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Schauspielwiese

Probebühnenzentrum des Deutschen Theaters in Berlin

Passend zu seiner Funktion hält sich das neue Probebühnenzentrum des Deutschen Theaters in Berlin eher im Hintergrund. Drei übereinander gestapelte Bühnen nutzen die begrenzte Fläche gut aus und bieten den Theaterschaffenden Raum zur Entfaltung. Gleichzeitig vermittelt der Baukörper geschickt zwischen den Bauten der Umgebung.

3. Dezember 2018 - Anke Geldmacher
Theater sind repräsentativ und oftmals opulent gestaltet: Schmuckreiche Fassaden, Vorplatz, großer Eingang, Foyer, viel Tamtam. So auch beim ­Deutschen Theater (DT) in Berlin, erbaut 1849-50 von Eduard Titz. Die dazugehörigen Probebühnen führen ein Dasein in zweiter Reihe. Sie liegen versteckt und sind kaum zu finden – von einem großen Vorplatz und großem Aufsehen ganz zu schweigen. Aber das brauchen sie ja auch nicht. Im Grunde ist das neue Probebühnenzentrum des Deutschen Theater wie eine Souffleuse: Es hält sich verdeckt am Bühnenrand, aber ohne gerät das Stück ins Stocken. Hier spielt die Musik, bevor auf der großen Bühne der Vorhang fällt. Hier werden Texte gelesen, Bühnenbilder ausprobiert und natürlich die Stücke geprobt. Dazu kommt der beachtliche Teil an Lager und Logistik: Um dem anspruchsvollen Theater­publikum ausreichend Abwechslung bieten zu können, wechseln die Stücke innerhalb einer Spielzeit mehrfach munter durch. Mit nur einem Stück, das über die gesamte Saison gespielt wird, kann sich kaum ein Haus mehr sehen lassen – schon gar nicht in der Hauptstadt mit annähernd 100 Spielstätten. Dadurch müssen Kulissen häufig auf- und abgebaut sowie gelagert werden. Zudem benötigt das Theater einen Ort, an dem Bühnenbilder entwickelt und ausprobiert werden können. Das muss nicht zwangsweise in direkter Nachbarschaft passieren, doch je näher dies zur Spielstätte ist, desto komfortabler und einfacher gestalten sich die Arbeitsabläufe. Das neue Probebühnenzentrum des DT bietet genau diesen Komfort und führt erstmals den gesamten Probenbetrieb des Theaters an einem zentralen Ort zusammen.

Anspruchsvolle Nachbarschaft

Der Weg dahin war nicht unbedingt einfach. Als die Architekten Gerkan, Marg und Partner 2010 im Rahmen des Wettbewerbs das geforderte Raumprogramm durchgingen, lautete eine der zentralen Fragen: »Wie soll das alles in den engen Hof passen?« Das Platzangebot war nicht nur begrenzt, zudem galt es, den verschiedenen Traufhöhen, Baustilen und nicht zuletzt dem Denkmalschutz gerecht zu werden. Das Theater liegt in der historischen Friedrich-Wilhelm-Stadt in Berlin-Mitte. Der für das Probenzentrum vorgesehene Hof grenzt an den Campus der Charité sowie an das von Carl Gotthard Langhans erbaute Tieranatomische Theater und seine Erweiterungsbauten. Die Architekten setzten auf klare Linien und Strukturen und gingen das Ganze recht pragmatisch an. An den Größen der nachzubildenden Bühnen – zweimal die große Bühne des DT, einmal die kleine Bühne der Kammerspiele – war nicht zu rütteln, ebenso wenig am Standort. Sie stapelten die Bühnen aufeinander und ordneten die Nebenräume in zwei schmaleren Gebäudeteilen an den Seiten an. Die L-Form fasst den Hof ein und bildet nun eine klare Grenze zur Nachbarbebauung, jedoch ohne sich abzuschotten. Die unterschiedlichen Gebäudehöhen vermitteln zwischen dem 25 m hohen Hauptteil und den Traufhöhen des Tieranatomischen Theaters und der Hofbebauung. Steht man direkt davor, wirkt der Neubau durchaus groß, die Staffelung in der Höhe und Tiefe nimmt ihm aber seine Wucht und lässt ihn angemessen und maßstäblich erscheinen. Unterstützt wird dies zusätzlich von den vertikalen Fensterbändern, die den Blick förmlich nach oben ziehen. Längsstreifen machen schlank, das gilt auch in der Architektur.

Der Zugang erfolgt entweder über den Bühneneingang des DT oder über eine kleine unscheinbare Zufahrt von der Luisenstraße. Dieses »Nadelöhr« war während der Bauphase auch der einzige Weg für Baustellenfahrzeuge und führte im Vorfeld zu Bedenken. Den eher praktisch veranlagten Bauleuten machte das aber scheinbar wenig aus; quasi über Nacht stand ein großer Bagger im Hof – wie der dorthin kam, wissen die Architekten bis heute nicht. Von der Luisenstraße und vom Tieranatomischen Theater aus hat man als Außenstehender Gelegenheit, zumindest einen kleinen Blick auf das Gebäude zu erhaschen. Etwas versteckt liegend, weckt es die Neugier beim Betrachter – man weiß nicht so recht, was sich hinter den geschlossenen Putzfassaden mit den wenigen, akzentuierenden Fensterbändern abspielt. Die helle Putzoberfläche passt zum einen gut in die Umgebung und freut die Denkmalschutzbehörde, zum anderen bildet sie einen edlen, neutralen Rahmen. gmp bezeichnen sie daher als Passepartout für das denkmalgeschützte Ensemble. Einen Kontrast bildet die hinterlüftete Sockelfassade: Hier kam robuster Betonwerkstein zum Einsatz, da dieser Bereich stärker beansprucht wird. Die anthrazitfarbenen Fertigteile sind ebenfalls vertikal ausgerichtet und wechseln sich mit Glasflächen und dunklen Toren ab.

Im östlichen Gebäudeteil befindet sich die Anlieferung mit einem 3 x 6 m großen Lastenaufzug. Dieser verteilt Material und Kulissen auf die entsprechenden Bühnen oder in die Lagerflächen. Im EG befinden sich neben der kleinen Probebühne der Kammerspiele auch das Zwischenlager, Tischlerei, Schlosserei, Malwerkstatt und Näherei. Das DT verfügt über eine große Tischlerei und eine Schlosserei an einem externen Standort, die kleineren Werkstätten vor Ort erledigen das Tagesgeschäft und können spontane Reparaturen übernehmen. Im Gegensatz zu den eher geschlossen Obergeschossen verfügt das EG über großflächige Öffnungen. So hell, aber auch so öffentlich haben die Werkstattmitarbeiter vermutlich noch nie gearbeitet. Anfangs war dies wohl etwas gewöhnungsbedürftig, inzwischen schätzt man aber das Tageslicht und freut sich darüber, dass man nicht wie andernorts in den Keller verbannt wurde. Dies wäre auch gar nicht möglich, da das Gebäude über kein UG verfügt.

Keller im 3.OG

Ursprünglich war ein Keller für Technik und Lagerräume vorgesehen. Wegen des hohen Grundwasserspiegels wäre dafür aber eine Grundwasserabsenkung erforderlich gewesen. Dies hätte rund ein Drittel des Gesamtbudgets verschlungen. Also musste eine andere Lösung gefunden werden. Weiter in die Höhe zu gehen war nicht möglich. Ursprünglich waren die zwei großen Probebühnen gleich hoch und mit Schnürboden geplant. Dabei handelt es sich um den Raum über der Bühne, wo die Seile befestigt sind, an denen Kulissen herabgelassen und hinaufgezogen werden können. Der Bauherr zeigte sich – wie im gesamten Planungsprozess – sehr kooperativ und entschied sich zugunsten der Lagerfläche gegen einen zweiten Schnürboden. Der »Keller« befindet sich nun im 3. OG und wurde zwischen den beiden großen Bühnen ins Tragwerk versetzt. Dieses Lagergeschoss ist 3 m hoch und überspannt die große Bühne. Die mittlere Bühne verfügt daher »nur« über eine Gitterdecke, an der aber ebenfalls Gegenstände befestigt werden können.

Werkstattcharakter

Bis auf die Höhe und die geringere Größe der Kammerspielbühne sind alle drei Probebühnen gleich ausgestattet: Hochwertiger Bühnenboden, Wandbekleidungen aus Multiplex, darüber schwarze Heraklithplatten für die Raumakustik sowie umlaufende schwarze Vorhänge und ­eine schwarze Gitterdecke bzw. der Schnürboden der oberen Bühne. Alle Bühnen verfügen über eine Drehscheibe, wie sie auch auf den Originalbühnen eingebaut ist. So lassen sich die Bühnenbilder unkompliziert bewegen und die Abläufe während der Aufführung originalgetreu ausführen. Aus Kostengründen sollte zunächst auf eine der Drehscheiben verzichtet werden, eine großzügige Spende des Fördervereins ermöglichte auch die dritte. Die beiden großen Bühnen verfügen zudem über eine umlaufende Galerie für Scheinwerfer und Tontechnik. Viele Probebühnen sind große schwarze Räume, in denen man schnell die Tageszeit und den Außenbezug vergisst. Hier sorgen die schmalen, vertikalen Fensterbänder für Tageslicht. Besonders beliebt sind die Fenster auch, um sich zwischendurch eine Zigarette anzuzünden, wenn es beim Proben einmal emotionaler wird. In den Räumen ist der Nutzer der Chef: Mit nur wenigen Handgriffen lässt sich der helle Raum mit freien Holzoberflächen und Tageslicht in eine fast völlig schwarze Umgebung verwandeln, die sich gestalterisch zurücknimmt. Die Wände müssen robust sein, da oft geschraubt, gehämmert und getackert wird. In der bereits vorhandenen Probebühne 1 in einem der Nebengebäude des DT sind die Wände mit OSB-Platten bekleidet. Diese reißen leicht aus und sehen schnell nicht mehr schön aus. Multiplex war hier eine verhältnismäßig günstige und attraktive Alternative. Sollten die Platten irgendwann zu abgenutzt sein, können sie einfach abgeschraubt und ausgetauscht werden. Wie praktisch, dass sich die Holzwerkstatt nur wenige Meter entfernt befindet.

Insgesamt sind die Räume sehr flexibel und funktional. Sie bieten Nutzern viele Möglichkeiten, ordnen sich unter und unterstützen die Kreativität der Theaterschaffenden. So wurden z. B. die Teeküchen und Garderoben, die sich auf jeder Etage befinden, vom DT selbst ausgestattet. »Wir haben uns bemüht, ein sehr stabiles Haus zu bauen, das dies alles aushält. Das Deutsche Theater ist nicht zimperlich mit dem Gebäude und darf das auch«, sagt Architekt Christian Hellmund zum gewollten Werkstattcharakter. Aufgrund der Materialien und der klaren Gestaltung ist das Probebühnenzentrum eine vergleichsweise schicke Werkstatt.

In den Treppenhäusern rückten die Architekten ein wenig vom Werkstatt­charakter ab: Hölzerne Brüstungen und roter Boden verleihen ihnen ein elegantes Erscheinungsbild. Die Farbe kommt nicht von ungefähr: Bodenbeläge, Wandfarben und Innentüren sind im Corporate Design des DT festgelegt und gelten auch für das Probebühnenzentrum. Dies unterstreicht die Wert­schätzung und zeigt, dass der Neubau eben doch etwas mehr als ein Funktionsbau ist.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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