Publikation

Stadtarchitekturen - Vittorio Magnago Lampugnani
Stadtarchitekturen - Vittorio Magnago Lampugnani
Herausgeber:in: Heinz Wirz
Verlag: Quart Verlag
ISBN: 3907631714
Beiträge von: Vittorio M. Lampugnani
Sprache: Deutsch, Englisch
Publikationsdatum: 2006
Umfang: 72 S.,
Format: englisch broschiert, 29 x 22.5 cm

Nachhaltige Städte

Vittorio Magnago Lampugnanis urbanistische Visionen

5. April 2007 - Jürgen Tietz
Als Vorreiter der gegenwärtigen Renaissance der Städte in Europa spielt der Architekt und Städtebautheoretiker Vittorio Magnago Lampugnani seit langem eine wichtige Rolle. Dabei bezieht er immer wieder grundsätzlich Position. So forderte er in der Zeitschrift «Die Denkmalpflege» vor einigen Jahren, «Architektur und Stadt können keine Wegwerfprodukte sein; sie müssen dauern». Unter dem Titel «Stadtarchitekturen» legt der Luzerner Quart-Verlag nun einen schmalen Band mit Arbeiten Lampugnanis aus den letzten Jahren vor. Sie reichen von der betont zurückhaltenden österreichischen Wohnsiedlung in Maria Lankowitz (1995-99) über den Masterplan des aus dem Bestand entwickelten und seit 2003 realisierten Novartis-Campus in Basel bis hin zum Entwurf für das «Färbiareal» in Schlieren (2004).

Mit der Einleitung seines Buches liefert Lampugnani, der Geschichte des Städtebaus an der ETH Zürich lehrt, erneut eine grundsätzliche Positionsbestimmung, die sich zugleich als Kritik am Städtebau der Moderne erweist. So wendet er sich gegen die anhaltende Einzonung von Bauland, durch welche die «Ressource Landschaft» unwiederbringlich zerstört wird - eine fatale Fehlentwicklung angesichts der Schrumpfungsprozesse, von denen verschiedene Regionen Europas betroffen sind. «Dem demographischen Paradigmenwechsel muss der städtebauliche folgen», schlussfolgert Lampugnani. Die Konsequenz daraus bedeutet für Europa, Städte in Zukunft vermehrt aus dem gebauten Bestand heraus zu entwickeln, etwa - wie in Basel oder Zürich - durch die Konversion von Industriearealen. Doch dazu bedarf es nicht nur der Achtsamkeit der Städtebauer, sondern vor allem verbesserter politischer Rahmenbedingungen.

Städtebau ist für den Autor weniger «der geniale Wurf als das geduldige Aufbauen auf Grundlagen, die teilweise bestehen und teilweise geschaffen werden müssen». Eine Formel, in die sich freilich ganz unterschiedliche städtebauliche Konzepte einpassen lassen. Die als «Zwischenstadt» bezeichnete «diffuse Zerfransung» städtischer Strukturen ist jedenfalls Lampugnanis Sache nicht. Vielmehr plädiert er für eine «Verpflichtung gegenüber der Geschichte», die er vom «Modernisierungsvandalismus» abgrenzt. Der «schier hemmungslose Landschaftsverbrauch setzte erst im sträflich unbekümmerten 20. Jahrhundert ein». Das ist gewiss richtig - und doch nur die halbe Wahrheit. Verdeckt dieser Blick auf die Geschichte doch, dass es jene Epoche des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit ihrem gründerzeitlichen Kapitalismus war, in der eine extreme innerstädtische Verdichtung zu steinernen Städten mit zahllosen Hinterhöfen führte. Gerade diese einst kritisierten Gebäude der Gründerzeit aber sind es, die heute vielfach als Leitbauten einer städtischen Architektur gelobt werden.

In seinem Wunsch nach einer vermeintlichen Objektivierbarkeit des städtebaulichen Entwurfsprozesses erweist sich für Lampugnani die Geschichte der Stadtarchitektur als «ein Gedächtnis von Strategien, das auf aktuelle Ansprüche durchsucht werden muss» - mit dem Ziel, «ohne rückwärtsgewandte Nostalgie, aber auch ohne futuristische Verbissenheit» Städtebau zu betreiben. Ein Leitmotiv dieses Ansatzes ist der behutsame Umgang mit unseren Städten, die Lampugnani als Kulturgüter begreift. Ob man diese aber bewahrt, indem man sie verändert, wie der Autor schreibt, erscheint fraglich. Mit der von Lampugnani beschworenen «Verpflichtung gegenüber der Geschichte» lässt sich diese Haltung jedenfalls nur schwer vereinbaren.

[ Vittorio Magnago Lampugnani: Stadtarchitekturen. De Aedibus 11. Quart-Verlag, Luzern 2006. 72 S., Fr. 48.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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