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Details

Adresse
Spittelauer Lände, 1090 Wien, Österreich
Architektur
Zaha M. Hadid
Bauherrschaft
SEG
Tragwerksplanung
Josef Schindelar
Ausführungsplanung
Schulz oder Schulz
Funktion
Wohnbauten
Planung
1994
Ausführung
2004 - 2005
Grundstücksfläche
2.720 m²
Nutzfläche
3.300 m²
Bebaute Fläche
1.590 m²
Umbauter Raum
17.980 m³
Baukosten
9,8 Mio EUR

Ausführende Firmen

Aufzug: Schindler Österreich, Wien (A)
Generalunternehmer: Bilfinger-Berger
Fassade: Maler net
Dach: DWH
Mauerwerk: Bilfinger-Berger
Fenster: Actual
Türen: Tür & Tür
Elektroinstallationen: Griessenberger & Partner
HKLS: Dietrich Luft und Klima
Aussenbeleuchtung: SITECO Österreich GmbH

Publikationen

Mark Steinmetz: Architektur neues Wien, Braun Publishing, Berlin 2006.
Zaha Hadid, Architektur, Hrsg. Peter Noever, Hatje Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit 2004.

Presseschau

8. Oktober 2005 Wojciech Czaja
Der Standard

Windschief im schiefen Licht

Vor zehn Jahren hat die viel versprechende Odyssee in der Wiener Spittelau begonnen. Mittlerweile ist die Reise vorbei. Was wurde aus Zaha Hadids Projekt in den Stadtbahnbögen?

Mittlerweile kennt sie jeder, die Grande Dame aus Bagdad. Und wenn es darum geht, eine Stararchitektin zu nennen, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ihr Name fällt, irgendwo bei knapp 100 Prozent. Selbstverständlich ist die Rede von Zaha Hadid. Spätestens seit ihrer Innsbrucker Sprungschanze, die einem Dinosaurier gleich ihren kantigen Kopf in die Gebirgswelt reckt, gilt sie auch in Österreich als architektonische Koryphäe. Bösartige Zungen sprachen einst von der wichtigsten nicht bauenden Architektin der Welt, doch diese Phase bangen Wartens auf lukrative Aufträge scheint nun endgültig vorbei.

„Wir haben beschlossen, alles anders zu machen“, kehrt Hadid schon seit einem Vierteljahrhundert ihren Kritikern den Rücken. Nun, ihre Devise passt gut zu Wien, das angeblich auch anders ist. Und so richtig schräg geht es zurzeit am Ufer des Donaukanals zu. Denn auch Wien verfügt jetzt über eine nahezu waschechte Hadid. Weit und breit kein rechter Winkel, wie aus Plastilin zurechtgeknetet stehen ein paar verzerrte Brocken Architektur herum. Dynamisch abgeschrägt, und dennoch hinbetoniert für die Ewigkeit. Eine künstliche Architekturlandschaft, ein kleines Ensemble, das exakt für dieses Grundstück maßgeschneidert wurde.

Zehn Jahre ist es nun her, dass der ehemalige Stadtrat Hannes Swoboda die in London lebende Architektin zu einer ersten Skizze eingeladen hat. „Dadurch, dass Otto Wagners Viadukt nicht mehr für den Verkehr genutzt wird, ist es zur Landschaft, zum Gelände geworden“, kommentierte Zaha Hadid damals das Vorhaben der Stadt Wien, „das ist zwar sehr schön, da kann man aber nicht einfach zusehen aus der Sicht der Stadt.“ Was tun? Zum Beispiel einen Wohnbau planen. Drei dynamische Baukörper, die sich um die Stadtbahnbögen winden, ohne diese auch nur ein einziges Mal zu berühren. Ungewohnte Grundrisse, eine neue Ära des Residierens sollte anbrechen in Wien.

Nach vielen expressiven Zeichnungen und schwebenden, fliegenden Gebäudeteilen, die in der Hitze des Gefechts am Siemens-Lufthaken zum Stillstand kamen, musste Hadid bald zu ihrer anfänglich geäußerten Pragmatik zurückkehren. Beton fliegt nicht, nicht in London, und schon gar nicht in Wien. Und so konnte man zusehen, wie aus dem einst noch schwerelosen Albatros allmählich eine schwächelnde Großstadttaube wurde, gezwungenermaßen auf Krücken gestützt. Hadid, noch vor drei Jahren: „Ich mag diese Stützen überhaupt nicht. Und ich wünsche mir, dass sie auch nicht ausgeführt werden. Sie allein sind Grund genug, das Projekt noch einmal zu überdenken.“

Schnitt. Wir schreiben das Jahr 2005. Nicht nur ein paar Stützen, ein Säulenwald ist daraus geworden. Was in den zehn Jahren der Projektentwicklung und noch während des Baus so verheißungsvoll schien, ist nun einer unüberschaubaren Flut an Kompromissen zum Opfer gefallen. Verblechte Fassade? Weißer Putz. - Riesige Panoramafenster zum Donaukanal hin? Schmale Schießscharten in der Fassade. - Großzügige Lofts und luxuriöse Apartments? Boarding House mit kleinen Zimmern. - Ein neues Gefühl von Wohnen und Architektur? Weiße Fliesen und PVC-Belag im Wohnzimmer. Bonjour, tristesse.

Und tatsächlich, an die Schönheit des gespenstischen Rohbaus kommt das fertig gestellte Projekt nicht heran. Viel eher hat es den Anschein, als habe man an den Enden eines 70er-Jahre-Wohnbaus ein bisschen herumgedehnt, gedrückt und gezogen, bis er schließlich in dieser Form blieb. Vor allem die Wohnungen selbst (dabei geht es doch bei einem Wohnbau, oder?) können sich ihres recht spröden Billigcharmes leider nicht mehr entledigen.

Was ist hier nur passiert? The Rise and Fall of the House of Usher nannte Edgar Allan Poe eine seiner gruseligen Kurzgeschichten, in der ein Haus ein schädliches Eigenleben entwickelt. Der einzige Unterschied zum House of Usher ist, dass es sich bei Hadids Bau um ein Stück anfänglich engagierter Architekturgeschichte für das nächste Jahrhundert handelte. Als solches zumindest war das Projekt konzipiert. Geglückt ist dieses Vorhaben nicht.

Architektin, Bauträger, Stadt Wien - von irgendjemandes Schuld zu sprechen wäre an dieser Stelle völlig fehl am Platz. Hadids Bau beweist nur einmal mehr die scheinbar unmögliche Kombination von sozialem Wohnbau und so genannter Stararchitektur an topografisch komplizierten Orten. „Zaha Hadid war stets klar, dass wir dieses Projekt reduzieren müssen“, erzählt Projektleiter Stephan Langmann vom Bauträger SEG, „ohne ein Minimum an Kosteneinsparung wäre das Bauvorhaben überhaupt nicht durchführbar gewesen.“

Allein, immer noch sind es zehn Millionen Euro für einen Gegenwert von bescheidenen 3200 Quadratmeter Nutzfläche. Da traut man sich gar nicht mehr, den horrenden Quadratmeterpreis auszurechnen, Schweißperlen machen sich auf der Stirn des Ökonomen bemerkbar. Mehr noch: Hätte man das Projekt ganz ohne Abstriche realisiert, wäre es nicht nur unwirtschaftlich geworden, wie es heute der Fall ist - für einen Wohnbauträger wäre es schlichtweg Utopie geblieben.

Dass ein so irrationales Gebäude letzten Endes doch noch realisiert wird, ist ein Gewinn. Ein Gewinn für die Bewohner, die so einen Bau sehnlichst erwartet haben. Ein Gewinn für die Kommunalpolitik. Und freilich ein Gewinn für den Bauträger. Einzig die Architektin hat sich indes vom Bauvorhaben distanziert. Die riesig angedachten High-End-Wohnungen sind zu kompakten Wohngemeinschaftseinheiten parzelliert worden. Ein kleines WG-Zimmer mit schiefen Winkeln und geböschten Wänden - das in den Griff zu bekommen ist für eine studentische Brieftasche kein Leichtes. In diesem anspruchsvollen Topos fühlt sich selbst der sonst so flexible Ikea-Billy unwohl. Von anderen Möbeln - so bescheiden sieht die Realität nun aus - braucht man hier gar nicht erst zu sprechen, hat die SEG doch beschlossen, die Apartments für die Dauer von sechs Monaten bis zu maximal zwei Jahren zu vermieten. Danach muss wieder übersiedelt werden. Ein Interimszuhause für die modernen Nomaden sozusagen, um eines Tages behaupten zu können, in dem einen Haus von Zaha Hadid gewohnt zu haben.

Utopie ist eine Sache, ihre Durchführung eine andere. Schade eigentlich, dass die SEG aus Gründen der Kostenrechnung offenbar nicht dazu in der finanziellen Lage war, an diesem außergewöhnlichen Ort ein ebenso außergewöhnliches Gebäude hinzustellen. Die Realisierung eines solchen Projekts lässt sich mit den Quadratmeterpreisen herkömmlichen Wohnbaus nicht vergleichen, man hat so lange an allen Ecken und Enden herumgefeilt, bis das Gebäude letztlich nicht einmal mehr als Aushängeschild des eigenen Bauträger-Unternehmens herangezogen werden konnte.

Gibt es Kompromisse in der Spitzenarchitektur? Nein. Das ist der unbezahlbar hohe Preis, den Projekte von Zaha Hadid & Co einfordern. Ist die Kür der Kompromisslosigkeit erst einmal unterbrochen, dann ist das meist das vorprogrammierte Ende jedes noch so ambitionierten Versuchs. Das war's dann also mit Platz eins. Und das erklärt auch, weshalb Bauwerke wie die Sprungschanze am Bergisel oder das kurz vor Fertigstellung stehende Phaeno, Wolfsburgs neues Science-Center, die besseren Kandidaten für einen großen architektonischen Wurf aus der unbeschwerten Feder Zaha Hadids sind.

Was Wien betrifft: Vielleicht ist es manchmal besser, auf die Eier legende Wollmilchsau zu verzichten. Zaha Hadid sagte einmal in einem Interview: „Wenn man Fantasie will, muss man sie auch ausreizen.“ Dem kann man nur hinzufügen, dass man zu diesem Zweck nicht um jeden Preis das harte Pflaster der Realität betreten muss.

27. März 2004 Andrea Nussbaum
Spectrum

Gedrängel auf der Warteliste

Bauten aus der architektonischen Champions League sind kein Wagnis und keine Extravaganz, sondern ein Konsumartikel. Die Marke Zaha Hadid, der Pritzker-Preis, Wiens Spittelau und die Verantwortung der Architekturkritik.

Es gibt sie: die Modeworte. Jede Branche hat die ihren, auch das Architekturfeuilleton. Und dort dreht sich seit kurzem vieles um ein Wort: Architekturvermittlung. Kritiker sind keine Kritiker mehr, denn ihre Aufgabe ist es neuerdings - eben - zu vermitteln, behutsam den Lesern Tag für Tag, Sonntag für Sonntag die Vorzüge der Architektur vor Augen zu führen. „Er spricht, er schreibt, er vermittelt, er publiziert - obschon ohne nennbaren Erfolg und scheinbar widersinnig - dennoch weiter“, meinte unlängst der deutsche Kritiker Ulrich Conrads über sich und seine Berufskollegen. Doch wozu das Ganze, ist man verleitet zu fragen, wenn es letztlich für die Architektur trotz allem keine wie auch immer geartete Aussicht auf Erfolg gibt? Ist die Architekturkritik tatsächlich ein Quotenkiller, überblättert und ohne Marktpotenzial - weder im Feuilleton noch im realen Leben?

Nehmen wir einmal den kleinen, aber exquisiten Wohnbau an der Spittelauer Lände in Wien, der im Sommer 2005 fertig gestellt werden soll. Das Besondere daran, der Apartmentkomplex mit Geschäfts- und Gastronomieflächen, der sich im Modell selbstbewusst über die ehrwürdigen Stadtbahnbögen von Otto Wagner erstreckt, ist so gut wie verkauft: 700 Vormerkungen liegen bereits vor. Ist es die Lage? Sind es die Grundrisse der Wohnungen? Oder ist es ein Name? Denn dieses kecke Zickzack am Donaukanal, das so lange auf sich warten ließ, stammt von keiner anderen als Zaha Hadid, der Pritzker-Preisträgerin 2004.

Bauten aus der architektonischen Champions League sind kein Wagnis mehr, kein Abenteuer und auch keine Extravaganz, sondern ein Konsumartikel, zugegebenermaßen in den besseren Fällen ein höchst ästhetischer, aber Konsum und Ästhetik gehören auch in der hohen Kunst des Bauens zusammen. Die Shop-Architektur hat es vorgemacht, jetzt folgt der Wohnbau.

Die Lage des neuen Apartmenthauses der Luxusklasse von Zaha Hadid ist außergewöhnlich: ein kleiner Fleck zwischen Donaukanal und Spittelauer Lände, der streng genommen in die Kategorie „unbebaubar“ fällt. Das Umfeld: eine städtebauliche Wüste, umringt von der von Hundertwasser behübschten Müllverbrennungsanlage, der Wirtschaftsuniversität und einem Bundesamtsgebäude, die allesamt keine Highlights städtischer Architektur sind, sieht man von den Stadtbahnbögen einmal ab, die lange unter ihrem Wert genutzt wurden.

Alles zusammen also ideale Voraussetzungen für die Meister der Oberliga, für solche wie Zaha Hadid. Hinzu kam, dass der Wiener Stadtplanung der Donaukanal und sein städtebauliches Potenzial schon einige Zeit am Herzen lag. Wenn schon die Kernstadt Wien nicht an der Donau liegt, dann sollte das doch wenigstens mit dem Donaukanal wettgemacht werden. Neue Projekte wurden erkoren und dabei auch jener Fleck an der Spittelauer Lände entdeckt.

Fast zehn Jahre sind nun vergangen, seit Zaha Hadid im Dezember 1994 mit dem damaligen Planungsstadtrat Hannes Swoboda die kantigen Volumina präsentierte, die sich um die Stadtbahnbögen wickeln - ohne die denkmalgeschützten Relikte einer Jahrhundertwende-Architektur zu berühren oder auf der Oberkante der ehemaligen Stadtbahntrasse aufzusetzen. In typischer Hadid-Manier schweben sie. „Wohnen am Wasser“ lautet das für Wien seltene Motto. 18 Wohneinheiten werden verkauft, 16 werden als „temporäre Wohnungen“ zeitlich begrenzt vermietet, alle haben Blick auf den Donaukanal: ein besonderer Ort mit außergewöhnlichen Perspektiven - wie geschaffen für die expressive Architektursprache der von London aus agierenden Architektin.

Dem Bauvorhaben schien nichts mehr im Weg zu stehen, doch die Realisierung blieb aus. Das Projekt verschwand aus der Tages- und schließlich auch aus der Architekturpresse. Die Stadtverwaltung vertröstete. Dass der Hadid-Bau jetzt mit einem solchen Erfolg (siehe Warteliste) ganz ohne unmittelbare Medien- oder Vermittlerhilfe aufwartet, scheint auf den ersten Blick für sich zu sprechen - und für die Architektur. Architektur - ein Verkaufsschlager! Das Wien der Zukunft: eine ganze Stadt als Architekturausstellung?

Szenenwechsel: G-Town, die Wiener Gasometer. Vier ungewöhnliche Denkmäler der Industriearchitektur, umgebaut zu Wohnungen und mit einem markanten Aushängeschild versehen. Ein überaus erfolgreiches Unternehmen für Bauträger wie die Stadterneuerungs- und Eigentumswohnungs-GmbH (SEG), die sowohl die Gasometer von Jean Nouvel und Coop Himmelb(l)au als auch das Spittelau-Projekt von Zaha Hadid umsetzt.

Und was beim Bau von Zaha Hadid die Warteliste ist, sind beim Gasometer-Projekt die Verkaufszahlen: In der bewährten Dreierkombination von Stararchitekten, Lage und Preis haben sich die Gasometer-Wohnungen der SEG erfolgreich verkauft.

Was bedeutet das nun für die Architektur? Nicht jeder Jean-Nouvel-, Coop-Himmelb(l)au- oder zukünftige Zaha-Hadid-Wohnungsbesitzer ist ein empfänglicher Architektur-Connaisseur, der sich jahrelang durch die Lektüre von Architekturmagazinen auf dem Laufenden hielt, um schließlich seine Wohn-Entscheidung zu treffen. Aber geprägt vom aus der Mode gelernten Markenbewusstsein, erfüllt es so manchen offenkundig mit beträchtlichem Stolz, dass gerade er in einem „Marken“-Wohnbau lebt, einem Wohnbau, über den geschrieben, diskutiert und der in Zeitschriften abgebildet wird.

Die Stararchitektur ist ein nobler Markenartikel geworden. Und hier schließt sich der Kreis, denn dass es so weit kam, dass die Stararchitektur als „Marke“ auffällt und ihre Nachfrage steigt, ist letztlich Verdienst - und gleichermaßen Verantwortung - der (wie man sieht nicht immer überblätterten) Architekturkritik.

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