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db deutsche bauzeitung 2018|10
Keramik
db deutsche bauzeitung 2018|10

Schillerndes Trio

»Intelligent Quarters« in der HafenCity in Hamburg

In der Hamburger HafenCity ist das Projekt »Intelligent Quarters« vor Kurzem fertiggestellt worden. Das Ensemble von Störmer Murphy and Partners beinhaltet einen 18-geschossigen Büroturm, ein Wohngebäude und ein zweites, deutlich kleineres Bürogebäude. Verbindendes Element sind die schillernd weißen, mit glasierten Keramikplatten bekleideten Fassaden.

8. Oktober 2018 - Robert Uhde
»Intelligent Quarters«, das klingt nach Bildung, nach Forschung und nach ganz viel IQ. Und in der Tat: Als das jetzt fertiggestellte Projekt im Sommer 2010 beschlossen wurde, war neben der ECE Projektmanagement GmbH auch noch die Kühne-Stiftung für Logistik und Unternehmensführung mit an Bord, die hier ihre Kühne Logistics University (KLU) errichten wollte. Im Zusammenspiel mit der östlich direkt angrenzenden HafenCity Universität (HCU) und zusätzlich zu den ansonsten vorgesehenen Funktionen Wohnen, Arbeiten, Einzelhandel und Freizeit wäre damit ein ansehnlicher Wissenscluster entlang der Uferpromenade zwischen Magdeburger Hafen und Baakenhafen entstanden.

Klingt gut. Aber leider hatte sich die Kühne-Stiftung im weiteren Verlauf für einen anderen Standort entschieden. Trotz der somit veränderten Planung wurde das Projekt weiter unter gleichem Namen verfolgt. Und nach Fertigstellung erweist es sich als deutlicher Gewinn für den Standort: Nach dem Entwurf von Störmer Murphy and Partners – der sich 2011 in einem europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb u. a. gegen Vorschläge von Bjarke Ingels und Bothe Richter Teherani durchgesetzt hatte –, ist ein städtebaulich gut integriertes Ensemble mit vielfältigem Funktions-Mix gelungen, das sich mit seinen weißen Keramikfassaden trotz dreier völlig unterschiedlicher Baukörper als homogene Einheit präsentiert und das überdies durch eine hohe Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums überzeugt.

Markant gestaltetes Ensemble

Zentraler Blickfang des für eine Summe von rund 150 Mio. Euro errichteten Quartiers ist der zur Hafenkante in Richtung Südwesten orientierte Büroturm »Watermark«, der mit seiner charakteristischen Silhouette und der bau­rechtlich maximal ausgenutzten Höhe von 70 m eine weithin sichtbare Landmarke innerhalb der HafenCity schafft: »Auf 18 Ebenen stehen hier insgesamt 16 000 m² Büroflächen mit weitem Panoramablick über Hamburg zur Ver­fügung«, erklärt Jan Störmer. Vor Jahren hatte der Architekt mit seinem Büro bereits die Deutschlandzentrale von Kühne + Nagel am Großen Grasbrook und das mittlere Baufeld des Germanischen Lloyds am Brooktorkai hier in der HafenCity geplant. Ähnlich stark auf den Ort bezogen präsentieren sich jetzt auch die Intelligent Quarters mit ihrer spannungsreichen Anordnung, ihrer markanten Höhenstaffelung und den vielfältigen Sichtachsen, die zwischen den Gebäuden entstanden sind. Ein charakteristisches Gestaltungselement des Büroturms sind insbesondere die streng gerasterten Fassaden mit ihren schlanken Fenstern, die die Höhe des Gebäudes betonen. Geschickt aufgebrochen wird die Symmetrie wiederum durch den trapezförmigen Grundriss sowie durch die dynamische Struktur des Baukörpers mit den subtil ­gegeneinander verschobenen und teilweise leicht vorkragenden Geometrien.

Nördlich angrenzend an den Büroturm – und mit seiner Längsfront parallel zur Überseeallee ausgerichtet –, greift das Wohngebäude »Freeport« mit einer Höhe von 30 m die Traufhöhe der umliegenden Bebauung auf und schafft dabei ein klug kalkuliertes optisches Gegengewicht zum hochgewachsenen Büroturm. Auf neun Ebenen haben die Planer hier 46 hochwertige Eigentumswohnungen mit Flächen zwischen 60 und 220 m² umgesetzt. Die flächenbündig eingelassenen horizontalen Fensterbänder sowie die deutlich vorkragenden Loggien nach Osten und Süden ermöglichen dabei eine maximale Aussicht aufs Wasser. Komplettiert wird das Trio durch das sich weiter östlich anschließende siebengeschossige Gebäude »Shipyard«, das zusätzlich 7 800 m² Büroflächen bereitstellt. Ein markantes Detail sind hier die spitz zulaufenden, nach Norden hin oberhalb des Sockels regelrecht nach innen »eingeklappten« Gebäudelinien, die einen gelungenen Bezug zur expressiven Architektur der direkt nebenan gelegenen HafenCity Universität schaffen.

Eine Tiefgarage mit 390 Pkw-Stellplätzen ist für die drei Gebäude zur gemeinsamen Nutzung vorgesehen, der momentan noch nicht komplett fertiggestellte, auf Straßenniveau gelegene Quartiersplatz im Übergang zur HCU, soll demnächst mit Restaurants, Cafés und Geschäften in den Sockelgeschossen bespielt werden. Eine große, öffentlich nutzbare Terrasse ermöglicht dabei einen fließenden Übergang zwischen Platzniveau und Uferpromenade. Im Zusammenspiel der verschiedenen Elemente ist den Planern damit ein würdiger Abschluss der Hafenkante mit attraktiven Außenräumen und vielfältigen Bezügen zwischen Land und Wasser gelungen.

Homogenes Fassadenbild

Große Bedeutung für den Charakter der Bebauung hat die einheitliche Materialsprache des Trios: »Um trotz der unterschiedlichen Nutzungen und der stark variierenden Gebäudekubaturen ein eigenständiges und wiedererkennbares Ensemble mit homogenem Charakter und eigener Identität zu erhalten, war es uns wichtig, alle drei Gebäude mit einer einheitlichen Fassadenbekleidung auszubilden«, so Jan Störmer.

Bereits im Wettbewerb hatten sich die Architekten auf die Umsetzung einer vorgehängten, hinterlüfteten Konstruktion mit weiß glasierten Terrakottafliesen festgelegt: »Die je nach Blickwinkel und Wetterlage unterschiedlich stark schimmernden Tafeln schaffen nicht nur eine sichtbare Verbindung zum weiß verputzten Baukörper der benachbarten HafenCity Universität, sie schreiben auch die jahrhundertealte Tradition von Hamburg als weißer Stadt fort«, erklärt Störmer. »Am ­deutlichsten ist dieser Charakter noch in Stadtteilen wie Eppendorf oder Harvesterhude erlebbar. Die Umsetzung der großen, heute so stadtbildprägenden Backsteinbauten erfolgte dagegen erst im 20. Jahrhundert unter Oberbaudirektor ­Fritz Schumacher«.

Neben ästhetischen und städtebaulichen Aspekten sprachen v. a. bautechnische und bauphysikalische Gründe für den Einsatz von Keramik: Die Platten werden nach dem Schneiden glasiert und dann ähnlich wie Porzellan ein zweites Mal bei hohen Temperaturen gebrannt, um die hochwertigen Glasuren zu erhalten: »Sie haben daher eine extrem geringe Wasseraufnahme, sodass oberflächlicher Schmutz beim nächsten Regen einfach abgewaschen wird und die Flächen damit dauerhaft ihre helle freundliche Farbigkeit behalten«, beschreibt Jan Störmer.

Fliesen-Sonderanfertigung

Weitere Vorteile der feuerbeständigen Platten sind das vergleichsweise geringe Gewicht aufgrund der brandtechnisch nötigen Luftkammern in den einzelnen Elementen, die einfache Handhabung sowie die große Vielfalt an Platten- und Elementformaten, die die Ausbildung unterschiedlicher Details erlaubte. Entsprechend wurden sämtliche Elemente durch das Unternehmen NBK Keramik aus Emmerich als Sonderanfertigung in individuell vorgegebenen Abmessungen produziert: »Das Grundmaß beträgt dabei 1,35 x 0,6 m, alternativ kamen auch Breiten von 0,3 bzw. 0,8 m zum Einsatz. Zudem konnten viele Formteile und Sondermaße umgesetzt werden«.

So waren besonders schmale Elemente für die Ausbildung der Rasterfassade des Büroturms erforderlich. Der unregelmäßige Wechsel von zwei unterschiedlich großen, jeweils plastisch ausgeformten Lisenen-Elementen sowie die Einfassung von jeweils zwei Geschossen durch unterschiedlich breite Brüstungselemente betont dabei den dynamisch-bewegten Charakter der Fassade. Für die Stützen vor dem Eingangsbereich kamen Keramikelemente in alternativer Größe zum Einsatz. Die Fensterrahmen sowie die Fassaden des Mezzaningeschosses wurden im Kontrast mit eloxiertem Aluminium ausgeführt. Beim angrenzenden Wohnturm wurden Keramikelemente in drei unterschiedlichen Breiten gewählt und symmetrisch im Blockverband übereinander angeordnet, um die großen Fassadenflächen zu strukturieren und die horizontale Ausstrahlung des Gebäudes zu forcieren. Das wohlkalkulierte Spiel der Fugen erzeugt dabei ein ausgeprägtes Linienspiel, das sich erst aus einigen Hundert Metern Entfernung auflöst. Beim kleineren Bürogebäude wurden die Keramikelemente stattdessen versetzt angeordnet und zusätzlich auch Tafeln mit vertikaler Profilierung eingesetzt, um eine lebendige Fassadenwirkung zu erzielen.

Perspektiven für mehr Nachhaltigkeit

Die Montage der Platten erfolgte auf einer speziellen Unterkonstruktion aus Aluminium. Die im Zwischenraum integrierte Dämmung aus Steinwolle ermöglicht dabei einen hochwertigen Wärmeschutz. Zusätzlich optimiert wird die Energiebilanz der drei Gebäude durch einen reduzierten Glasanteil in der Fassade von lediglich 45 % sowie durch dreifach verglaste Fenster, die für einen optimierten Lärmschutz außerdem als »HafenCity-Fenster« mit einer oben und einer unten kippbaren Kante ausgebildet wurden. Im Verbund mit verschiedenen weiteren Maßnahmen entsprechen die Intelligent Quarters damit den Anforderungen des Umweltzeichens der HafenCity in Gold sowie des DGNB Vorzertifikats in Silber.

Eine gänzlich andere Strategie verfolgen Störmer Murphy and Partners diesbezüglich mit ihrem Wohnturm »Wildspitze«, der in den kommenden Jahren etwas weiter östlich in unmittelbarer Nähe zum neuen S-Bahnhof Elbbrücken und zum geplanten Elbtower entstehen soll. Denn mit 18 Geschossen und einer Höhe von 65 m soll das Projekt Deutschlands höchster Holzbau werden. Ein vielversprechender Ansatz für ein weiteres Plus an Nachhaltigkeit und neue Perspektiven für die HafenCity.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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