Bauwerk

Kleines Festspielhaus - Wettbewerb
Fritz Lorenz, Wimmer Zaic Architekten, pfp architekten, Bétrix & Consolascio, Hermann & Valentiny, Wilhelm Holzbauer, Domenig & Eisenköck, Gerhard Garstenauer - Salzburg (A) - 2002

Zwei Streithanseln, ein Bastard

Soll es einen Kompromiss in Sachen Kleines Festspielhaus Salzburg geben? Diverse Stimmen aus der Architektur werden laut, und die einhellige Antwort auf die Frage lautet klar und deutlich: Nein.

1. Juni 2002 - Ute Woltron
Das Kleine Festspielhaus in Salzburg harrt weiter der Bearbeitung, und wer schlussendlich die Bearbeiter sein werden, könnte bis 15. Juli vielleicht feststehen. Bis dahin mögen sich, so die Bitte des juristisch von allen Seiten umgarnten und gewissermaßen paralysierten Festspielkuratoriums, die Herren Hermann & Valentiny, Wimmer, Zaic sowie Wilhelm Holzbauer einander annähern und feststellen, ob ein gemeinschaftliches Projektieren möglich sei. Sollte das der Fall sein, hat Wilhelm Holzbauer zwar das Verfahren als Zweitgereihter verloren, sämtliche Nachspiele aber auf allen Ebenen gewonnen. Innerhalb der Architekturszene hat sich der Wiener Planer mit seinen juristischen Brachialaktionen allerdings eher an die Wand gespielt. Das ALBUM versuchte eine bundesweite repräsentative Umfrage zum Thema. Holzbauer-Befürworter fanden sich nirgendwo, im Gegenteil, die juristischen Einsprüche des Zweitgereihten Holzbauer gegen die Sieger erregt allgemein Unwillen. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, am 16. Juli wird man weitersehen.

Peter Lorenz, Innsbruck
Es ist unglaublich wichtig, dass die Gewinner dieses Wettbewerbs auch den Auftrag bekommen. Das ist wichtig für die ethische und politische Situation, für die Architektur und letztlich auch für die Zukunft unserer Gesellschaft. Denn es muss so etwas wie einen allgemeinen Konsens des gegenseitigen Umgangs geben, das Bewusstsein, dass unsere Gesellschaft auf ethischen Grundsätzen aufgebaut ist. Ich persönlich will überhaupt nicht wissen, wer das bessere Projekt entworfen hat, es gab eine eindeutige Jury-Entscheidung, und alles andere, als die zu akzeptieren, wäre unfair und unkorrekt. Wilhelm Holzbauer spielt mit dem Feuer, weil er die ethischen Prinzipien unserer Gesellschaft, die für ihr Funktionieren so wichtig sind, mit seinen Aktionen in Frage stellt. Jede Attacke auf dieses Prinzip stellt nichts anderes als einen Rückschritt dar, einen Schritt zurück in die Anarchie.

Adolf Krischanitz, Wien
Wettbewerbe haben ihre Unschuld verloren. Für diesen Wettbewerb kam es zum größtmöglichen Unfall. Das Wettbewerbsergebnis „Festspielhaus Salzburg“ wurde durch den Zweitplatzierten angefochten, und er bekam recht. Zur Schadensbegrenzung versucht man, beiden Teilnehmern gemeinsam den Auftrag zu geben. Was heißt das nun? Muss sich der Teilnehmer haarklein an jede Ausschreibung halten, da er sonst ein Verfahren riskiert? Kann hinter der Überschreitung bestimmter Ausschreibungsgrenzen nicht auch eine Haltung stehen? Kann sich eine Jury über die oft zu engen Grenzen einer Ausschreibung hinwegsetzen? Wie kann jemand ein Ergebnis einklagen, das noch geheim war? Architekturwettbewerbe sind an sich schon schwindelerregende Verfahren in der heutigen Zeit und gehen hart an die materielle und psychische Substanz der Architekten. Sollte dieser Vorfall Schule machen - und dies ist möglich -, wird jedes Ergebnis anzweifelbar, jeder Formfehler zur Falle und jedes Verfahren zur juristischen Spitzfindigkeit. Wettbewerbe bauen letztlich auf gegenseitigem Vertrauen auf. Wenn nicht, sind sie zu vergessen. Sie müssen bei aller Problematik ein vertrauensvolles Agreement zwischen Bauherrn und Architekten bzw. zwischen Architekten sein. Offensichtlich sind sie nicht zu ersetzen und erfordern daher einen Umgang auf hohem ethischem Niveau von allen Beteiligten. Eigentlich kann man nur die Randbedingungen verbindlich klären und die drei erstrangierten in eine Überarbeitungsrunde schicken.

Manfred Wolff-Plottegg, Graz
Ein Herumdoktern im Nachhinein kann der Sache nur schaden, und ein Zusammenfügen von unterschiedlichen Beiträgen zu einem gemeinsamen neuen Projekt ist für mich fachlich in keiner Weise nachvollziehbar. Es kann sich in diesem Fall nicht mehr um ein architektonisches Konzept handeln, sondern um ein wirtschaftliches Kooperationsmodell. Holzbauers Attitüde des Erbrechts und der Revierverteidigung sind nicht auf einer architektonischen Ebene, sondern auf einer Managementebene auszutragen. Das passiert aber nicht, und genau das ist das Üble. Holzbauer hat das Recht, seine Architektur zu verteidigen, wenn aber ein anderes Projekt und eine andere Architektursprache zum Sieger gewählt wurden, müsste er das akzeptieren.

Gustav Peichl, Wien
Es findet momentan in der Architekturszene eine eigenartige Entwicklung statt. Architekt A gewinnt einen Wettbewerb, Architekt B regt sich auf. Architekt B gewinnt einen Wettbewerb, Architekt A regt sich auf. Ich bin über die Situation in Salzburg nicht genau informiert und kann dazu keine seriöse Aussage machen. Ich kann nur sagen, dass es mir persönlich unangenehm ist, wie sich die Architekturszene zu zerfleischen beginnt. Die Architekten sind die Prügelknaben der Nation geworden, und sie sind selbst schuld daran, weil sie immer aufeinander eifersüchtig sind. Zu Holzbauer muss aber eines gesagt werden: Er wähnt sich als legitimer Holzmeister-Nachfolger. Und das ist er auch, was seine Kraft, seine Persönlichkeit und seine Qualitäten als Powerplayer anbelangt. Ich verstehe, dass er getroffen ist. Ich verstehe aber nicht, dass allgemein diese miese Art in der Architektenschaft so überhand nimmt.

Klaus-Jürgen Bauer, Eisenstadt
Ich bedaure generell die zunehmende Dominanz der Rechtsanwälte über die Architekten. Es ist eine auffällige Tendenz, dass, etwa auch bei Honorarverhandlungen, die Juristerei immer dominanter wird. Im Falle Salzburgs muss festgestellt werden, dass es absurd ist, dass niemand die Projekte kennt, um die gestritten wird, und die Salzburg vielleicht in den nächsten hundert Jahren dominieren könnten. Die Öffentlichkeit hat überhaupt keine Möglichkeit, hier mitzureden, die Fachjury muss sich den Juristen unterwerfen, und das ist eine insgesamt bedauerliche Entwicklung. Der Wettstreit der Ideen wird aufgegeben zugunsten juristischer Bluffs und Tricks.

IG-Architekten, bundesweit
Das Wettbewerbswesen hat sich im letzten Jahrzehnt gravierend verschlechtert, eine Rückholaktion ist dringend notwendig. Wettbewerbe wie das Kleine Festspielhaus in Salzburg sind eine vorübergehende Krankheit. Es wird wieder Wettbewerbe geben, die es wert sind, auch solche genannt zu werden. Es wird wieder Politiker geben, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Es wird wieder Auslober geben, die Wettbewerbe so seriös vorbereiten, dass sie sattelfest sind, und sich auf Inhaltliches konzentrieren. Es wird wieder die Gemeinschaft der Kollegen geben, die eine Wettbewerbsentscheidung anerkennen. Es wird wieder Wettbewerbe geben, die die Öffentlichkeit durch ihr gutes Ergebnis bewegen und nicht durch nachfolgenden Streitigkeiten. Es wird immer Architekten geben, die in gutem Glauben und unter vollstem Einsatz Wettbewerbe bestreiten. Die ig-architektur/wettbewerbsgruppe beobachtet und dokumentiert Wettbewerbe und hofft in Zukunft vermehrt über positive Beispiele berichten zu können.

Marie-Therese Harnoncourt, Wien
Es ist ein Wahnsinn, dass ein Verfahren in dieser Form ausgehebelt werden kann. Der politische Druck durch Holzbauer ist offenbar so groß, dass sich die Jury nicht behaupten kann. Wenn die Entscheidung einer Jury mit der Handbewegung gewisser Personen einfach hinweggefegt werden kann, dann führt sich das Wettbewerbswesen ad absurdum. Man hat hier schon das Gefühl, eine mächtige Privatperson habe hier alle Möglichkeiten in der Hand, und für die gesamte Archtiekturszene ergibt sich eine schwierige Situation, wenn solche Sachen möglich werden.

Klaus Kada, Graz
Was da passiert, ist fatal. In einer Zeit, in der von Architekten gezeichnete Projekte bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt werden von Controllern und Erbsenzählern, ist ein Streit zwischen Architekten fatal, und zwar für die Architektur, für das Vertrauen der Bauherren und für das gesamte Architekturklima. Holzbauers Vorgangsweise ist falsch, um sie nicht kindisch zu nennen. Man muss auch einmal verlieren können. Vorfälle wie dieser beginnen sich zu häufen, und komischerweise sind immer die selben Personen beteiligt. Über Salzburg lacht die ganze Welt, ich werde international ständig darauf angesprochen. Ich empfinde es als unglaublich, dass sich jemand zu so etwas hinreißen lässt, dass aus Sentimentalität und falsch verstandenem Historismus das Vehikel der Juristerei bemüht wird. Solchen Methoden muss Einhalt geboten werden, Streitigkeiten auf diesem Niveau schaden der gesamten Berufsgruppe, und außerdem ist es ein Stumpfsinn, jetzt zwei Streithanseln einen Bastard machen zu lassen. Denn mit Sicherheit wird nicht einmal Durchschnittliches dabei herauskommen.

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