den Materialgebrauch von Gio Ponti denken lässt und somit etwas stilvollen Fünfziger-Jahre-Charme versprüht.

Laut den Architekten hat die Keramikfassade nicht mehr gekostet als eine vergleichbare Klinkerfassade. Ihr Effekt ist aber ungleich größer, verleiht sie dem Gebäude doch Wiedererkennungswert, verankert es in seinem Kontext, birgt schlaue Detaillösungen und hat – auch in Kombination mit den weiteren Materialien – eine edle, handwerkliche Ausstrahlung, die nichts von den Budgetbeschränkungen verrät.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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