Bauwerk

Haus B - B in Bocksdorf
ARTEC Architekten - Bocksdorf bei Stegersbach (A) - 2005
Haus B - B in Bocksdorf, Foto: Paul Ott
Haus B - B in Bocksdorf, Foto: Paul Ott

Haus B.-B. in Bocksdorf

21. Mai 2006 - Az W
Das auf einer Hügelkuppe im burgenländischen Bockdorf (ein kleiner Ort südlich von Stegersbach) errichtete Ferienhaus thematisiert in seiner geradlinigen Struktur jenen dem Lebenskonzept von Städtern entsprechenden Bezug zur Landschaft, den man im weitesten Sinn als erhabenes Betrachtungsverhältnis (im Unterschied zum landwirtschaftlichen Arbeitsverhältnis) bezeichnen könnte.

Nach langer Suche stießen die in Wien (haupt)ansässigen Bauherren hier per Zufall auf ein kostengünstiges, relativ großes Grundstück mit kleinem Baulandanteil, das nach der Hügelkuppe im Süden abfällt und den unverbaubaren Blick in die Weite sichert. Als Nutzland von geringem Wert, erwies es sich als idealer Standort für ein Haus mitten im Grünen: Direkt an der Baulandgrenze und in größtmöglicher Entfernung zur Straße schwebt das Gebäude mit nur punktuellem Bodenkontakt über dem sanft geschwungenen Terrain. Um aufwändige und kostspielige Fundierungsarbeiten zu vermeiden, ruht das gesamte Gebäude auf einem kleinen Betonfundament und acht Stahlstützen: diese leichtfüßige Geste scheint für ein Haus des temporären Aufenthalts angemessen, zumal der Baubestand der Umgebung in keiner Weise Anlass zur Bezugnahme auf eingesessene Strukturen bot. Die Einfachheit der zwischen umlaufend auskragender Dach- und Bodenplatte eingespannten Wohnräume hat mit der Fertigungs-Ökonomie im Holzbau zu tun (die von der Vorarlberger Firma Berlinger vorgefertigten Elemente wurden innerhalb von 14 Tagen – bei anhaltenden Regenfällen - auf der Baustelle zusammengefügt), andererseits kommen gerade in der konzeptionellen Strenge überraschende räumliche Qualitäten zum Vorschein.

Die Offenheit eines Zwei-Personen-Haushalts wird durch keine Zwischenwände oder kleinteilige Einbauten verstellt, die Innenhaut der Wandpaneele aus Pappelsperrholz sorgt für eine helle räumliche Grundstimmung, und die Heizung liegt unter Lochgittern vor den Fensterflächen bündig im Industrieparkett. Ein besondere Raffinesse des Grundrisses: Die Gästewohnung mit eigener Nasszelle ist durch einen achsbreiten Zwischenraum von der Hauptwohnung abgesetzt, wobei der Durchgang zwischen den beiden Einheiten sowohl als offener Freiraum, als auch als ein durch große Schiebeflügel an der Nord- und Südseite abzuschließender und windgeschützter Innenraum genutzt werden kann. Die Laufschienen dieser Zwischenraum-Tore sind über einen Teil der Längsfront geführt, sodass sie auch als variabler Sicht- und Sonnenschutz verwendet werden können, wobei die auskragende Dachplatte ein im Sommer wohltuendes Grundmaß an Beschattung sichert. Die der Straße zugewandte Nordfront ist relativ geschlossen, sechs liegende und höhenversetzte Fensterfelder, drei davon in Überkopfhöhe, dosieren den Tageslichteinfall und den Blick nach draußen, während die vollverglaste Südseite in ganzer Länge freie Aussicht ins Grünland gewährt. Eine zwischen Drahtseilen eingespannte Reling (mit thekentauglichen Abmessungen) liegt als dritte Gerade in scheinbarer Schwerelosigkeit zwischen Dach- und Bodenplatte. Die Direktheit des Materialeinsatzes und der ungeschönte Pragmatismus des konstruktiven Aufbaus sind hier zur klaren Struktur gebunden, die der Landschaft einen bewohnbaren „Wahrnehmungsapparat“ einschreibt, ohne ihr selbst eine bestimmte Interpretation aufzuzwingen. (Text: Gabriele Kaiser, Langversion in „architektur aktuell“ 04, 2006)

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Für den Beitrag verantwortlich: Architekturzentrum Wien

Ansprechpartner:in für diese Seite: Maria Welzigwelzig[at]azw.at