Bauwerk

Ehrenmal der Bundeswehr
meck architekten - Berlin (D) - 2007

Eine Frage der Zumutungen

Das Ehrenmal für die Bundeswehr-Toten

23. Juni 2007 - Joachim Güntner
Kämpfen, töten, sterben - ein Soldat muss mehr können als nur dies, aber die Anforderung, für Gewalt und Tod bereit zu sein, unterscheidet die soldatische Existenz dramatisch von der zivilen. Wie lebensgefährlich das Soldatenleben ist, davon durfte ein deutscher Wehrpflichtiger lange Zeit getrost abstrahieren. Der Kalte Krieg blieb kalt, und wenn der Dienst in der Bundeswehr Tote forderte, so waren dies meist Unglücksfälle. Doch seit die deutsche Armee zu militärischen Einsätzen ins Ausland verschickt wird, mehrt sich die Zahl derer, die Opfer von Kampfhandlungen werden. Als im Dezember 2000 der damalige Verteidigungsminister die Parole ausgab, die Sicherheit der Bundesrepublik werde «auch am Hindukusch verteidigt», war das nicht nur eine Strapazierung des Grundgesetzes, das die Bundeswehr auf defensives Agieren verpflichtet. Es besagte zudem: Deutsche Soldaten werden künftig wieder häufiger kämpfen - und sterben.

Der Blick geht nach vorn

Wie ein Siegel auf diese Botschaft wirkt jetzt, dass das vereinte Deutschland ein zentrales Ehrenmal für die Toten der Bundeswehr erhalten soll. Die geplante Inschrift beschwört die Verbundenheit des Staatsvolks mit seinen Waffenträgern und erklärt, was einst Tod fürs Vaterland hiess, zum Dienst am Wertekanon der Republik: «Den Toten unserer Bundeswehr - Für Frieden, Recht und Freiheit.» Diese Formulierung ruft die früheren und, was Hervorhebung verdient, die künftigen Toten gemeinsam auf. In Kabul, vor dem Ehrenhain für die Getöteten der Internationalen Schutztruppe, soll dem damals frischgebackenen Verteidigungsminister Jung im Dezember 2005 der Gedanke zu einem Bundeswehr-Ehrenmal gekommen sein. Mittlerweile ist die Zahl seiner Soldaten, die in Afghanistan ihr Leben liessen, auf 21 gestiegen. Jung hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, das Mandat für den Kampf wider die Taliban zu verlängern. Der Blick geht nach vorn, auch beim Ehrenmal.

Bisweilen wird so getan, als habe nach der Diskreditierung, die das Militär durch den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg erfahren hat, sich in Deutschland niemand mehr getraut, den eigenen toten Soldaten überhaupt noch Denkmäler zu setzen. Doch das stimmt nicht. Die Studentenbewegung war kaum verebbt, in Bonn regierte eine sozialliberale Koalition, da wurde 1972 in der Festung Ehrenbreitstein, oberhalb von Koblenz, das «Ehrenmal des deutschen Heeres» eingeweiht. Die Gedenkstätte, eine Mauernische mit einer liegenden, einen toten Soldaten darstellenden Figur, war eher bescheiden und ist dies bis heute geblieben, obgleich eine spätere Überarbeitung das Kantige verstärkte und aus der ursprünglichen Inschrift die Mahnung zum Frieden tilgte.

Von zwei Eigenschaften des Koblenzer Gedenkortes setzt sich das neue Ehrenmal erkennbar ab: Statt in der Provinz wird es sich in der Hauptstadt befinden, also als «zentrales» Bekenntnis fungieren. Und es ist nicht mehr das Resultat einer Retrospektive auf die beiden Weltkriege. Seine Zeit ist das Jetzt. Damit wird es zum Symbol für das Verständnis, welches die deutsche Gesellschaft von ihren Soldaten besitzt. Verteidigungsminister Jung führte den Ehrenmal-Wettbewerb im Geheimen durch und präsentierte der Öffentlichkeit bloss noch das Ergebnis. Er vertat die Chance zu einer Diskussion, erntete Beifall, aber auch Widerspruch.

Strittig ist nicht die Ästhetik. Der Entwurf des Münchner Architekturbüros Meck, den die Findungskommission ausgewählt hat, sieht einen vierzig Meter langen und zehn Meter hohen Baukörper vor. Aufgelöst wird das Massiv dieses Riegels dadurch, dass ihn eine «filigran durchbrochene Bronzehaut» umhüllt. Das Filigran entsteht durch Ausstanzungen, deren Form den halben Erkennungsmarken entspricht, die getöteten Soldaten abgenommen werden. Das Innere des Raums ist schwarz, ein Ort der Stille, aus dessen Boden das eigentliche Ehrenmal erwächst, ein Kubus aus Nagelfluh, auf dem Blumen und Kränze abgelegt werden können. Das alles hat nichts von militaristischem Stiefelknallen.

Streit um den Standort

Strittig ist die Lage, die unmittelbare Nähe zum sogenannten Bendlerblock, wo der Widerständler des 20. Juni gedacht wird. Wäre, wie vielfach eingewendet wurde, eine Positionierung am Reichstag nicht angemessener? Schliesslich ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee, über ihren Einsatz entscheidet der Bundestag. Oder muss man sich den zeitgemässen Bundeswehrsoldaten als verkappten Widerständler vorstellen? Der Platz am Bendlerblock drücke «die Hoffnung aus, dass Soldaten auch heute nicht nur Schiessknechte der Regierenden sind, sondern verantwortlich denkende Persönlichkeiten», lobte die «FAZ». Das würde allerdings implizieren, dass Soldaten die Zumutung, ihr Leben bei Bedarf in die Bresche zu werfen, auch immer wieder in Frage stellen. Wünscht man das wirklich? Ginge sie an die Essenz, wäre die Ehrenmal-Diskussion als Debatte darüber zu führen, welche staatsbürgerlichen Pflichten man in postheroischen Zeiten noch für angemessen hält. Ans soldatische Selbstopfer aber, ans Töten und Sterben, kann ein Verteidigungsminister schwerlich rühren.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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