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Details

Adresse
Am Volksgarten 1, 4020 Linz, Österreich
Architektur
Terry Pawson
Mitarbeit Architektur Terry Pawson
Gustav Ader, Nigel Bailey, Patrick Haymann, Raoul Kunz, Joanna Malitzki, Wolfgang Malzer, Chris Milan, Stefan Ohler, Terry Pawson, Christof Pernkopf, Sebastian Reinehr, Maria Reinehr, Edith Steiner, Tobias Stiller, Pierre Thielen, Andreas Weber
Mitarbeit Architektur / 44 archinauten
Yann Riedel, Erika Brunnermeier
Mitarbeit Architektur / 44 Architektur Consult
Markus Klausecker, Bernhard Anderl, Verena Boyer, Elisabeth Brauner, Juan Corena, Sören Fleischhauer, Eva Gugerbauer, Johannes Hiebl, Dinah Hohl, Martina Kalteis, Monika Lyzyczka, David Nikolic, Ernst Plank, Martin Priehse, Heike Sadler, Manfred Schuster, Thomas Siegl, Ralph Steffek, Herwig Stern, Angelika Viertler, Christoph Wassmann, Murat Yükseltan, Isabel Zapata. Karin Brand, Peter Lumesberger, Carina Burgstaller, Sabrina Obereder, Florian Rizek, Theresa Sablatnig, Tetiana Zinchuk
Bauherrschaft
MTG – Musiktheater Linz GmbH
Tragwerksplanung
Schimetta Consult
Landschaftsarchitektur
Land in Sicht (Thomas Proksch)
örtliche Bauaufsicht
SPIRK + Partner
Lichtplanung
Kress & Adams
Weitere Konsulent:innen
Licht- und Tontechnik Bühne: GCA Ingenieure AG
Werkstätten- und Lagerplanung: stagedream Wien
Gastroplanung: Netzwerkgruppe, Wögerer GmbH
Geologie: Oliver Montag, Leonding
Klangfoyer: Ars Electronica Center Linz
Baukoordination: Tricon Linz
Explosionsschutz: Schreiner, Linz

Frühere Phase des Projekts:
Tragwerksplaner: ARUP
Akustiker: Kahle Acoustics
Fachberater Fassade: Bruce Briggs
Elektromagnetische Störungen: AEC
Wettbewerb
2005
Planung
2005
Ausführung
2009 - 2013
Eröffnung
2013

Archfoto

Karte

Presseschau

6. April 2013 Wojciech Czaja
Der Standard

Linzer Musiktheater: Ganz große Oper

Kommenden Freitag wird in Linz das neue Musiktheater eröffnet. Das riesige Gebäude ist in erster Linie riesig und in zweiter Linie voller Überraschungen

„Dort! Ein Licht!“, sagt der eine. „Ein Haus!“, entgegnet der andere. Dies sind die ersten Worte von Philip Glass' Oper Spuren der Verirrten, die kommenden Freitag zur Eröffnung des Linzer Musiktheaters im Großen Saal uraufgeführt wird. Es geht um ziellos herumirrende Gestalten auf der Bühne, um Zuschauer, Protagonisten und Passanten. Glaubt man den Worten David Pountneys, der für die Inszenierung des Verirrungsdebüts verantwortlich ist, „so wissen wir nicht, wo wir herkommen, und schon gar nicht wissen wir, wo wir hinwollen.“

Schon ist über das neue Musiktheater am Rande des Volksgartens, nur wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt, alles gesagt. Man kann sich kaum erklären, wie dieses enorme, megalomanische Bauwerk mit seinen 150 Metern Länge zustande kam. Und schon gar nicht hat man eine Erklärung dafür, wie die neue Spielstätte mit ihren mehr als 1700 Sitzplätzen und ihren zahlreichen Nebenbühnen in den noch viel zahlreicheren Pausenfoyers in Zukunft kontinuierlich bespielt werden soll.

„Stimmt schon, das ist ein großes Gebäude“, sagt Reinhard Mattes, Landeskulturdirektor Oberösterreich, dem Standard, „aber wir haben mit diesem Haus auch Großes vor. Erstmals gibt es in Linz ein Opernhaus für große Inszenierungen, von Operetten über Musicals und Ballett bis hin zu großen Opernproduktionen. Wir rechnen mit einem Einzugsgebiet mit 300 Kilometern Radius.“ Das wird man auch brauchen. Denn mit knapp 11.000 Quadratmetern Grundfläche ist das Linzer Musiktheater gerade mal um ein paar Ecken kleiner als die 1875 eröffnete Opéra Garnier in Paris. Das ist ein Statement.

30 Jahre Geschichte, ein Drama

Mehr als 30 Jahre lang reichen die Pläne für ein Linzer Opernhaus zurück. Das Vorgängerprojekt „Oper im Berg“ vom Wiener Architekten Otto Häuselmayer befand sich bereits in Bau, als die FPÖ im November 2000 eine Volksbefragung machte und das gesamte Bauvorhaben auf einen Schlag zu Fall brachte. „Mir hat der Baustopp damals extrem leidgetan“, meint Mattes, „doch heute im Vergleich sehe ich, dass das neue Musiktheater architektonisch und funktionell eindeutig die bessere Lösung ist.“

Tausende von Dirigenten waren an der Planung dieses Gebäudes beteiligt. Der Grundentwurf geht auf den britischen Architekten Terry Pawson zurück, der aus dem 2006 ausgeschriebenen Architekturwettbewerb mit einem zeitlos eleganten Projekt als Sieger hervorgegangen war.

Sein Fehler: Den Bauherren, Stadt Linz und Musiktheater Linz (MTL) GmbH, schlug er eine Fassade aus verrosteten Stahlplatten vor. Der oberösterreichischen Landeshauptstadt, die sich von ihrem staubigen Voest-Charme schon seit Jahren mit aller Kraft zu trennen versucht, war diese Lösung ein Dorn im Auge. Alles, nur kein „Klotz mit Rosthülle“ (O-Ton Josef Pühringer)! Die Kompromisse gestalteten sich schwierig. Abgang Pawson.

Auftritt Architektur-Consult (Wien, Graz, Klagenfurt) und Archinauten (Linz). Die beiden österreichischen Büros übernehmen von nun an die Planung. Unzählige Fassadenentwürfe werden erarbeitet, erst nach etlichen Varianten ist eine Lösung gefunden, die auch Landeshauptmann Pühringer zufriedenstellt: Beton, Travertin und dunkles, fast schwarzes vorpatiniertes Messing. Allein, die rund ein Meter dicke Außenwandkonstruktion wirkt sich auf die Zartheit des Gebäudes nicht gerade begünstigend aus.

„Die Fassade ist der Idee eines umlaufenden Vorhangs nachempfunden“, erklärt Architekt Christian Halm, Projektleiter bei Architektur-Consult, kleines, schelmisches Grinsen inklusive. „Die hellen Betonpfeiler kann man im weitesten Sinne als Faltenwurf eines Vorhangs betrachten. Aber das ist Interpretationssache.“ Tonnenschwer hängen zwischen den 698 Lisenen aus Weißzement gespaltene, gebrochene Platten aus italienischem Travertin. Das Bildmetapher eines wollig weichen Bühnensamtes ist fast überzeugend. Ende des ersten Aktes. Pause.

Da kommt Deus ex Machina!

Bis zu diesem Zeitpunkt ist das neue Linzer Opernhaus eine dramatische Enttäuschung, ein stadtplanerisches und gestalterisches Malheur in Übergröße. Kostenpunkt: 150 Millionen Euro (nicht indexiert, Stand 2006). Doch mit dem Eintreten ins Innere offenbart sich auf einmal, wie aus dem Nichts, eine wohltemperierte Material- und Detailsymphonie, die das Auge für alles bisher Gesehene gebührlich entschädigt. Hier ist den Architekten ein Deus ex Machina geglückt.

Da fügen sich Eichenböden und gedämpfte Akazie zu einer feinen Terz aus Hell und Dunkel, da wird hochglanzpolierter Untersberger Marmor mit kleinen, feinen Accessoires aus matt poliertem Messing kombiniert. Und immer wieder Rauchglas und feines, mondänes Seventies-Flair. Fehlt nur noch Cord und moccabrauner Hahnentritt.

„Wir wollten keine schreierische Architekturikone bauen“, meint Andreas Dworschak, Projektleiter bei den Linzer Archinauten. „Stattdessen wollten wir ein Theater schaffen, das viele Jahrzehnte Gültigkeit bewahren kann. Der Stil ist klassisch, pragmatisch, zurückhaltend. Ich denke, man könnte die Innenraumgestaltung als britisches Understatement bezeichnen.“

Highlight im Foyer ist, neben weiteren Kunstwerken von Klaus Pinter und Oliver Dorfer, die Riesenorgel Tangosaurus des Grazer Künstlers Constantin Luser. Die in die Holzwand integrierte Klanginstallation aus hübsch geführten Messingleitungen wird mit Druckluft gespeist und bittet auf diese Weise das Publikum mit wunderbarem Klang, sich in den Saal zu begeben und die Plätze einzunehmen.

Der Weg dorthin ist eine Freude. Der Große Saal, der je nach Bestuhlung zwischen 970 und 1250 Sitzplätze fasst, gleicht einer dunklen Nussschale mit knallroten Plüschfauteuils und güldenen Rängen rundherum. Die Farbe ist eigentlich eine Flüssigmetallbeschichtung aus 90 Prozent Metall und zehn Prozent Bindemittel. Die Beschichtung, für die erst ein Fertigungsunternehmen mit entsprechenden Qualifikationen gesucht werden musste, war ein Experiment - gelungen.

Und über allem hängt die Neuinterpretation eines klassischen Lusters, eine Art Licht-Donut mit Kunststoffmembran und 48.000 LEDs. Der Saal ist großes Theater.

Alles unter einem Dach

„Doch die wahre Besonderheit dieses Saals ist die Erschließung“, sagt Dworschak, „die Auf- und Abgänge zu den einzelnen Rängen befinden sich nämlich alle innerhalb der Saalmauern. Dadurch entsteht ein räumliches Ganzes, in dem die Musik bis in die letzten Stiegenecken vordringt.“ Dem Klang tut dies keinen Abbruch. Die Akustikplanung stammt von Bernd Quiring, der auch schon den Konzertsaal der Wiener Sängerknaben und das kürzlich eröffnete Festspielhaus Erl geplant hatte.

Letzte Szene. Was bleibt, ist der Eindruck eines überdimensionalen Opus magnum, an das man sich nicht und nicht gewöhnen kann. Doch zur Rechtfertigung sei gesagt, dass die Größe nicht zuletzt auch ein geschickter infrastruktureller Schachzug für Linz ist. Erstmals in der Geschichte der Stadt werden Theater, Produktion, Werkstätten und Depot zentral gebündelt und unter einem Dach vereint. Es gibt Produktionssäle für Tischler, Schlosser, Maler, Näher und Kaschierer. Damit wird die Logistik in Zukunft einfacher und billiger.

Für die Besucher ändert das nichts. Spurlos werden sie weiterhin in der Verirrung herumwandern und ob der schieren Orientierungslosigkeit den Kopf schütteln. Philip Glass. Letzter Auftritt der Passanten. „Wo sind wir?“ Vorhang fällt.

Eröffnung am Freitag, 12. April: „Spuren der Verirrten“ von Philip Glass. Text: Peter Handke. Libretto: Rainer Mennicken. 19.30 Uhr, Großer Saal.

Zur Eröffnung ist ein Buch erschienen: „Am Volksgarten 1: Musiktheater im Aufbruch“, herausgegeben von Dennis Russell Davies, Thomas Königstorfer und Rainer Mennicken. Mit Texten von Terry Pawson, Dieter Bartetzko, Elke Heidenreich u. a. Verlag Anton Pustet. 176 S., 29 €

30. März 2013 Ljubisa Tosic
Der Standard

Räume für Klangträume

Ein Blick auf die Musikbauten der letzten Jahre

Dafür, dass zurzeit immer noch von der heikelsten Schulden- und Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte gesprochen wird, ist es erfreulich, dass kulturbaulichen Aktivitäten überhaupt zu vermelden sind: Da gibt es in Wien sogar mit dem Muth einen Konzertsaal für die reisefreudigen Sängerknaben (Kosten: 15 Millionen Euro). Und in Erl eröffnete unlängst schon ein Opernhaus (Kosten: 36 Millionen), das Dirigent Gustav Kuhn die Möglichkeit bietet, auch im Winter ein Opernfestival zu veranstalten.

Blickt man zeitlich weiter zurück, wirkt die Menge der Neuheiten ebenfalls respektabel: Da gab es 2006 in Salzburg die Umwandlung des kleinen Festspielhauses in das Haus für Mozart (um 29 Millionen Euro). Da gab es 2004 die Errichtung der vier neuen Säle im Wiener Musikverein (mit fünf Millionen gesponsert von Frank Stronach, nachdem Financier Alberto Vilar ausfiel). Und für das Franz-Liszt-Festival in Raiding wurde 2006 auch ein Konzertsaal (um 6,8 Millionen) errichtet.

Genannt werden muss natürlich Grafenegg in Niederösterreich: In eine aparte Parklandschaft wurde 2007 mit dem Wolkenturm eine Freiluftbühne hineingesetzt. Um bei Wetterproblemen nicht Konzerte absagen zu müssen, kam 2008 (um 20 Millionen) auch noch ein Konzertsaal hinzu, das Auditorium Grafenegg. Zu erwähnen wären auch der Angelika-Kaufmann-Saal im Vorarlberger Schwarzenberg und der Kristallsaal auf Schloss Rothschild in Waidhofen an der Thaya, den Hans Hollein entworfen hat. Blickt man nach Deutschland, findet man auch Spannendes: In München kämpft Dirigent Mariss Jansons um die Errichtung eines Konzertsaals für sein Orchester des Bayerischen Rundfunks. Und in Hamburg wird - so nicht weitere Verzögerungen eintreten - 2017 die Elbphilharmonie eröffnet, bei welcher der ehemalige Wiener Konzerthaus-Chef Christoph Lieben-Seutter erhebliche Geduld beweist. Man wollte 2010 eröffnen, die Baukosten beliefen sich einst auf 186 Millionen Euro. Nun ist man bei 575 Millionen.

Linz hat es jedenfalls geschafft. Jetzt muss „nur noch“ auch inhaltlich alles funktionieren - das Mehrspartenhaus muss sein Publikum finden. Dass es eine Weile dauern kann, bis das passende Konzept implantiert ist, zeigte St. Pölten: Dessen 1997 errichtetes Festspielhaus schlitterte bald nach der Eröffnung in eine Krise, die aber längst überwunden ist.

30. März 2013 Kerstin Scheller
Der Standard

Vom „rostigen Klotz“ zum „Jahrhundertbau“

Am 11. April eröffnet das neue Linzer Musiktheater - nach 35 Jahren politischem Kleinkrieg. Entstanden ist nicht der von manchen befürchtete Betonbunker, sondern ein lichter Bau. Jetzt hofft die Stadt auf weitere städtebauliche Impulse.

Es war ein unvergleichlich kurioser Akt oberösterreichischer Kulturgeschichte: die Entstehung des neuen, 1700 Besucher fassenden Musiktheaters in Linz. Jahrelange politische Querelen, eine Volksbefragung, eine mühsame Standortsuche und Architektenprobleme waren die Begleitmusik. Wenn sich am 11. April zum ersten Mal der Vorhang in dem neuen Haus hebt, wird dieses Trauerspiel endlich beendet sein, gedauert hat es 35 Jahre.

Vier Tage lang wird feierlich die Eröffnung zelebriert. Der Höhepunkt: die Auftragsoper von Philip Glass nach dem gleichnamigen Stück Spuren der Verirrten von Peter Handke, inszeniert vom Bregenzer Festspielintendanten David Pountney. Der Linzer Musiktheaterchef Rainer Mennicken schrieb das Libretto.

Am südlichen Ende der Linzer Innenstadt, auf der sogenannten Blumau, steht das neue Opernhaus nach den Plänen des Londoner Architekten Terry Pawson: „Kein Klotz mit Rosthülle“, wie Landeshauptmann Josef Pühringer befürchtete, sondern eine lichte Hülle mit Rastern aus hellem Sichtbeton und Kalkstein, gewaschen, sandgestrahlt und poliert. Pawsons ursprünglicher Entwurf einer dunklen Fassade mit rostigem Stahl stieß nicht nur beim Bauherrn, dem Land Oberösterreich, auf Ablehnung. Die Idee fiel auch beim Gestaltungsbeirat der Stadt Linz durch.

Inzwischen spricht Pühringer nur noch von einem „Jahrhundertbau“; dass das Haus ausgerechnet an jenem Ort entstanden ist, an dem auch Hitler eine Oper bauen lassen wollte, nimmt er gelassen: „Ein Theater als Ort der Toleranz, der Freiheit und der Freude kann heute durchaus als historische Antwort auf die damaligen Pläne gesehen werden.“

Städtebaulicher Glückstreffer

Die Stadt Linz bezeichnet das Haus auf der Blumau gar als „Glückstreffer“. „Städtebaulich aktivierend und für die Stadtentwicklung Impulse setzend“, sagt Planungsstadtrat Klaus Luger (SPÖ). Die Geschäftsleute der Innenstadt sprechen von einem „Geschenk“, jetzt erhalte Österreichs Einkaufsstraße Nummer zwei, die Linzer Landstraße, einen „würdigen Endpunkt“. Mit der Konsequenz, dass sich der heruntergekommene Südteil der Landstraße herauszuputzen beginnt.

Das schlägt sich bereits in den Immobilienpreisen nieder. Mit einer Preissteigerung von mindestens fünf Prozent rechnen die Makler. 3600 Euro kostet der Quadratmeter in einer neu errichteten Stadtwohnung mit Blick auf die Oper.

Die Suche nach dem „richtigen“ Standort hatte den aus künstlerischer Sicht mehr als notwendigen Neubau um Jahrzehnte hinausgezögert. Bereits 1977 hatte Landeshauptmann Josef Ratzenböck erstmals die Idee für ein neues Haus präsentiert. Aber erst 1992 kam es zu einem einstimmigen Ja im Landtag. Zwei Jahre später schien der Neubau in greifbarer Nähe, das Projekt „Theater im (Schloss-)Berg“ wurde vorgestellt. Die Arbeiten waren bereits angelaufen, als die Verantwortlichen der Landespolitik ein blaues Wunder erlebten: Eine Volksbefragung der FPÖ brachte das Theaterprojekt im Berg zu Fall. Knapp 60 Prozent stimmten gegen den Bau, 18 Millionen Euro Vorbereitungskosten waren damit die Donau hinabgeflossen.

Es folgten Jahre des politischen Hickhacks: Urfahraner Jahrmarktgelände, Donaupark zwischen Lentos und Brucknerhaus, Hessenplatz oder Blumau - zwischen den Landtagsparteien schien keine Einigung über den Standort in Sicht. 2004 einigten sich dann ÖVP, SPÖ und Grüne, 2006 gewann Pawson den Architektenwettbewerb für das Haus auf der Blumau.

Kein blauer „Jubelchor“

Pühringer stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, als er am 15. April 2009 zum Spaten griff: „Eine lange Geschichte geht zu Ende.“ Fast auf den Tag genau vier Jahre später wird Bundespräsident Heinz Fischer das neue Musiktheater eröffnen. Nicht mit dabei: die oberösterreichische FPÖ. Man stimme nicht in Pühringers „Jubelchor“ über das 180 Millionen Euro teure Projekt ein, erklärt deren Chef Manfred Haimbuchner. Der durch „geschönte Umfragen behauptete Zuspruch hebt die Tatsache nicht auf, dass dieser Prunkbau gegen den Willen der Bevölkerung gebaut wurde“, erinnert er an die Volksbefragung.

Im Februar hatte das Meinungsforschungsinstitut Imas erhoben, dass 63 Prozent der Oberösterreicher stolz auf das neue Haus sind: Vor allem Frauen, Gebildete und Linzer zeigten sich begeistert.

30. März 2013 Romana Ring
Spectrum

Alles andere ist primär

Quasi ein Gemeinschaftsprojekt: geplant von dem einen, weiter ausgeführt und umgesetzt von den anderen. Und dazwischen auch noch Platz für eine Zeitungsvolksbefragung. Zum neuen Musiktheater in Linz.

Das Ergebnis zählt. Im Fall des kurz vor seiner Eröffnung stehenden Musiktheaters in Linz weist dieser Satz einer ungefähr 40 Jahre währenden Entstehungsgeschichte den ihr gebührenden Erinnerungsraum zu. Heute haben Bahnreisende kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof den ersten Blick auf die oberen Geschoße des Musiktheaters. Wer mit dem Auto in die Industriegebiete im Osten der Stadt unterwegs ist, passiert die enge Schlucht zwischen Bahn und Theater. Von der Wiener Straße aus gesehen, erhebt sich das Theater als mächtiger Block hinter dem Bahndamm. Der Linzer Einkaufsmeile, der Landstraße, setzt es einen deutlichen Schlusspunkt. Wer die Entstehungsgeschichte des Musiktheaters nicht kennt, wird sich vielleicht über den zwar zentralen, doch von Zwängen geprägten Bauplatz wundern. Nur so viel: Seine Wahl war weder die erste noch die einzige. Das Siegerprojekt eines internationalen Wettbewerbs an einem anderen Standort musste nach einer von der massiven Agitation des Boulevards begleiteten Volksbefragung aufgegeben werden.

Der britische Architekt Terry Pawson hat 2006 den erneut international ausgelobten Wettbewerb mit einem Projekt gewonnen, das den bis dahin vage gebliebenen Stadtraum der sogenannten Blumau am südlichen Rand der Linzer Innenstadt neu geordnet hat. Er hat die beiden Emissionsquellen, die stark befahrene Straße und die Bahn im Süden des Bauplatzes, gebündelt und der Randbebauung der Blumauerstraße mit dem Theaterbau ein Gegenüber gegeben. Das wahrscheinlich schönste Element des Standortes, der im Westen angrenzende Volksgarten, wirkt dank der großflächig verglasten Foyerfassade in die öffentlich zugänglichen Bereiche des Theaters hinein. Letztere machen, wie in jedem Haus, das neben den Räumen für den unmittelbaren Bühnenbetrieb nicht nur seine Administration, sondern auch Werkstätten und Lager fasst, nur einen kleinen Teil des Raumprogramms aus.

Terry Pawson wollte, so heißt es, dieses dicht gedrängte und heterogene Raumgefügemit einer Fassade umfangen, die einem Vorhang gleichen sollte. Tatsächlich gliedern nun schmale weiße Betonfertigteile die Außenhaut des weitgehend vom Straßenverlaufgeformten Körpers in vertikaler Richtung mitgelegentlich eingeschobenen horizontalen Unterbrechungen; die Zwischenräume bleiben dunkel im Hintergrund; geschlossenenfalls sind sie mit Platten aus auffallend rau gebrochenem Travertin gefüllt. Die Anmutung meterdicker Massivität wird durch die zarten Betonlamellen eher irritiert als gebändigt und hat wenig mit einem Vorhang zu tun. Das wäre nicht weiter schlimm: Vorhänge gibt es im Theater ja zur Genüge. Allein, die Gelegenheit, auch mit der Fassade eine Antwort auf den Ort und seine Herausforderungen zu geben, ist ungenutzt verstrichen.

Die Anekdote zur Entscheidungsfindung hinsichtlich der Außenwandgestaltung: Dass die ursprünglich von Pawson vorgeschlagene Haut aus Corten-Stahl mit dem Argument verworfen wurde, in der Stahlstadt Linz gäbe es keine rostenden Oberflächen, ist möglicherweise nur gut erfunden. Die Leserbefragung einer lokalen Tageszeitung im Vorfeld –„Welche Fassadenvariante wählen Sie?“ – dagegen ist hinreichend dokumentiert. Terry Pawson hat sein Wettbewerbs-Siegerprojekt nur bis zur Einreichplanung betreut. Die weitere Planung haben die Büros Architektur Consult (Graz/Wien) und Dworschak + Mühlbachler Architekten (Linz) übernommen. Gemeinsam haben sie diesen schwierigen Schnitt zwischen Entwurfsidee und Ausführungsplanung ohne sichtbare Brüche gemeistert und Terry Pawsons Konzept im Wesentlichen umgesetzt.

Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen, in den Arbeitsalltag des technisch oder organisatorisch tätigen Personals. Hier entfaltet sich die dem gesamten Projekt Terry Pawsons eingeschriebene Qualität, in einer beengten Situation gleichzeitig Luft und menschliches Maß zu gewinnen: Mehrgeschoßige Lichtschneisen im Bereich der Erschließungskerne und eingeschnittene Terrassen erhellen das Bauwerk und werten die Arbeitsräume mit Licht und Ausblick auf.

Das auch außerhalb des eigentlichen Theaterbetriebs öffentlich zugängliche Foyer des Musiktheaters wendet seine gläserne, durch transparente Lamellen bei Bedarf beschattete zweigeschoßige Glasfassade dem Volksgarten zu, der dadurch als städtischer Erholungsraum erheblich aufgewertet wird. Davor erstreckt sich, von ein paar Stufen über das Niveau des Parks gehoben, eine mit hellem Stein belegte Terrasse. Der gleiche helle Boden im Inneren des Foyers, eine quer zur Außenwand strukturierte, ansonsten ebenflächige Decke über der Eingangsebene und parallel zur Fassade geführte Stiegen im Hintergrund des Foyers formen einenüber mehrere Geschoße fließenden Raum. Das Foyer ist mit allerlei Technik ausgestattet und vielseitig nutzbar. Ähnlich multifunktional sind der große, mit goldfarbenen Akustikpaneelen verkleidete Proberaum des Brucknerorchesters und die Studiobühne, die nicht nur gute Probebedingungen bieten, sondern auch für Aufführungen im kleineren Rahmen geeignet sind.

Der große Saal vermittelt eine Stimmung gediegener Festlichkeit ohne Überschwang – an Originalität oder Askese. An seiner Innenseite mit dem gleichen Holz belegt, sieht er aus, wie man es von einem Theatersaal mit Rängen und Logen gewohnt ist. Doch sind die Sitzplätze auf gleichwertig gute Sicht- und Hörbedingungen ausgelegt, der ovale Leuchtkörper in der Mitte der Decke dient als Beleuchterbrücke, und die akustisch wirksam geformten Brüstungen der Ränge verdanken ihren goldenen Schimmer einer Beschichtung aus flüssigem Metall. Nichts im Raum versucht, vom Geschehen auf der (Guckkasten)Bühne abzulenken, die technisch zu den modernsten Europas zählt. Ein minutiös austariertes Zusammenspiel von Dreh- und Hebevorrichtungen, Hinter- und Seitenbühnen, Portalen, Brücken und einem angemessen dimensionierten Orchestergraben macht es Künstlern und Technikern nach langen Jahren der Entbehrung endlich möglich zu zeigen, was Musiktheater alles kann.

15. September 2012 Lorenz Potocnik
Oberösterreichische Nachrichten
17. November 1998 Der Standard

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