Bauwerk

Hauptbücherei
Ernst Mayr - Wien (A) - 2002
Hauptbücherei, Foto: Manfred Seidl
Hauptbücherei, Foto: Manfred Seidl

Im Lesehimmel über dem Gürtel

Der Spatenstich ist erfolgt, knapp zwei Jahre wird nun gebaut: Was Wiens neue Hauptbücherei dann bieten soll, verriet Alfred Pfoser, Direktor der Städtischen Büchereien, im Gespräch mit Sandy Lang.

28. Dezember 1999 - Sandy Lang
„Da gibt es dann ein Bibliothekscafé auf dem Dach, da schwebe ich über dem Gürtel auf einer Riesenterrasse mit Kahlenbergblick. Hier kann ich mich nach dem Lesen zurückziehen, entspannen. Der Gürtel hat Substanz.“ Wenn Alfred Pfoser, seit rund einem Jahr Direktor der Städtischen Büchereien Wien, von der neuen Hauptbibliothek am Neubaugürtel spricht, der er schon jetzt, vor Fertigstellung im Herbst 2001, ein besonderes Flair zuspricht, erinnert er vage an den Bürgermeister in Mira Lobes Städtchen Drumherum.

Nur dass Pfoser mit dem Bau der Hauptbibliothek nicht Grün retten will, wo keines mehr ist, sondern einem Ideal entgegenträumt: Dem Ideal vom kommunizierenden, wissbegierigen Bibliotheksbenutzer als Weltbürger. Dem soll die Neubaugürtel-Bibliothek ein zweites Zuhause werden. Dafür muss man freilich „erste Barrieren im Kopf“ überspringen: Zu weit von der Innenstadt entfernt? - „Mit den Öffis ideal erreichbar.“ Smog? - „Am Gürtel pfeift immer der Wind.“ - Lärmbelästigung? - „Schallschutz: Lesen auf einer Insel der Stille mitten im Lärm der Stadt!“

Ein Idyll mit realen Chancen: Das 360-Millionen-Schilling-Projekt der Stadt Wien stemmt sich „gegen die Verslumung der Gürtelzone“. Revitalisierung, durchaus auch im Sinn der Zusammenführung verfeindeter Städter „diesseits und jenseits der Bildungsdemarkationslinie Innere Stadt.“ Pfoser will aufräumen mit dem unliebsamen Image einer „Bücherei, die ausschließlich mit Kindern und älteren Leuten, die Unterhaltungsliteratur lesen, assoziiert wird.“ Was er anstrebt, ist eine Bibliothek als meditatives Lese- und Informations-Zentrum. Ein soziales Fortbildungswunder im grauen Drumherum.

Das von Architekt Ernst Mayr entworfene, 150 m langgestreckte Bibliotheksgebäude, (im Design nicht unähnlich einer etwas klobigen Fernbedienung), schließt an die Membranüberdachung des Urban-Loritz-Platzes an. Zu beiden Gürtelfahrbahnen weitgehend geschlossene Fassade, südseitig Glas und eine riesige Freitreppe („Büchertreppe“), über die man von außen die 2000m² Dachterrasse erklimmen kann.


Mailen bis in die Nacht

Ins Innere der zwei Bibliotheksgeschoße gelangt man bequemer über die U-Bahn-Lifthalle. Der zeitbewusste Bibliotheksbenützer wird sich verstanden fühlen: 50 Arbeitsplätze mit Internetanschluss, ein elektronischer Leseraum („Pressezentrum“) mit Links zu internationalen Zeitungen, die „Open Acces Area“ soll bis 23 Uhr geöffnet bleiben. Aus den 300.000 Titeln der „gläsernen Bibliothek“ kann der Benützer via PC aber auch daheim auswählen, bestellen, verlängern.

„Ein starkes Marketing der Büchereien ist verabsäumt worden“, erklärt sich der Direktor, dass bisher so vielen Literaturfreunden, wenn sie etwa bei Leseveranstaltungen vor verlockenden Büchertischen standen und ihre begrenzten Finanzmittel bedauerten, der Gedanke an Büchereien kaum aufkam.

Dass Ausborgen auch in Zeiten des forcierten Kaufzwangs nicht out sein muss, belegen die siebzig Prozent der derzeit eingeschriebenen 104.000 Bibliotheksbenutzer unter Dreißig. Pfosers neues Konzept für die Hauptbibliothek setzt nach Stuttgarter Vorbild neben der preisgünstigen Lesechance aber noch auf weitere Attraktionen:

Ein Spezialservice für Arbeitssuchende (Online-Arbeitsmarktinfos und Hilfen bei Bewerbungsschreiben) zählt dazu, ein „Sonderservice Bestenliste“, ein Kindermedienzentrum und nicht zuletzt literarische Aktivitäten: Poetry Slams im Net, auch Lesungen internationaler Autoren. Denn: „Das Literatur-Publikum hält sich nicht an nationale Grenzen. Was wir Einrichtungen wie dem Literaturhaus voraushaben: Wir verfügen über einen historischen wie international breitgestreuten Bestand an Büchern.“ Ein Aktivposten, der, wenn die „raffinierten Lichtführungen, der weite Blick zum Wienerwald“ den Direktor nicht selbst zu sehr ablenken, konsequent genutzt werden soll.

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