Bauwerk

spatial appropriation
HOLODECK architects - Wien (A) - 2006
spatial appropriation, Foto: Grazia Ike Branco
spatial appropriation, Foto: Grazia Ike Branco
spatial appropriation, Foto: Grazia Ike Branco
spatial appropriation, Foto: Grazia Ike Branco

Inseln im Raumfluss

Im alten Gemäuer einer Näherei fanden die Holodeck-Architekten nicht nur riesige Raum-fluchten vor, sondern auch wenig Tageslicht. Durch geschickte Kunstgriffe wurde daraus ein hell durchströmtes Loft, in dem alles fließt: die Räume, die Wände, die Sonnenstrahlen.

15. September 2007 - Isabella Marboe
Ein Zeitungsinserat führte den Herrn zur alten Hosenfabrik in Ottakring. Nicht etwa ein Hosenkauf kündigte sich an als vielmehr der Kauf eines atemberaubenden Lofts. Ein findiger Baumeister hatte dort die Näherei im ersten Stock geteilt und zu zwei verkaufbaren Lofteinheiten hochgerüstet. Die Bausubstanz des Gemäuers stammt aus dem Jahr 1895, bis heute ziehen die Stahlträger des Platzlgewölbes ihre Bahnen über die 3,50 Meter hohe Decke. In späteren Jahren wurden die Außenmauern durchbrochen und um einen etwas höheren Zubau erweitert.

Da stand der Bauherr nun zwischen einer Sichtziegelmauer und den Gipskartonwänden der alten Sanitärgruppe. Dem spezifischen Charme der zwei ungleich hohen Lofthälften erlag er sofort, die trüben Lichtverhältnisse aber weckten seine Skepsis. Und so konsultierte er vorm Kauf zur Sicherheit das Architekturbüro Holodeck. Was ihn erwarten würde, wusste er bereits - sein bester Freund bewohnte schon seit Jahren ein spaciges Raumkontinuum, das seinerzeit von Holodeck'scher Hand geschaffen worden war.

Marlies Breuss und Michael Ogertschnig, die beiden Köpfe von Holodeck, wollten es genau wissen und ließen ihren zukünftigen Bauherrn ein Piktogramm seines Tagesablaufs zeichnen, um die wahren Wohnbedürfnisse zu ergründen. Die Strategie führte ans Ziel. Der Bauherr musste der Bewegung viel Raum geben, seine Ruhe hingegen wollte er am Kamin und im Schlaf finden. Außerdem brauchte er genügend Stauraum und einen Bereich für Gäste.

„Wir wollten das Loft näher zum Lichteinfall und an die frische Luft bringen“, sagt Marlies Breuss. Im Nu verlor der Zubau daher seine Außenwand und wurde um ein Segment gekürzt. Unter dem Dachflächenfenster des Pultdachs wurde einem Extra-Stück Terrasse Platz gemacht. Den unmittelbar angrenzenden Bestand, der nicht abgetragen wurde, teilt sich nun der Schlafbereich und die Pflanzenoase. „Der Wintergarten war eine geniale Idee. Ich finde es sehr angenehm, dass man bei Regen draußen sitzen kann“, sagt der Bauherr. Durch die Glasfassade an der Terrasse strömt das Loft nun weit ins Freie, die Sonne im Gegenzug dringt tief in das Loft hinein.

Am Eingang verbindet sich der erste Mauerpfeiler mit einem prägnanten Multifunktionsmöbel aus weißen MDF-Platten. Im Vorraumbereich fungiert es als Garderobe mit Ablage und Schuhkasten, dem Wohnen hingegen reckt die Möbelstele ein schwebendes Stehpult entgegen, wo der Bauherr mit Blick über sein Reich frühstückt. „Ich genieße diese Weitläufigkeit“, sagt er.

Wände in Bewegung

Bis auf die Außenmauern gibt es hier keine Wände. Organisch geformte, von der Decke abgehängte Laufschienen definieren unterschiedliche Rauminseln, auf denen man dem geistigen und körperlichen Wohlbefinden frönen kann. Bodenlange, milchweiße Planen bilden flexible Grenzen, die je nach Intimitätsbedarf starr abgrenzen oder verschwimmen. Der Boden ist durchgehend aus dunklem, geöltem Wengeholz. Selbst über den Badewannensockel wurde das Holz gestülpt. „Mir war die Perspektive wichtig“, sagt der Bauherr, „beim Baden kann ich nun zum Kamin hinübersehen.“

Alles fließt: Das Waschbecken dockt am Mauerpfeiler an, keck verleibt sich die Plastikplane das Stück Wand ein, um dahinter Stauraum zu verstecken. Der Herdblock steht frei im Raum, der Tisch kann auf Rollen gefahren werden. Hinter den Epizentren verdichteter Aktivität buchten sich weiße Wandverbauten aus der Mauer. Zieht man die Planen zu, wird der Zwischenraum zum Gästezimmer.

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