Bauwerk

ORF Zentrum Küniglberg
Roland Rainer - Wien (A) - 1978
ORF Zentrum Küniglberg, Foto: Margherita Spiluttini
ORF Zentrum Küniglberg, Foto: Margherita Spiluttini

Den „Trutzburg“-Schützern trotzen!

Was tun mit dem Firmensitz des ORF? Den Rainer-Bau um teures Geld sanieren - oder raus aus der Burg und runter vom Berg? Zwei Meinungen im anhaltenden Streit um die Zukunft eines „Identifikationsobjekts“.

29. Oktober 2005 - Pius Strobl
Man hat es nicht leicht als Aufsichtsrat eines Unternehmens, wie der ORF eines ist - Kritik ist sowieso nicht erwünscht, auf Ratschläge legt kaum jemand Wert - und Meinungen abseits des (politisch gesteuerten) Mainstreams? Um Gottes Willen, Unruhe und öffentliche Debatten sind höchst unwillkommen.

„Der ORF möge sich angesichts seiner ökonomischen und strukturellen Probleme vom nur mit Millionenaufwand zu sanierenden Sende-und Produktionszentrum Küniglberg trennen“ war der Kern meiner Botschaft in dieser Zeitung vor ein paar Tagen. Und, ehrlich gesagt, ich war selbst erstaunt, wie viele Reaktionen dieser Artikel auslöste. Über 50 Postings auf derStandard.at, eine ganze Reihe von ORF-Mitarbeitern und -Mitarbeiterinnen äußern sich positiv, einige besorgt und abwartend und ganz bestimmte auffallend aufgeregt ablehnend.

Weil ich mir sicher bin, dass dieser mein Vorschlag diskussionswürdig ist, vermutlich mit eine Chance zu einem positiven Aufbruch in die ORF-Zukunft darstellt und gleichzeitig auch ein unübersehbares Signal der Wirtschaftlichkeit senden würde und vor allem alles andere als eine „billige Provokation“ (Copyright: ein „wichtiger“ ORF-Funktionär) sein sollte, nochmals ein paar, hoffentlich überzeugende Argumente:

Signale setzen

Der bis vor wenigen Jahren kerngesunde ORF muss in den kommenden drei Jahren mit einem Defizit zwischen 50 und 100 Millionen Euro rechnen (auch Resultat der gesetzlichen Beschränkungen und Verbote, mit denen der ORF aus Teilen des Werbemarktes gedrängt werden soll - ein „Dankeschön“ dafür ist an Schwarz-Blau zu richten). Einerseits dieses Defizit als größte Bedrohung von Programmoutput und -vielfalt; andererseits eine Sanierung der Außenhaut und Stahlkonstruktion des Küniglberg-Gebäudes um nochmals kolportierte 50 Millionen Euro - wirklich vernünftig?

Technologie, Produktionsbedingungen und auch Verwaltungen haben sich in den letzten 30 Jahren rasant verändert. Mögen beim Bau des Küniglbergs 105.000 Quadratmeter Nutzfläche gerechtfertigt gewesen sein - Experten sagen, dass bei einem Neubau auf der „grünen Wiese“ mit 50.000 oder 60.000 das Auslangen zu finden wäre. Ergebnis: viele Millionen Euro an eingesparten Betriebs- und Bewirtschaftungskosten allein durch die Flächenminderung.

Ist die „ORF-Trutzburg auf dem Berg“ tatsächlich immer noch das richtige Signal für die „im Tal“ wohnenden Kunden des ORF, die im Übrigen via Programmentgelt auch die horrenden laufenden Erhaltungskosten zu zahlen haben? Oder würde nicht die ORF-Ansiedelung mitten in der Stadt vor allem auch dem Image des Hauses gut tun? Manche ORFler, die künftig mit der U-Bahn und nicht wie jetzt mit dem Taxi ihre Dienstfahrten erledigen, würden ziemlich schnell wissen, was die „Menschen im Tal“ so interessiert, welche Probleme sie haben . . . Und jede Wette, dass diese neue „Kundennähe“ schnell im Programm sichtbar wäre.

Und zum von bestimmten Interessengruppen bewusst eingesetzten Totschlagargument des „Architekturdenkmals“ (vgl. Kommentar Seite 39): Wie „schützenswert“ ist ein Gebäude, welches nach kaum mehr als drei Jahrzehnten Nutzung zum Sicherheitsrisiko wird und bei dem auch nach der angedachten Substanzsanierung mit maximal nochmals 30-40 Jahren „Lebensdauer“ zu rechnen ist?

Der geniale Architekt Professor Roland Rainer selbst aber sprach immer nur von einer Nutzungsdauer des Küniglbergs von 30 bis 40 Jahren - nicht zuletzt, weil es aus Sicht des damaligen Bauherrn Gerd Bacher und seines Umsetzers Rainer selbstverständlich erschien, dass die technologische Entwicklung dann längst ein neues Gebäudekonzept für den ORF erforderlich machen würde.

Geplant Ende der Sechzigerjahre, gebaut Anfang der Siebzigerjahre unter Gerd Bacher, dem visionären Gründer-Geschäftsführer des Reform-ORF, war die hoch über Wien thronende Burg nicht nur Ausdruck des ORF-Monopols, sondern auch der „Stein“ gewordene Anblick der „allmächtigen und riesigen elektronischen Orgel des Landes“.

Im Wien der Twin-Towers und der Millenniums-City, dem T-Mobile-Gebäude und der Kagraner Platte lässt sich heute wohl nur mehr schwer vermitteln, wie einschüchternd und gleichzeitig faszinierend der „Küniglberg“ damals gewirkt haben muss. Vermutlich auch deshalb, weil die Zeit der „Allmächtigen“ ebenso vorbei ist, wie die der „gesellschaftlichen Einschüchterung“.

Im neuen Jahrtausend haben sich nicht nur die Position des ORF nach dem Wegfall des Monopols und die elektronischen Märkte grundlegend verändert. Heute gilt es, für die Fitness des ORF, für seinen langfristigen Bestand als unverzichtbares Informations- und Identitätsmedium dieses Landes und für ei- ne neue visionäre Zukunftsstrategie zu kämpfen.

Und genau aus diesen Überlegungen: Ist es nicht die zwingend logische historische Chance dieses so wertvollen Unternehmens (übrigens im Eigentum aller Österreicher/ innen), diesen Firmensitz insgesamt infrage zu stellen und samt seinem extrem sanierungsbedürftigen Hauptgebäude zu verkaufen?

Visionen haben

Der ORF würde damit nicht nur ein deutlich sichtbares (Spar-)Zeichen setzen und dringend erforderlichen Investitionsspielraum gewinnen, vor allem aber könnte das Haus seine Übersiedlung in neue Miet- oder Bauobjekte nach den in der Zukunft vorhandenen Bedürfnissen planen und gleichzeitig zu einer radikalen Bestandsaufnahme seiner Notwendigkeiten, Strukturen und strategischen Optionen nutzen. Am Ende dieses Prozesses stünde dann vermutlich ein bemerkenswert fittes, modernes Unternehmen an neuen Standorten.

Als Voraussetzungen sind klare strategische Konzepte samt der „Vision eines ORF der Zukunft“ zwingend angesagt. Die Aufgabenstellungen der Geschäftsführung liegen auf der Hand: „Wo steht der ORF in fünf und in zehn Jahren?“ und „Wie sehen zukunftsträchtige Strukturen eines bestandssicheren ORF aus?“. Und ich bin ganz sicher: Diese Unternehmenskonzepte sind nicht nur dringend erforderlich, sondern der Reform-Reform-ORF wird in ein paar Jahren anderswo „neu“ entstehen, oder es wird nichts mehr zum Reformieren geben.

[ Pius Strobl ist von den Grünen nominierter ORF-Stiftungsrat ]

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