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db deutsche bauzeitung 2023|06
Am Wasser
db deutsche bauzeitung 2023|06

Boot an Land

Maritimes Zentrum in Esbjerg (DK)

In der Hafenstadt Esbjerg an der dänischen Westküste wurde ein neues maritimes Zentrum eröffnet. Das von WERK Arkitekter und Snøhetta entwickelte Gebäude ist als gemeinsamer Bereich für Wassersportvereine und Besucher konzipiert und präsentiert sich in der Stadt als ein neues architektonisches Wahrzeichen.

5. Juni 2023 - Ulf Meyer
Wenn zwei Architekturbüros an einem Entwurf zusammenarbeiten, müssen sie vom Entwurf her und organisatorisch gesehen einen gemeinsamen Nenner finden. Das Büro Snøhetta aus Oslo, spätestens seit der Einweihung der Osloer Oper eines der bekanntesten Architekturbüros, und WERK Arkitekter aus Kopenhagen haben für ihre Zusammenarbeit einen Modus Vivendi gefunden, der trägt. Weil beide Länder, Dänemark und Norwegen, eine gemeinsame Geschichte der Wikinger-Kultur haben, lag es nahe, ein Motiv aus diesem Repertoire für den Entwurf ihres Neubaus in der westdänischen Hafenstadt Esbjerg zu wählen. WERK wurde von Snøhetta ausgewählt, weil sie mit dem Stubkaj-Gebäude in Kopenhagens Nordhavn bereits eine gute Referenz vorzuweisen hatten. Die Arbeit haben sie sich »im Verhältnis 50/50« aufgeteilt, wie die Vertreter beider Büros einmütig betonen.

Laterne und Anker

Bei dem Wettbewerb im Jahr 2019 hatten die beiden Architekturbüros ihrem Entwurf für das Zentrum am Hafen den Namen »Laterne« gegeben. Denn ihr Pionierbau soll städtebaulich als »Anker« einer neuen geplanten Wohnstadt am Hafen dienen, wie die größeren dänischen Städte Aarhus und die Hauptstadt Kopenhagen dies bereits erfolgreich vorgemacht haben.

Neben den »maritimen Nutzungen« für Sportvereine sollten ein Bootslager, Schulungsräume und eine Werkstatt in dem Haus untergebracht werden. Die Architekten haben ihrem Bau im Grundriss die Form eines unregelmäßigen Ovals (mit vier Radien) gegeben, das sich an den beiden Schmalseiten mit breiten Freitreppen für Besucher öffnet, die geradewegs über eine »Loggia« in den – ebenfalls ovalen – Innenhof im ersten Stock geführt werden. Er wirkt wie ein riesiger Oculus. Zusätzlich gibt es eine Wendeltreppe im Hof. Der Hof kann abends abgeschlossen werden, aber die Freitreppen bleiben zugänglich.

Sowohl die Straßen- als auch die Hoffassaden sind von horizontalen Holzlamellen geprägt, die zwischen leicht konkaven Rippen liegen. Sie geben dem Gebäude einen warmen, skandinavischen Touch. Form und Materialwahl des Gebäudes werden im Kontrast zu den später folgenden, kubischen Wohnbauten mit Putzfassaden stehen, die nebenan auf einer kleinen Hafeninsel gebaut werden, wenn man dem Bauschild glauben darf. Die obere Ebene beherbergt Vereinsräume für Rudern, Segeln, Tauchen und Triathlon sowie Gemeinschaftsräume und ein Fitness-Zentrum. Die untere Ebene, die durch einen doppelten Steg mit dem Hafenbecken verbunden ist, nimmt Bootslager und Werkstätten auf.

Blickbeziehungen innen und außen

Thomas Kock, Gründer und Inhaber des Büros WERK Arkitekter, wollte mit seinem Maritimen Zentrum (ein im Deutschen so kaum genutzter Begriff) einen »point de vue« an der Küste schaffen, »damit jeder den Weg zum neuen Stadtviertel am Meer findet«. Kock vergleicht das am weitesten von der Innenstadt entfernte neue Gebäude mit der Elbphilharmonie in Hamburgs HafenCity, in der er ebenfalls mehrere Neubauten plant.

Der projektleitende Architekt Frank Foray aus Oslo, Kocks Pendant bei Snøhetta, fügt hinzu, dass mit dem Neubau »Besucher zu Aktivität und Engagement eingeladen« werden sollen. Denn ihr Sport- und Seminar-Zentrum bietet Platz für alle: vom Taucher oder Kajakfahrer bis zum Krabbenfischer, Bürger und Passanten. Im EG ist der Grundriss orthogonal und im OG radial organisiert. Der Neubau lädt ein, »einen Blick auf das Meer zu werfen«, sagt Foray. Aber auch innerhalb des Gebäudes entstehen Blickbeziehungen in der Horizontalen und Vertikalen: Zwei ovale Öffnungen im Hof bringen Tageslicht in das EG und verbinden Ober- und Unterdeck des »Bootes« visuell.

Schön und roh, elegant und robust

Snøhettas Entwurf ist von der Geometrie und der Handwerkskunst des Bootsbaus inspiriert. Die Segmente erzeugen unterschiedlich tiefe Schatten, die an ein Kajak erinnern sollen. Die Fenster hingegen sind in vier Höhen unregelmäßig in die Fassadenstreifen eingesetzt. Auf dem geneigten Dach sind ringförmig die Sonnenkollektoren um den First herum integriert. Die Bewohner der höheren umliegenden Gebäude werden es zu schätzen wissen, dass die Architekten eine ansehnliche Dachaufsicht gestaltet haben. Foray wollte »das Poetische mit dem Praktischen vereinen« und »die Bewegung des Meeres mit Alltagsarbeiten«, wie er es formuliert – eine Symbiose von schön und roh, von elegant und robust. Der Blick fällt auf den Horizont über den Deich hinweg. In der Wettbewerbsauslobung war eine Dachterrasse vorgesehen. Da aber die Lage seines Neubaus an der dänischen Waterkant mit kalten, peitschenden Winden einhergehen kann, haben die Architekten mit dem Hof einen Raum geschaffen, der Schutz vor Sturm bietet.

Zugleich mussten die Planer an Hochwasser denken: Weil das Meerwasser bei einer Sturmflut den Damm am Hafenbecken übersteigen könnte, wurde das Warftgeschoss aus Ortbeton gebaut, der in einem Zug gegossen wurde. In Höhe der Türen im Hof verkleiden algengrüne Metallpaneele die Fassaden. Der Hof hat einen Belag aus Hartholz (Accoya) mit eigener paralleler Geometrie. Die Holzfassade darüber aus wärmebehandelter Kiefer hält rauen Wetterbedingungen stand und soll gleichmäßig ergrauen. Mit Patina soll das Maritime Zentrum noch besser aussehen, hoffen die Entwerfer. Auf der erhöhten, öffentlich zugänglichen Terrasse werden alle Aktivitäten zusammengeführt. Entlang der Treppen mit Sitzstufen können Besucher auf windgeschützten Terrassen die Aussicht genießen. Der Neubau des Maritimen Zentrums von Esbjerg beweist also, dass selbst ein Wassersport-Zentrum Räume bieten kann, die mit dem populären dänischen Adjektiv »hygge« am besten zu beschreiben sind.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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