Bauwerk

Kolumba - Kunstmuseum des Erzbistums Köln
Peter Zumthor - Köln (D) - 2006
Kolumba - Kunstmuseum des Erzbistums Köln, Foto: Jochen Helle / ARTUR IMAGES
Kolumba - Kunstmuseum des Erzbistums Köln, Foto: Jochen Helle / ARTUR IMAGES

Akribisch, auratisch, magisch

Er gilt als unbeirrbar und kompromisslos: Peter Zumthor. Sein jüngstes Werk, das Kolumba-Museum in Köln, ist ein überzeugender Bau fernab marktschreierischer Methoden.

25. November 2007 - Karin Tschavgova
Er gilt als unbeirrbar, kompromisslos und schwierig. Wer sich auf Peter Zumthor einlässt, mit ihm bauen will, muss wissen, dass er es mit einem Architekten zu tun hat, der darauf besteht, eine Idee so lange und gründlich zu entwickeln, bis daraus ein bis ins kleinste Detail seinem Anspruch genügendes, „stimmiges“ Bauwerk wird. Mit solcher Akribie, in der Kritiker auch übertriebenen Perfektionismus sehen, ist der Architekt der Autonomie eines Komponisten oder Autors näher als der Haltung eines Architekten, der sich als Dienstleister versteht.

Die Ergebnisse Zumthor'scher Beharrlichkeit können sich sehen lassen: Die Therme Vals, das Kunsthaus Bregenz und nun auch das Kolumba in Köln, von dem hier die Rede ist, sind als auratische Gebilde, denen auf den ersten Blick vielleicht Sprödigkeit anhaftet, magisch anziehend, weil sie selbst dem ungeschulten Blick etwas verheißen.

Vor elf Jahren gewann Zumthor den Wettbewerb für ein neues Museum, in dem die Erzdiözese Köln ihre umfangreiche Kunstsammlung unterbringen wollte. Die Aufgabe war schwierig, weil der Bauplatz kein unbebautes Stück Grund war, sondern ein geschichtsträchtiges Areal, auf dem sich die Mauerreste der im Zweiten Weltkrieg zerstörten gotischen Kolumbakirche mit den 1970 freigelegten Mauern aus 2000 Jahren sakraler und profaner Stadtgeschichte überlagerten. Dazu kam eine beliebte Andachtskapelle von Gottfried Böhm, die 1950 auf dem Ruinenfeld errichtet wurde.

Zumthors Lösung ist ungewöhnlich. Er stellt Alt und Neu nicht als Gegensatzpaar nebeneinander, sondern folgt dem trapezförmigen Umriss der früheren Kirche und baut fugenlos auf den Resten des Mauerwerks auf – ganz so, als sollten die offenen Wunden nun endlich geschlossen werden. Auf Straßenniveau ist das Museum größtenteils ein Überbau, der das archäologische Feld ebenso wie die Kapelle in eine mächtig-hohe Halle einschließt, die Innen- und Außenraum zugleich ist. Ein von einem unregelmäßigen, doch vorgegebenen Lochmuster durchzogenes Filtermauerwerk aus einem eigens entwickelten Backstein umhüllt den Raum, belüftet ihn und erzeugt, je nach Tageszeit und Lichtintensität, feierliches Dämmerlicht oder fröhlich-bewegte Lichtpunkte an den Wänden. Über die Halle wird, absatzlos, nur durch den Wechsel von gelochtem zu massivem Mauerwerk zu erahnen, der eigentliche Ausstellungsbereich geschichtet.

Im Stadtraum präsentiert sich das Museum als hochaufragender, nahezu wehrhaft wirkender Monolith, dessen Gliederung sich auf unterschiedliche Höhen der Dachsaumkanten, auf einen einzigen Rücksprung und auf wenige großformatige Fenster beschränkt, die ohne von außen erkennbare Logik gesetzt wurden. Schon hier zeigt sich das Können des Architekten. Er treibt ein subtiles Wechselspiel zwischen Öffnen und Verbergen, das neugierig macht.

Während der Kapelle, ihrer Bedeutung gemäß, ein eigenes Entree zugestanden wird, ist die große Halle, die auf dem Zickzack eines roten, edlen Holzstegs durchquert wird, nur vom Museum aus zugänglich. Den Eingang dazu muss man erst einmal finden. Keine aufgebrochene Ecke, kein voll verglastes Foyer gibt Hinweise darauf. Der Museumszugang ist ein einfacher, wennauch überdimensionaler Glaseinschnitt in der Fassade, hinter den die Backsteinwand um Gangbreite zurücktritt. Der Besucher wird in einem intimen, von Holz dominierten Raum, der Kasse, Buchverkauf und Garderobe zugleich ist, persönlich empfangen. Danach, in der Ausstellung, ist er auf sich selbst gestellt, muss seiner Intuition und Urteilskraft vertrauen, weil ihm jegliche Erklärung verweigert wird. Die Kuratoren setzen auf die schöpferische Kraft und den ästhetischen Wert jedes Kunstwerks und stellen wie selbstverständlich alte Sakralkunst zeitgenössischen profanen Arbeiten gegenüber – etwa die Holzfigur eines Schmerzensmannes aus dem 16. Jahrhundert den Kreuzbildern von Andy Warhol.

Die 16 Ausstellungsräume im ersten und zweiten Obergeschoß sind stimmig, es gelingt Zumthor grandios, eine Atmosphäre zu erzeugen, die dem Betrachter ermöglicht, Kunst konzentriert und eingehend wahrzunehmen. Er setzt auf wenige übergroße Ausblicke in den Stadtraum, reduziert die Anzahl der Werkstoffe und Farben, vermeidet jegliches Dekor. Die Wirkung schlichter Materialität wird überhöht: Glatte graue Lehmputzwände, homogen gegossene Mörteldecken und feinkörniger Terrazzo bestechen durch perfekte Ausführung, sorgsamste Detailarbeit und feinste Farbnuancierung. Dass man nicht ermüdet, liegt am kontinuierlichen Wechsel von Lichtführung und Lichtdosierung und an der präzise komponierten Folge von Räumen mit unterschiedlichem Zuschnitt. Weihevoll hohe turmartige Räume, die Licht über seitliche Oberlichter erhalten, werden über künstlich belichtete Kabinette erschlossen, die sich um einen zentralen Saal gruppieren. Er endet in Seitenflügeln, die von raumhohen Verglasungen, waghalsig vor die Fassade gesetzt, bestimmt sind.

Kein Zweifel, mit diesem Kunsthaus ist dem Architekten ein Gegenentwurf zu jenen Häusern im gegenwärtigen internationalen Museumsbauboom gelungen, die sich einseitig an Marketingstrategien orientieren und einander im Wettstreit mit formaler Exzentrik zu überbieten suchen. Und dennoch: Wie die Therme Vals und die Bruder-Klaus-Kapelle wurde das Kolumba in kürzester Zeit zum Ziel unzähliger Kunstsinniger. Vielleicht, weil Zumthors Werk trotz seiner jede Beredsamkeit verweigernden Haltung, immer Achtsamkeit ausdrückt und Respekt vor dem Menschen und seinem Bedürfnis, in Räumen aufgehoben zu sein.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at