Bauwerk

Kleines Festspielhaus - Wettbewerb
Fritz Lorenz, Wimmer Zaic Architekten, pfp architekten, Bétrix & Consolascio, Hermann & Valentiny, Wilhelm Holzbauer, Domenig & Eisenköck, Gerhard Garstenauer - Salzburg (A) - 2002

Das Ende eines Vorstadtkinos

Wilhelm Holzbauers Pläne für den Umbau von Salzburgs Kleinem Festspielhaus

Spätestens für das Mozart-Jahr 2006 soll das Kleine Festspielhaus - ein akustisch miserabler Schlauch - umgebaut sein. Wilhelm Holzbauer gelingt in seiner Studie das fast Unmögliche: ein kompakter Raum durch eine Absenkung um fünf Meter in die Tiefe.

16. August 2000 - Thomas Trenkler
Der Sommer in Salzburg ist wohl ein atypischer. Die Festspiele sind zwar nicht so gut besucht, wie es das Direktorium kalkuliert hatte, aber auch nicht so schlecht, dass Krisenstimmung aufkommen würde. Es gibt zwar einige Zuschauer, die mit den Inszenierungen von Frank Castorf (Endstation Sehnsucht) und Hans Neuenfels (Così fan tutte) unzufrieden sind, aber zu einem Skandal reicht es nicht. Ein eher fader Sommer also.

Für Aufregung sorgen bloß Plastikkühe. 150 Stück, die zwei Monate auf den Almen der Altstadt, also in den Gassen und auf den Plätzen, dümmlich herumstehen oder -liegen, bemalt und verziert von „Künstlern“ im Auftrag der Gewerbetreibenden.


Danaergeschenk

Die Touristen tätscheln das mit Kratern übersäte „Mondkalb“, werfen Geld in eine Plexiglasbox, in der ein ausgewachsenes „Goldenes Kalb“ vor sich hin stiert, und fotografieren mit Begeisterung die „Trojanische Kuh“. Über diese kann sich Gerard Mortier, der Intendant der Festspiele, ganz besonders ärgern. Denn was hat ein Rindviech mit den Troyens zu schaffen, den einstigen Sorgenkindern, nun Musterschülern des heurigen Sommers? Eben. „Ein Königreich für ein Pferd!“, schallt es aus dem Festspielbezirk, aber die Kühe kennen kein Pardon.

Doch sonst stößt sich kaum einer an der Attraktion, einer Art Wanderzirkus, die von Zürich aus ihren Siegeszug um die Welt antrat. Man bastelt lieber an der Zukunft des Festivals, konkret am Umbau des Kleinen Festspielhauses. Alberto Vilar, der in Salzburg wie Dürrenmatts Alte Dame hofierte US-Mäzen, wird heute, Mittwoch, bei einem Galadinner der Festspielfreunde verkünden, dass er sich mit einer Fünf-Millionen-Dollar-Spende (75 Millionen Schilling) einzustellen bereit ist. Und Helga Rabl-Stadler, die Präsidentin, wird eine Bausteinaktion ins Leben rufen. Insgesamt will sie 60 Millionen auftreiben.

Diese sind auch dringend notwendig: Stadt und Land Salzburg steuern je 75 Millionen bei, die Kosten für das Projekt liegen aber bei deren 420. Und was den Bund anbelangt, befindet man sich zwischen Hoffen und Bangen: Aus Wien gibt es noch keine Zusage über eine Beteiligung.

Dabei weiß wohl jeder, der einmal einer Aufführung beiwohnte, dass der Zustand eher problematisch ist. Denn das Kleine Haus ist ein Schlauch, von einem Teil der Plätze sieht man nur schlecht (wenn überhaupt) auf die allzu weit entfernte Bühne, und die Akustik ist miserabel. „Es hat die Anmutung eines Vorstadtkinos“, sagt Wilhelm Holzbauer. „Höchstens!“


Bestechende Idee

Der Architekt, ein Schüler von Clemens Holzmeister, der den Festspielbezirk (mit Ausnahme des Kleinen Hauses) über Jahrzehnte errichtet hatte, war vom Direktorium beauftragt worden, Ideen für den Umbau zu liefern. Diese liegen vor - und bestechen. Denn Holzbauer versenkt Bühne wie Zuschauerraum um fünf Meter in den Grund. Dadurch lassen sich drei Ränge einziehen, und die Anzahl der Sitzplätze würde (wirtschaftlich sinnvoll) um rund 300 steigen, obwohl der Schlauch zum Saal verkürzt wird.


Almbach-Wasserfall

Die Folge wäre, dass es pro Besucher acht Kubikmeter Raum gäbe - und dadurch eine „ähnlich gute Akustik wie in Baden-Baden“, sagt Holzmeister, nach dessen Plänen das dortige Festspielhaus gebaut wurde. Seine Eingriffe hätten allerdings auch Auswirkungen auf die Fassade: Um für die Garderoben, die auf gleicher Höhe wie die Bühne zu liegen hätten („Eine Jessye Norman steigt vor dem Auftritt keine Stufen!“), Platz zu gewinnen, schlägt Holzbauer die Umleitung des derzeit unterirdisch laufenden Almbachs vor: Er würde als Wasserfall in den angrenzenden Toscanini-Hof plätschern.

Zudem erhielten die Arkaden am Max-Reinhardt-Platz eine dezente Verglasung. Einerseits, weil Fluchtwege vonnöten seien, die im Inneren des Gebäudes keinen Platz finden. Und andererseits, um eine Transparenz zu erzeugen: Das neue, hohe Foyer wäre von außen sichtbar.

Unlängst wurde Holzbauer beauftragt, seine Studien zu konkretisieren. Ob der Plan allerdings umgesetzt werden kann, ist noch nicht klar: Ein Gutachten hat die EU-Konformität des Unternehmens zu prüfen. Denn möglicherweise ist die Ausschreibung eines Wettbewerbs vonnöten - auch wenn kein anderer Architekt geeigneter ist, am Bauwerk Holzmeisters Hand anzulegen, als dessen einstiger Schüler. Dann allerdings käme man zeitlich in arge Not.

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