Bauwerk

IBM redesign DIANA
Rudolf Prohazka - Wien (A) - 2001

Alpenschauen am Kanal

Das umgestaltete IBM-Gebäude bescherte dem Donaukanal und dem Schwedenplatz nicht nur eine großstädtische Note, sondern auch einen Blick auf die Alpen. Dort oben wird derweil immer noch viel zu viel gebaut.

21. August 2002 - Jan Tabor
Obwohl er für ihn nichts entworfen hat, ist der Schriftsteller Franz Schuh dem Architekten Rudolf Prohazka dankbar. Schuhs Dankbarkeit ist gemeinnützig. Es ist die Dankbarkeit eines weltoffenen Innenstadtbürgers, der das Zeitgemäße nicht verachtet und das Überlieferte schätzt. Es ist die Verbundenheit eines urbanen Anrainers. Schuh wohnt am Franz-Josephs-Kai und sitzt gern im Schanigarten des Restaurants Salzgries. Von da und von dort aus und unterwegs dazwischen hat er die wundervolle Verwandlung des wohl hässlichsten ins wohl interessanteste zeitgenössischen Gebäude am Donaukanal beobachtet: die Generalsanierung des IBM-Gebäudes, Redesign Diana genannt.

Der Architekt des Umbaus, meint der dankbare Schriftsteller, habe „auf das Eingebürgerte des Hauses“ geachtet; das ursprüngliche Erscheinungsbild des Bürohauses habe er, Schuh, „durch tausendfachen Augenschein“ in Besitz genommen und auf diese Weise derart eingemeindet, dass es zu seiner Realität gehörte. Daher sei er Prohazka dankbar, dass der durch den Umbau diese seine Umgebungsrealität nicht zerstörte; dass der Architekt jene Wechselwirkung zwischen Erneuerung und Tradition angestrebt und erreicht hat, die es ihm nun ermögliche, das Haus weiterhin so zu sehen, wie es einmal war. Dabei aber gefallen Schuh die Bürohäuser - ein „etwas rohes, rigides Ensemble“, das in der Dianagegend wie „Zähne ohne Gebiss“ steht - nicht. Zu lesen ist Schuhs Text „Desk-sharing am Donaukanal. Beobachtungen eines Anrainers“ in der Informationsbroschüre „redesign Diana“. Sie ist anlässlich der Wiedereröffnung der umgebauten IBM-Österreich-Zentrale im Winter 2001 erschienen.

Die Generalsanierung des IBM-Gebäudes, das sich im Immobilienbesitz der Wiener Städtischen befindet, diese geniale Leistung des Architekten Rudolf Prohazka, wurde neulich mit dem „Wiener Stadterneuerungspreis 2002“ ausgezeichnet. Das ist insofern bemerkenswert, als man unter dem Begriff Stadterneuerung in Wien üblicherweise mehr oder weniger gelungene Instandsetzungen von Gebäuden versteht, deren jüngste aus der Jugendstilzeit stammen. Die Auszeichnung für einen exemplarisch einfühlsamen Umgang mit einem Gebäude aus den Siebzigerjahren, dessen architektonischer Wert höchstens in seiner Anschaulichkeit für die dieser Bauperiode eigene Präpotenz bestehen könnte, ist einzigartig und hocherfreulich.

Durch die Art, in der Rudolf Prohazka die Skelettkonstruktion des Baus von Georg Lippert aus dem Jahr 1970 mit einer Glashaut umhüllt und dem plumpen Bauwerk das Erscheinen von ephemerer Architektur verliehen hat, konnte er nicht nur das unmittelbare Erscheinungsbild des Gebäudes, sondern auch dessen städtebauliche Wirkung wesentlich korrigieren. Der Donaukanal und der Schwedenplatz, der markante Vorposten der in die Innenstadt vordrängenden Peripherie, haben die dringend erforderliche großstädtische Note erhalten. In diesem Sinn stimmt die Bezeichnung „Stadterneuerungspreis“ mit der Wirklichkeit der Auszeichnung für diesmal überein: Mit dem Umbau eines einzigen Gebäudes wurde tatsächlich ein ganzer Stadtabschnitt erneuert.

Bemerkenswert ist außerdem, dass in der Presseaussendung über die feierliche Preisverleihung die beiden involvierten Generaldirektoren genannt werden, der Architekt aber unerwähnt bleibt. Dafür erwähne ich den Namen jenes Architekten nicht, der vor nicht allzu langer Zeit den Norbert-Liebermann-Hof umgebaut hat. Dieses 1964 errichtete eigene Bürogebäude der Wiener Städtischen befindet sich unweit des IBM-Hauses, gegenüber dem zehn Jahre früher entstandenen Ringturm. Beide Gebäude wurden von Erich Boltenstern entworfen und bildeten ein architektonisches Ensemble.

Da der Ringturm unter Denkmalschutz steht, wurde er beim Umbau nach außen hin nur wenig verändert. Der einst sachlich und elegant wirkende Liebermann-Hof hingegen wurde einer postmodernistischen, offenbar durch das benachbarte Wehrhaus von Otto Wagner inspirierten Gesamtumgestaltung unterzogen; diese kann als Musterbeispiel dafür gelten, wie brutal und plump man mit wichtigen Bauten beziehungsweise mit Bauten von wichtigen Architekten der Nachkriegszeit umzugehen fähig ist. Boltenstern, der unter anderem die Staatsoper wiederaufgebaut hatte, war der Architekt des Wiederaufbaues schlechthin.

Aufschlussreich ist ebenfalls, dass in diesen beiden Fällen des paradigmatisch unterschiedlichen Umgangs mit Bauten, die erst dreißig bis fünfzig Jahre alt sind und gemeinhin als vogelfrei gelten, ein und derselbe Bauherr verantwortlich war: die Wiener Städtische.

Übrigens: Der Ausblick von der Terrasse des aufgestockten IBM-Hauses ist herrlich. Bei klarem Wetter, schwärmt der Architekt Prohazka, kann man sogar die Alpen sehen. Man kann auch den Schriftsteller Schuh sehen, der gegenüber im „Salzgries“ sitzt. Es wird viel zu viel gebaut. Überall. Auch in den Alpen.

In der Gesamtmasse betrachtet: Das neue Bauen in den Alpen unterscheidet sich vom neuen Bauen in den Nichtalpen oft nur dadurch, dass im ersten Fall im Hintergrund der ansprechend aufgenommenen Architekturfotos ein majestätischer Berg oder eine ganze Bergkette oder zumindest ein steiler Hang zu sehen ist.

In der Ausstellung „Neues Bauen in den Alpen: Großer Preis für alpine Architektur 1999“ im Ausstellungszentrum im Ringturm hängt an der Stirnwand ein dreizehneinhalb Schritte langes, schwarz-weißes Foto einer Hochgebirgskette, auf dem weit und breit kein Bau zu sehen ist. Die baulose Leere dieses überaus eindrucksvollen Panoramabildes lässt im Zusammenhang mit den Fotos der zahlreichen prämierten Bauten (29) zwei völlig entgegengesetzte Deutungen zu: Entweder - Auszeichnung hin oder her - sind die Alpen doch dann am schönsten, wenn dort nichts gebaut wurde. Oder, so die Gegendeutung, es kann weiter wie um die Wette gebaut werden, denn noch ist nicht alles verbaut.

Für den nach 1992 nun zum zweiten Mal vergebenen Preis wurden insgesamt 153 Bauwerke eingereicht. Sie alle werden auf einer Bildtafel gezeigt, die an der Rückseite einer Stellwand so versteckt ist, dass man sie leicht übersehen kann. Denn die Wahrheit über den wirklichen Zustand der Architektur erfährt man nicht von den ausgezeichneten, sondern von den abgelehnten Bauten. Man sieht: Es wird viel zu viel gebaut. Und viel zu unterschiedlich. Jeder Architekt hat eigene Ambitionen und, wenn er es schafft, eine eigene Handschrift. Es erscheint unmöglich, eine alpine Architektur - die dem Attribut alpin gemäß einen eigenständigen Stil bedeuten würde - aus den Einreichungen herauszufiltern. Die mittlerweile berühmte Therme, die Peter Zumthor 1991 in Vals in der Schweiz errichtete und für die er den Großen Preis für alpine Architektur erhielt, würde genauso gut ins Burgenland passen. Oder nach Wien, statt des schrecklichen Dianabades etwa. So wie sie ist. Und keinem würde einfallen, dass dies ein Paradefall guter alpiner Architektur ist. Gute Architektur passt überall gleich gut.

[ Die Ausstellung „Neues Bauen in den Alpen“ ist bis 27.9. im Ringturm zu sehen. ]

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