Details
- Adresse
- Mittersteig 10, 1050 Wien, Österreich
- Architektur
- DMAA (Elke Delugan-Meissl, Roman Delugan)
- Mitarbeit Architektur DMAA
- Anke Goll, Martin Josst, Christine Hax
- Bauherrschaft
- Elke Delugan-Meissl, Roman Delugan
- Tragwerksplanung
- Werkraum Ingenieure
- Fotografie
- Rupert Steiner, Hertha Hurnaus
- Maßnahme
- Aufstockung
- Funktion
- Dachbodenausbau
- Planung
- 2000 - 2001
- Ausführung
- 2002 - 2003
Preise und Auszeichnungen
Publikationen
Mark Steinmetz: Architektur neues Wien, Braun Publishing, Berlin 2006.
Martin Nicholas Kunz, Christian Schönwetter: outdoor living, Terrassen, Balkone, Dachterrassen, Höfe Terraces, Balconies, Rooftops, Courtyards, avedition GmbH, Ludwigsburg 2005.
Archfoto
Karte
Pläne
Presseschau
Demarkationslinie zwischen Himmel und Erde
Der Bauplatz ist ungewöhnlich. Das Flachdach eines Wiener Bürogebäudes haben die Architekten Degulan Meissl lediglich gepachtet und darauf eine gefaltete Raumskulptur als «Haus auf dem Haus» gebaut. Ebenso ungewöhnlich ist der schwebende Raumeindruck, der durch die stützenfreien Spannweiten des Stahlfachwerks erreicht wird. James Bond lässt grüssen.
Die Aufstockung ist von der Strasse her kaum wahrnehmbar und erfüllt wider Erwarten die strengen Bauvorschriften für Flachdachaufbauten der Stadt. Ein Bürogebäude aus den 60er Jahren hat damit einen dynamischen Abschluss erhalten, eine Art extravaganten Hut, der die Begegnung zwischen alt und neu, zwischen statischem Körper und dynamischer Form zelebriert. Der Neubau führt die Giebellinie zwischen den beiden angrenzenden Häusern fort und schliesst gewissermassen eine Baulücke. Dabei schafft er durch seine Faltung und Raumstaffelung eine durchlässige Grenze zwischen dem strengen Altbau und dem bewegten Wiener Stadthimmel. Obwohl der Entwurf baurechtlich als Flachdachaufbau gilt, konnte in Abstimmung mit der Baubehörde eine neue Interpretation gefunden werden. Die strassenseitige Auskragung des Gebäudes ist zum Beispiel aus baurechtlicher Sicht eine Gaube.
Die Grundfigur von Ray1 basiert auf der längsrechteckigen Form des Sockelbauwerks. Daraus entwickelt sich ein Baukörper von skulpturalem Charakter. Der Zugang erfolgt über den knapp sechs Meter aus der hofseitigen Gebäudefront auskragenden Kubus, der achsversetzt auf dem Treppenhaus-Risalit sitzt. Ein lang gestreckter, mit flachen Treppen langsam ansteigender Gang führt in den loftartigen Wohnbereich, der sich als Raumkontinuum fliessend nach oben entwickelt. Die plastische Gestaltung der Aussenhaut schafft auch im Innenraum Zonen mit verschiedener Wertigkeit. Nischen und Möbel entwickeln sich direkt aus dem Formenverlauf der Architektur heraus und schaffen einen fliessenden Übergang von äusserer Hülle zu innerer Wohn-Landschaft. Der weiträumige Wohnbereich mit der zentralen Küche liegt etwa einen Meter höher als die separierten Schlafzonen. Eine grosse, lederbezogene Liegelandschaft öffnet sich in einer über die Grundstücksgrenzen expandierenden Gebäudefaltung. Sie liegt über die ganze Breite vollständig auf tragendem Glas auf und scheint so vom Boden losgelöst zu schweben.
Eine Eckverglasung lässt sich vollständig zur Terrasse hin öffnen und erweitert damit den Wohnbereich um einen spektakulären Aussenraum. Der Terrasse ist ein schmales, mit Sitzstufen versehenes Bassin vorgelagert, so dass auf ein Geländer verzichtet werden konnte. So entsteht eine harmonische Verbindung von ruhendem Ort und räumlicher Bewegung.
Um auf das Tragwerk des Altbaus reagieren zu können, wurde die Aufstockung als Stahlskelettbau realisiert. Durch ein homogen verdichtetes Stahlrohrsystem werden die Lasten über die gesamte Fläche gleichmässig verteilt und vor allem über die Giebelwände in den Altbestand eingeleitet. Die entwurfsimmanenten Faltungen der Dachlandschaft führen zu einem weitgehend stützenfreien Raumfluss.
Für Haus Ray 1, das seinen Namen der Bauherrentochter verdankt, gab es weder ökonomische Restriktionen noch ideelle Einschränkungen, da die Architekten ihre eigenen Bauherrn waren. Ein umfassendes Ineinanderwirken von Tragwerksplanung und Entwurfskonzept führte zu dieser Architektur als Stadt-Landschaft.
Urbane Wohnlandschaft
Ein Wiener Dachaufbau von Delugan & Meissl
Der Umgang mit historischer Bausubstanz führt in Wien immer wieder zu heftigen Diskussionen. Der Um- oder Ausbau alter Fassaden und geschichtsträchtiger Gemäuer verlangt nach Meinung vieler besondere Sorgfalt. Die Stadtväter unterstützten diese Ansicht mit der Schaffung strenger Baurichtlinien. Geht es nach dem Gesetzgeber, so sollte zeitgenössische Architektur möglichst unauffällig hinter den bestehenden Gebäuden zurücktreten. Dagegen verstösst nun ein Dachausbau von Elke Delugan-Meissl und Roman Delugan. Die beiden Architekten, die seit nunmehr zehn Jahren den kommunalen Wohnbau der Donaumetropole revolutionieren, entwarfen eine Struktur aus Aluminium und Glas, welche sie als «Umsetzung der unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Bewohnern und Umfeld» beschreiben. Die mehrschichtige Hülle, die den Aussenraum in die Wohnung zu saugen scheint, setzt auf Tiefenwirkung und Lichteinfall. Schräg verlaufende Brüstungen und eine schwebende Gaube thematisieren die Wechselwirkung von Intimität und Öffentlichkeit und erzielen gleichzeitig einen dynamischen Effekt.
Doch der ebenso spektakuläre wie gewagte Aufbau aus Metall und Glas hat - typisch wienerisch - auch eine durchaus humoristische Komponente. Im Inneren der Wohnung treiben unzählige silberglänzende Knöpfe, mit denen von den Lüftungsklappen über die Jalousien und den Videoscreen bis hin zur Klimaanlage alles betätigt werden kann, das nicht immer ganz ernsthafte Spiel von Ruhe und Bewegung auf die Spitze. Diese Technologieverliebtheit erinnert wie die gewählte Formensprache an Filmszenen, in denen James Bond seine Widersacher mit raffinierten Geräten in Schach zu halten pflegt.
Das Design jedes Details dieser Architektur ordnet sich dem Gesamtkonzept unter. Veränderbarkeit und Flexibilität sind auf ein Mindestmass reduziert. Um jeden potenziellen Störfaktor auszuschliessen, sind selbst die meisten Möbel fest im Raum verankert. Die Aussenhaut fungiert also gleichsam als Rahmen der zu Immobilien gewordenen Einrichtungsgegenstände. Selbst das Bett schwebt unverrückbar im Schlafzimmer. Delugan spricht vom städtebaulich orientierten Bett, denn die Richtung des Möbelstücks folgt nicht den Wänden des Raumes, sondern den urbanen Achsen der Umgebung. Die unmittelbar an das Bett anschliessende Badewanne, die den Übergang von Schlaf- zu Waschraum manifestiert, verdeutlicht diese Entwurfsidee.
Sämtliche Elemente der Wohnung scheinen bis ins letzte Detail durchdacht und gestaltet zu sein. Kein unnötiges Dekorationsobjekt, kein Kunstwerk stört die perfekte Aufmachung dieses auf den ersten Blick unpersönlichen Refugiums. Kein Buchrücken, kein privater Gegenstand erlaubt dem Besucher schnelle Rückschlüsse auf den sozialen Status, den Beruf oder die Lebensweise der drei Bewohner. So wird der Raum an sich zum einzigen Repräsentationsobjekt, das Apartment zum scheinbar einzigen Besitztum, während die Gegenstände des täglichen Lebens hinter ungezählten Türen verschwinden. Mit seiner «idealistischen» Forderung, architektonische Konzeptionen auch im privaten Wohnalltag konsequent weiterzuleben, schuf sich das Duo eine gebaute Visitenkarte, in der die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verschwimmen. Dennoch dient dieses aussergewöhnliche Penthouse nicht allein der Selbstdarstellung zweier Architekten, sondern auch dem Fortgang einer kulturellen Debatte. Delugan & Meissl verweisen mit ihrem Entwurf auf die Notwendigkeit, den Raum immer wieder neu zu erforschen.
Auf und davon!
Vis-à-vis ihrem Büro am Wiener Mittersteig haben Elke und Roman Delugan ihre Architekturauffassung so pur wie sonst nirgends umgesetzt: in ihrem eigenen Haus - mit dem sie die Grenzen des Machbaren wieder ein bisschen hinausgeschoben haben.
Das Haus auf dem Haus war immer schon eine spannende Bauaufgabe. Früher sagte man Penthouse dazu, und ein Hauch von Luxus schwang dabei mit. Elke und Roman Delugan lassen diesen Amerikanismus weg und sprechen ganz schlicht von ihrem Haus, dabei schauen sie aus den Räumen des Architekturbüros Delugan- Meissl am Wiener Mittersteig Richtung Dachaufbau auf einem Bürohaus gegenüber, und weil es schon dunkel wird, sehen wir im erleuchteten Innenraum, allerdings abgeschirmt durch einen mächtigen Balken, zwei zarte Beinchen, die sich mit Schwung abwärts bewegen. „Das ist unsere Tochter“, lächelt Roman Delugan: „Sie rutscht auf der Schräge.“
Was es mit dieser Schräge auf sich hat, das sehe ich dann später. Zunächst bewundere ich die Rasanz, die Schnittigkeit der großen Linien, die den Auftritt dieses Hauses auf dem Haus nach außen charakterisieren.
Man muss hier wirklich vor allem von Linien, von räumlichen Linien reden, denn das eigentliche Bauvolumen ist durch den minutiös kalkulierten, großzügigen Einsatz von Glas so zergliedert, dass die „festen“ Bestandteile ganz in den Hintergrund
treten. Wenn man so auf dem Balkon des Büros steht und hinüber schaut, dann schießt der erwähnte mächtige Balken über die Breitseite des Bürohauses hinweg - wirklich überrascht wäre ich nicht gewesen, wenn das ganze Ding, das irgendwie so „dachverbunden“ aufsitzt, plötzlich doch abgehoben hätte.
Tatsächlich haben die Delugans in diesem Haus ihre persönliche Architekturauffassung so pur wie sonst nirgends
umgesetzt. Außen waren sie durch die engen Wiener Bauvorschriften limitiert, aber solche Regeln tun architektonischen Lösungen im Allgemeinen gut. Innen konnten sie alles auf die privatesten Ansprüche maßschneidern.
Konstruktiv war das Unternehmen natürlich happig: Es ging darum, mit dem auszukommen, was der Bestand statisch anzubieten hatte. Das allerdings wurde optimal ausgenutzt, und so sind jetzt ungefähr 52 Tonnen Stahl auf dem Flachdach verbaut. Es gibt eine Sechs-Meter-Auskragung Richtung Hof, und es gibt im Innenraum tatsächlich nur eine einzige
tragende Stütze: Es waren also gewaltige Spannweiten zu bewältigen. Es gibt andererseits im Wohnbereich eine scheinbar schwebende Liegelandschaft, da ist das Glas an der Fassade tragend.
Ich beschreibe am besten den Weg durch das Haus: Man verlässt den Aufzug, geht ein paar Stufen hinauf zur
eigentlichen Wohnungstür und steht dann vor einem langen, schräg ansteigenden Vorraum, links raumhoch verglast, rechts eine lange Schrankwand. Die Delugans haben fast das ganze Mobiliar selbst entworfen, also auch diese Schrankwand. Und die schuppt sich höchst attraktiv hinauf zum Wohnraum, weil die schmalen Schranktüren keine Griffe haben, sondern die ganze Tür ist jeweils durch eine Außenwölbung verformt, so dass man sie öffnen kann. Alles weiß. Und auf dem Boden afrikanische Kirsche in einem tiefen, saftigen, warmen Braunton. Das zieht sich übrigens durch das gesamte Haus.
Man könnte das Ganze als Loftkonzept beschreiben, umgeben von Terrassen, die sich aus dem vorgeschriebenen 45-Grad-Rücksprung für Dachaufbauten ergeben (nebenbei angemerkt: Eine dieser Terrassen ist ausgesprochen bemerkenswert abgesichert: nicht durch eine Brüstung, sondern durch ein Wasserbecken).
Der Loftraum selbst ist höhenmäßig differenziert: Man kommt hinein, und links geht es zum Privatbereich der
Tochter, rechts sitzt etwas höher die Schaltstelle der offenen Küche. Da gibt es ein paar Stufen, dann steht man
wirklich mitten drin in der Küche, also zwischen Wandverbau und offenem Tresen, der aber als eine Art Raumskulptur
formuliert ist: Er wächst schräg aus dem Boden - in dieser Schräge ist auch die Schaltstation für die ausgeklügelte Beleuchtung et cetera -, dann geht er gerade weiter, und schließlich macht er sich schräg nach oben gewissermaßen
auf und davon. Diesem Niveausprung ist auch jene Schräge (oder Rampe) zugeordnet, auf der ich von vis-à-vis das Töchterlein habe rutschen sehen. Da oben ist dann die große, gepolsterte und mit Leder bespannte Liegewiese.
Eine völlig transparente Regalwand trennt diese Liegewiese von einem ganz besonderen, höher gelegenen Sitzplatz -in der sogenannten Gaube -, zu dem man stufenlos einen etwa 50 Zentimeter messenden Höhensprung überwinden muss. Der Esstisch, im rechten Winkel um die hofseitige Terrasse gelegen, ist wieder völlig im Raum- und Niveaufluss
des Lofts angeordnet.
Es gibt hier natürlich auch alles, was man alltäglich braucht: Das fängt beim Wirtschaftsraum an und hört beim Gästeklosett auf. Und das Schlafzimmer samt Badezimmer ist selbstverständlich separiert - freilich durch ein unheimlich zügiges Einbaumöbel charakterisiert, das vom Bett über das Bad et cetera alles in eins fasst. Und das Bett ist „städtebaulich“ ausgerichtet: Es steht schräg vor einer Glaswand mit dem Ausblick auf das schönste Panorama von Wien.
Man müsste bei diesem Haus jede Firma, die dazu beigetragen hat, extra erwähnen. Denn jede hat Außergewöhnliches geleistet. Für alle war es nicht nur eine Herausforderung auf dem Papier, sondern etwas, was die Grenzen des Machbaren wieder ein bisschen hinausgeschoben hat.
Aber bei aller Bewunderung für die Fugenlosigkeit des Zusammentreffens unterschiedlicher Materialien, für die unheimlich differenzierte Behandlung der verschiedenen Oberflächen, für die absolut detailgenaue Arbeit aller Beteiligten - der große Wurf liegt im Entwurf. Die Logik, mit der die Delugans die „Kraftlinien“ ihres Hauses von außen nach innen und wieder nach außen entwickeln, das ist die eigentliche Sensation.
Abgesehen von Glas besteht die Hülle des Hauses aus Alucobond. Das Dach ist in diesem Material ausgeführt, aber zum Beispiel auch der Balken, der den Innenraum abschirmt zum gegenüber liegenden Büro. Dieser Balken berührt aber auch den Innenraum. Und da hat er dann auch innen eine Alucobond-Oberfläche. Das ist äußerst konsequent und eindrucksvoll. Und das gibt dem Haus bei aller Materialeinheitlichkeit und Detailarmut auch eine unübertreffliche Komplexität.
Es ist ein Haus für Lifestyle-Magazine im besten Wortsinn. Es ist auf einen bestimmten Lebensstil zugeschnitten (der ganz und gar nichts mit irgendeiner Art von schicker Lebensführung zu tun hat - das ist zu unterstreichen): auf den Lebensstil von Leuten, denen der Beruf auch Berufung ist und die sich eine private Insel gebaut haben; für sich selbst, für die Tochter, für Freunde. Eine ideale Lösung, dass die wirkliche Arbeitsstätte gleich gegenüber liegt. Und eine tägliche Bestätigung der eigenen Haltung beim Blick hinüber.