Bauwerk

Musiktheater Linz
Terry Pawson, archinauten, Architektur Consult - Linz (A) - 2013
Musiktheater Linz, Foto: Dirk Schoenmaker
Musiktheater Linz, Foto: Helmut Lackner
16. Mai 2013 - afo
Das im Frühjahr 2013 eröffnete neue Musiktheater in Linz soll nicht nur die Kulturlandschaft der oberösterreichischen Landeshauptstadt um eine weitere Spielstätte bereichern, sondern auch dem Stadtraum zugute kommen. Im Sinne des britischen Architekten Terry Pawson sollte dieser Bau mehr als ein reines Opernhaus sein, sozusagen „ein neues Wohnzimmer für die Stadt“.
Nach der Gründung des „Vereins der Freunde des Linzer Musiktheaters“ wurde 1984 erstmalig der Wunsch nach einem neuen Opernhaus formuliert. Nach 20 Jahren und mehreren Projektanläufen an unterschiedlichen Standorten wurde im Jahr 2004 der Bauplatz am bahnhofsnahen Volksgarten auserkoren, für welchen ein europaweiter Architekturwettbewerb ausgeschrieben wurde, aus dem im April 2006 der Beitrag von „Terry Pawson Architects“ als Sieger hervorging. Während das Einreichverfahren lief, wurde Ende 2008 seitens der Errichtergesellschaft Musiktheater Linz GmbH ein österreichisches Architekturbüro gesucht, das die gesamte Ausführungsplanung, die Detailplanung für Innen- und Freiraum, Licht und Akustik sowie das Interior Design übernehmen sollte. Aus der öffentlichen Ausschreibung ging das Unternehmen „Architektur Consult - Eisenköck, Halm, Peyker, Schwed, Zinganel“, welches sich gemeinsam mit dem Linzer Büro „Archinauten - dworschak + mühlbachler architekten“ beworben hatte, als Sieger hervor.

Die in Pawsons Konzept angestrebte Integration des Bauwerks ins Linzer Stadtgeschehen wurde durch Verlegung der ehemaligen Blumauerstraße erreicht. Von der Parkanlage kommend gelangt man über eine breite, erhöht liegende und über eine Freitreppe zugängliche Plattform zum westseitigen Haupteingang.
Süd- und Ostfassade gehen in einer Rundung ineinander über und haben eine Gesamtlänge von 200 Metern. Um die gestalterische Idee eines „umlaufenden Vorhangs“ an der Fassade umzusetzen, ist den eigentlichen Gebäudemauern ein Stahlbetonfachwerk vorgelagert. Durch dessen vertikale Rasterung und das unregelmäßige Wechselspiel zwischen offenen und mit Steinverkleidung ausgefachten Feldern wird an der Fassade Spannung erzeugt und gleichsam deren Länge entschärft. Fensteröffnungen konnten nach Bedarf gesetzt werden, ohne den Duktus der Fassade zu beeinträchtigen. In der Größe des neuen Linzer Opernhauses liegt auch seine Effizienz, da neben dem Bühnen- und Zuschauerraum sämtliche Produktionswerkstätten, Depots, Proberäume und Nebenbühnen unter einem Dach vereint sind. Die unterschiedlichen Bauteile sind dabei schalltechnisch völlig voneinander getrennt, um die parallele Nutzung ihrer jeweiligen Funktion entsprechend zu gewährleisten. So kann in der Montagehalle, die an die Hinterbühne anschließt, ein Bühnenbild aufgebaut werden, während auf der Hauptbühne selbst eine Vorstellung gegeben wird. Da auf dem Spielplan nicht nur klassische Oper und Ballett, sondern auch Operette, Musical und Orchestervorstellungen stehen, muss die Gleichzeitigkeit von Produktion und Darstellung gegeben sein.

Den Kern des Gebäudes bildet die im Durchmesser 32 Meter große Transport-Drehbühne mit den erwähnten Annexräumen und dem Zuschauerraum. Südostseitig liegen Werkstätten und Büros, nordseitig die Künstlergarderoben und Proberäume sowie eingeschnittene, mit einem Glasdach versehene Lichthöfe. Die Anlieferung erfolgt an der Nordostseite. Im aufgesetzten Terrassengeschoß befinden sich die Büroräume der Verwaltung, die Kantine und das öffentliche Restaurant, das unabhängig vom Opernbetrieb über ein eigenes Stiegenhaus zugänglich ist und über der Loggia beim Haupteingang ebenfalls zum Park hin ausgerichtet ist. Den Theaterbesuchern stehen Parkplätze im zweiten und in einem Teilbereich des ersten Untergeschoßes zur Verfügung. Im ersten Untergeschoß sind außerdem unter anderem Unterbühne, Orchestergraben, Instrumentendepot und Zimmer zum Stimmen der Instrumente untergebracht. Ferner gibt es zwei zusätzliche Aufführungssäle, die über ein unterirdisches Foyer separat zugänglich sind. Die Studiobühne „Blackbox“ ist trapezförmig und soll für mannigfaltige Zwecke von Kindertheater bis Modern Dance genutzt werden können. Der „Große Orchesterprobesaal“ hingegen ist so wie die Balkone im großen Auditorium in Goldoptik gehalten und dient mit seinem angeschlossenen Studio auch als Raum für Musikaufnahmen sowie als Spielstätte für konzertante Aufführungen wie Kammermusikabende.

Der Besucher betritt das Opernhaus über diese niedrig gehaltene Eingangshalle, in der die Tageskassen, das Café und ein Shop untergebracht sind. Eine breit angelegte Treppe führt einen Halbstock hinauf, wo sich der Raum nach oben bis zu einer Oberlichtverglasung weitet. Die Stiege setzt sich links und rechts vom Podest aus fort und mündet in das Hauptfoyer im ersten Stock. Von hier aus wird das Auditorium erschlossen. Der Zuschauerraum selbst ist als Rangtheater konzipiert, um von allen 970 (bis max. 1.180) Plätzen aus eine optimale Sicht zu gewährleisten. Erstmalig bei einem Opernhaus wurden innerhalb des Saales Verbindungstreppen zwischen den einzelnen Rängen hergestellt, was nicht nur räumliche Durchlässigkeit erzeugt, sondern sich auch auf die Akustik positiv auswirkt. Der helle Farbton der Travertinplatten und die dunkle Färbung der Messingpatina an der Fassade werden als formale Elemente auch im Inneren des Opernhauses eingesetzt. „Architektur Consult“ und „Archinauten“ wählten als Bodenbelag im Eingangsfoyer einen geschliffenen, hellen Untersberger Marmor, der sich auch über die Treppen zieht. Die Wände sind in dunklem, leicht rötlichem Holz gehalten: Gedämpftes Akazienholz wird vertikal in Lamellenform als semitransparenter Raumteiler eingesetzt und teilweise den Wänden und im Hauptfoyer im Obergeschoß auch der Decke vorgeblendet. Hier ist auch der Boden mit hellen Eichendielen belegt. Diese Materialien ziehen sich bis ins Auditorium, die Schale aus matten Holzoberflächen wird dort allerdings durch die Balkons kontrastiert, die golden schimmern. Sie sind mit einer glatten Oberfläche aus Flüssigmetall versehen, die anders als die klassische Vergoldung diffus schimmert. Schmal dimensionierte, goldene Metallstäbe sind vertikal vom Boden bis zur Decke gespannt und erzielen die Wirkung eines Perlenvorhangs. Somit findet sich auch hier ein „Vorhang“, der sich als gestalterisches Leitmotiv von der Fassade bis in das Herzstück des Musiktheaters, das Auditorium, zieht. (gekürzter Text: Judith Eiblmayr)

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