Zeitschrift

Bauwelt 42.06
Der Katschhofstreit in Aachen
Bauwelt 42.06
zur Zeitschrift: Bauwelt

Der Blick zeitgenössischer Fotografen auf die Stadt: „Spectacular City“ im NAi

2. November 2006 - Knut Birkholz
Unter dem Titel „Spectacular City – Photographing the Future“ hat der junge italienische Gastkurator Emiliano Gandolfi für das Niederländische Architekturinstitut (NAi) in Rotterdam Arbeiten überwiegend europäischer Fotokünstler aus den letzten zehn Jahren zusammengetragen. Nach einem Gang durch die Ausstellung wundert man sich, was das Schlagwort „Zukunft“ in der Überschrift bedeuten soll. Die Vermutung liegt nahe, dass hier wohl die Fachleute des Kunstmarketings zwar einflussreich, aber nicht allzu einfallsreich gewesen sind. Zudem ist der Hinweis auf das Spektakuläre der Stadt etwas irritierend. Die Stadträume und Architekturen, die auf den Fotos abgebildet sind, sehen im allgemeinen Verständnis gar nicht sonderlich aufsehenerregend aus: die Baustelle eines Neubauviertels oder ein Einkaufszentrum in China etwa, eine namenlose Straßenecke in Bangkok oder ein nächtlicher Parkplatz. Spektakulär wird das Gezeigte durch die Auswahl und durch die fotografischen Techniken, mit denen das eher unbedeutend Anmutende oder das, was in der Bilderflut der modernen Städte der allgemeinen Aufmerksamkeit meist entgeht, gekonnt und vielfältig inszeniert und überhöht wurde. Diese künstlerische Herangehensweise ist durch zahlreiche Projekte und Ausstellungen längst etabliert, und darum erwartet man von einer solchen monothematischen Präsentation keine weiteren theoretischen Ausführungen, sondern vor allem einzelne Werke, die berühren, die sich dauerhaft einprägen. So wie „Rasen 2“, eine (als solche nicht direkt erkennbare) Fotomontage aus der Werk­reihe „Supervisions“ von Andreas Gefeller: ein Bild von einer Grasfläche, nach Auskunft Gefellers entstanden aus digital zusammengefügten, aus wenigen Metern Höhe vertikal aufgenommenen Einzelfotos. Zu sehen sind die verschiedensten Spuren, die ein Zirkus hinterlassen hat, verzerrungsfrei, von einem im Grunde unmöglichen Betrachterstandpunkt aus – wenn man so will eine Art Stadtarchäologie, die u.a. anhand von Rasenverfärbungen und zurückgebliebenem Abfall vorausgegangene Ereignisse ästhetisch dokumentiert.

Im NAi fällt sogleich auf, welchen Rang deutsche Fotografen wie die Becher-Schüler Thomas Ruff, Thomas Struth und Andreas Gursky in der internationalen Szene erlangt haben und somit, wie einflussreich die Lehre Bernd Bechers an der Düsseldorfer Kunstakademie nach wie vor ist. Daraus, wie auch mit Blick auf weitere große Namen unter den 29 teilnehmenden Künstlern (u.a. Olivo Barbieri, Thomas Demand, Heidi Specker, Bas Princen) lässt sich der Vorwurf ableiten, dass man allzu sehr auf die Etablierten und Erfolgreichen setzte und etwa die jüngere Generation unterrepräsentiert bleibt. Solche Kritik jedoch betrifft wesentlich Fragen kuratorischer Schwer­punkte, nicht aber die Qualität der im NAi gezeigten großformatigen Arbeiten, die – zwischen einem und neun Metern breit – innerhalb einer ganz traditionell auf optimale Bildpräsentation und kontemplative Rezeptionsatmosphäre abzielenden Ausstellungsgestaltung angemessen zur Geltung kommen.

Mit dieser Schau geht die Ära von Aaron Betsky als Leiter des NAi zu Ende. Er wurde zum Direktor des Cincinnati Art Museum berufen und wird Ende des Jahres in die USA zurückkehren. „Spectacular City“ soll im nächsten Jahr auch nach Deutschland kommen.

[ Nederlands Architectuurinstituut | Gallery 1, Museumspark 25, 3015 CB Rotterdam bis 7. Januar, Di–Sa 10–17, So 11–17 Uhr | Der Katalog, erschienen bei NAi Publishers, kostet 39,50 Euro ]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Bauwelt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Redaktionmail[at]bauwelt.de

Tools: