Bauwerk

Zentrum Paul Klee
Renzo Piano Building Workshop, ARB Architekten - Bern (CH) - 2005
Zentrum Paul Klee, Foto: Hans Ege
Zentrum Paul Klee, Foto: Hans Ege

Klee im Feld

Renzo Pianos „Paul Klee Zentrum“ in Bern bleibt bei aller Form nur Fassung

18. Juni 2005 - Ute Woltron
Üblicherweise darf man gespannt sein, wenn Renzo Piano (68) baut. Der Genueser Architekt ist immer wieder für Überraschungen gut, er segelt herausfordernd durch die verschiedensten Raum- und Formenwelten, gibt dabei keinen wirklich erkennbaren Kurs vor, verankert aber regelmäßig erstaunliche und markante Architekturen an den schönsten Orten dieser Welt.

Piano hat einige Meilensteine gesetzt und sogleich wieder hinter sich gelassen: das Centre Georges Pompidou in Paris, das er 1977 gemeinsam mit Richard Rogers in jugendlichem Übermut und gedärmartig freiliegenden Strukturen vollendete; das monumental-schnittige Stadion San Nicola in Bari, das als Betonarena für die Fußballweltmeisterschaft 1990 entstand; der riesige, auf einer künstlichen Insel gelegene Flughafen Kansai in Osaka, der 1994 eröffnet wurde.

All diese und auch seine anderen Häuser sind verblüffend unterschiedlich, man weiß nie, wohin des Weges der vitale Architekt ziehen wird. Zuletzt zog es ihn jedenfalls in das verträumte, um nicht zu sagen verschlafene Städtchen Bern in der Schweiz. Dort liegt die gebürstete und selbstverständlich prachtvolle Altstadt in hübscher Topografie und unter dem Schutze der Weltkulturerbe-Bewahrer konserviert an gewundener Flussidylle. Pelargonienorange oben auf den historischen Fensterbänken. Chlorduft unten auf den klinisch reinen Gehsteigen.

Die Landschaft rund um Bern ist nicht minder idyllisch, vor langer Zeit waren die sanften Geometrien und Farbschattierungen der Felder und Hügel Inspiration für einen großen Sohn dieser Heimat, nämlich für den Maler Paul Klee (1879 bis 1940). Für dessen bis dato in mehrere Sammlungen und Stiftungen zersplittertes künstlerisches Lebenswerk wünschte man sich ein gemeinsames Dach, und Renzo Piano - das gaben die Grundstück und Geld spendenden Mäzene Maurice und Martha Müller vor - möge der Architekt des Museums sein.

Dieser Tage wird das „Paul Klee Zentrum“ nach dreijähriger Bauzeit eröffnet. Es liegt zwischen Weizenfeldern und Wiesen eingebettet und ist das Ergebnis einer vorbildlichen Public Private Partnership: rund 105 Millionen Schweizer Franken schwer, und, wie in der Schweiz üblich, erst nach Befragung und Abstimmung der lokalen Eidgenossinnen und Eidgenossen errichtet.

Man würde nun gerne in eine lobende Hymne einstimmen und das Haus entsprechend besingen, aber angesichts der Architektur bleiben die Jubeltöne in der Kehle stecken. Irgendwie bleibt hier alles glatt und langweilig, und in und um die drei Stahlwellen, die Piano wie eine Skulptur in das sanfte Hügelrollen gesetzt und großteils eingegraben hat, will keine rechte Stimmung aufkommen. Schwierig zu beschreiben, warum das so ist - denn jedes Detail für sich trägt die Handschrift großer Sorgfalt und architektonischen Könnens. Doch der Gesamtkomposition fehlt das Wichtigste - die Eigenresonanz, die persönliche Schwingung, der Charakter.

Die vom bewährten Ove Arup berechnete Konstruktion ist der pure Aufwand: Eine komplizierte Abfolge wellenförmiger Stahlträger, die ein wenig geneigt sind und mit allerlei Druckstreben und Zugbändern gehalten werden, formen drei Hügel aus. Die tauchen abwechseln in Luft und Erde ein. Das Zentrum hat somit nur eine Fassade, es besteht ansonsten von außen betrachtet lediglich aus Dachwellen, die sich nach hinten in den Getreideacker graben wie die Sandwürmer in Frank Herberts „Wüstenplanet“: An sich eine nette Idee, doch was eine Landschaftsskulptur hätte werden sollen, oder, wie Piano meinte, „ein Ort, und kein Museum“, bleibt kraft- und ausdruckslos.

Die Konstruktion ist hier mit der Idee davongaloppiert. Zu wenig skulptural wirkt die Angelegenheit, obwohl sie doch vor allem auch Skulptur sein will. Mit zu vielen Sonnenschutzsegelchen und Lamellen verkleckert ist die Glasfront, um sich vom Edelstahlschimmer der Dachhaut entsprechend abzusetzen. Und auch die Innenräume entsprechen den Erwartungen nicht: Die so aufwändig angelegte Form des Gebäudes ist nach dem Betreten recht bald nicht mehr spürbar, und man beginnt sich fast ärgerlich die Frage zu stellen, was das alles eigentlich bedeuten soll, welchen Zweck diese fast verkrampft wirkende Gestaltungswut eigentlich verfolgt.

Erst beim Anblick der wundervollen Arbeiten Paul Klees im tageslichtfreien Zentralraum im Mittelhügel beginnt eine jener zeitlosen Reisen, die der Besuch in einem guten Museum sein sollte. Hier kann man sich verlieren, hier spaziert man durch die von Kurator Tilman Osterwold betont großzügig gestaltete Ausstellungslandschaft. Hier hat die Kunst diese feine, entrückte, uneitle Aura, die das Haus so gerne hätte und die Piano erstaunlicherweise nicht entstehen lassen konnte.

Vielleicht hat er sich hier einfach zu viel vorgenommen und sich zu manieriert vor dem Künstler Paul Klee verneigt. Sogar der Acker rund um das Zentrum darf laut Vorgaben des Architekten nur nach bestimmten Linien gepflügt und besät werden, um den Gesamteindruck zu unterstreichen.

Derzeit umrahmt Wintergerste das künstliche Ensemble. Debatten, wie man des Unkrauts Herr werden könne, verliefen ergebnislos. Mohn- und Kornblumen tupfen subversiv reizende Farbflecken in die Szenerie. Klee hätte möglicherweise seine Freude an ihnen gehabt. „Kunst gibt nichts Sichtbares wieder, sondern macht sichtbar“, hat er jedenfalls einmal gemeint.

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