Zeitschrift

Bauwelt 6.07
Londoner Ziegelbau
Bauwelt 6.07
zur Zeitschrift: Bauwelt

Schweizerisches Architekturmuseum unter neuer Leitung

2. Februar 2007 - Hubertus Adam
„Deutschlandschaft“, der deutsche Beitrag zur Architektur-Biennale in Venedig 2004, katapultierte die Journalistin Francesca Ferguson ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Nach vielen missglückten Versuchen in den Jahren zuvor, den deutschen Pavillon zu bespielen, war der Kuratorin eine Ausstellung gelungen, die aufgrund der Auswahl der Objekte ebenso überzeugte wie durch deren Präsentation. Selbst eiligen Besuchern – und das sind angesichts der Überfülle des Angebotenen in Venedig die meisten – lieferte sie einen attraktiven Überblick über die deutsche Gegenwartsarchitektur. Umso mehr enttäuschte die im vergangenen Herbst von Ferguson und ihrem in Berlin ansässigen Produktionsbetrieb „urban drift“ realisierte Schau „Talking Cities“ im Rahmen des auf Zollverein veranstalteten Großprojekts „Entry 2006“. Die Ökonomie der Aufmerksamkeit, welche die Kuratorin in Venedig so überzeugend benutzt hatte, missachtete sie in der Essener Ausstellung gänzlich. Bedenkenswerte Konzepte verloren sich dort in einem modisch-chaotischen Arrangement, das wie ein mit philosophischen Zitaten garnierter Abenteuerspielplatz wirkte. Natürlich: Eine zeitgenössische Architekturausstellung muss nicht zwangsläufig als klassisch-kunsthistorische Dokumentation daherkommen. Aber inzwischen ist man der vorgeblich hippen Präsentationen überdrüssig, die eigentlich Kunst sein wollen, den Organisatoren viel Spaß gemacht haben, beim Besucher aber Ratlosigkeit hinterlassen.
Nun wirkt Francesca Ferguson in Basel, als neue Leiterin des dortigen Architekturmuseums. Die rührige Institution, die bereits 2005 neue Räume in der Kunsthalle Basel bezog, hat sich unter ihrer langjährigen Leiterin Ursula Jehle-Schulte-Strathaus vornehmlich der Schweizer Architektur gewidmet. Immer wieder fanden hier wichtige Präsentationen statt: frühe Ausstellungen von Herzog & de Meuron, eine Schau mit Modellen von Christian Kerez; vor zwei Jahren startete eine von Monographien begleitete Reihe über die Bauten des Novartis-Campus. Naturgemäß war ein Schwerpunkt das Baugeschehen in Basel selbst.

Doch Ferguson will mehr. Eine Namensänderung hat sie schon erreicht. Das Architekturmuseum Basel heißt nun S AM – Schweizerisches Architekturmuseum. Welch ein Etikettenschwindel! Erstens besitzt die Institution – abgesehen vom Nachlass der Basler Architekten Rasser und Vadi und der Berliner Fehling und Gogel – keine Sammlung. Und zweitens stellt das Adjektiv „schweizerisch“ gelinde gesagt eine Übertreibung dar. Das S AM erhält weder finanzielle Unterstützung durch die Kantone noch durch den Bund. Die bescheidenen Mittel werden durch eine Stiftung bereitgestellt, die weitgehend durch große Basler Architekturbüros gespeist wird.
Dass das S AM aus der regionalen Nische heraus will, ist verständlich. Laut Programm möchte Ferguson nun ihr Augenmerk auf „zeitgenössische Architektur und urbane Gestaltung aus einem transdisziplinären Blickwinkel“ richten und sich nicht mehr wie ihre Vorgängerin auf einzelne Objekte und Preziosen fixieren. Für März ist die Ausstellung „Unaufgeräumt/As found“ angekündigt, eine Schau über „Urbane Reanimationen und die Architektur minimaler Interventionen“ – das klingt wie eine Neuauflage von „Talking Cities“. Und im Sommer soll dann die Schau Instant Urbanism „den Einfluss der situationistischen Avant-Garde auf Architektur und urbane Gestaltungspraxis“ thematisieren, bevor im Herbst ei-ne gemeinsam mit dem Museo Serralves in Porto konzipierte Werkschau des portugiesischen Architekten Pancho Guedes folgt.

Bis dahin findet – zeitlich zwischen Swissbau und Basler Fasnacht – in den Räumen des S AM die Reihe „Freezone“ statt, 25 Veranstaltungen, an denen Schweizer Hochschulen, Architekturforen und Büros beteiligt sind. Laut Programm soll es „eine eklektische Reihe von Diskussionen, Workshops, Screenings und Dialogen“ sein, konzipiert von „zahlreichen Partnern und Institutionen in der Schweiz“. Dabei herrscht ein neuer Stil: Jeder, der in der Schweiz in Architektur und Architekturvermittlung tätig ist, kann mitmachen – vorausgesetzt, er finanziert seine Veranstaltung selbst. Und wer nicht selbst zahlen will, kann eben auch nichts anbieten.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Bauwelt

Ansprechpartner:in für diese Seite: Redaktionmail[at]bauwelt.de

Tools: