Bauwerk

Kleines Festspielhaus - Umbau
Wilhelm Holzbauer, Francy Valentiny - Salzburg (A) - 2006
Kleines Festspielhaus - Umbau, Pressebild: Andreas Schaad
Kleines Festspielhaus - Umbau, Pressebild: Luigi Caputo

„Kleines Festspielhaus“

Zur Stellung in der Architekturgeschichte Salzburgs im 20. Jahrhundert

6. Oktober 2003 - newroom
Architekt Wilhelm Holzbauer führt gemeinsam mit François Valentiny die Neubauplanung des Kleinen Festspielhauses Salzburg durch. Im Laufe des vorgeschalteten Verhandlungsverfahrens beteuerte der zweitgereihte Holzbauer immer wieder, das Erbe seines Lehrers, des Architekten Clemens Holzmeister, vor verstümmelnden Eingriffen seiner Konkurrenten schützen zu wollen. Laut Sachverständigenkommission für Altstadterhaltung (SVK) waren es dann die massiven Eingriffe Holzbauers in Holzmeisters Bausubstanz, welche die SVK im Februar 2003 veranlassten, Holzmeisters Außenfassade zum Abbruch freizugeben.

Holzbauer/Valentiny sprechen von dem „Holzmeisterischen Ensemble aus den Jahren 1924 bzw. 1937“. Der erste Umbau fand im Frühjahr 1925 durch Eduard Hütter statt. Holzmeisters erneuter Umbau 1926 sanierte Hütters akustisch nicht befriedigende Adaptierung. Es wurden Seitengalerien aus Eisenbeton durch Holzgalerien ersetzt. Eine Zwischendecke mit Resonanzkassetten aus Holz sollte die Akustik verbessern. Clemens Holzmeister änderte die Anlage im Erdgeschoß und schuf durch einen Vorbau mit Terrasse gegen den Platz „regengeschützte“ Ausgänge. Holzmeister nahm bei der Aufstockung und dem Umbau Bezug auf Formen der Salzburger Altstadthäuser mit hochgezogenen, waagrecht abschließenden Vorschussmauern, hinter denen sich überwiegend Grabendächer verbargen, wählte aber ein Walmdach. Die markanten Regenabfallrohre und ihre Sammeltöpfe – der Abstand suggeriert quer liegende Grabendächer – sind wichtige Gliederungselemente der Lochfassade. Dazwischen befinden sich vier Achsen mit den Saalausgängen unter dem Balkonvorbau, den Türen von der Zuschauergalerie auf die Terrasse und den Türen mit kleinen Balkonen auf Höhe der Spielgalerie. Holzmeisters Fassadengestaltung spiegelte die innenräumliche Logik wider und war vor späteren, nicht durch Holzmeister durchgeführten Veränderungen keine Kulissenarchitektur. Valentinys Behauptung, durch Holzmeisters Regenabfallrohre wäre nie ein Tropfen Wasser geflossen, ist unrichtig.

Der Monumentalität der Holzmeister-Planungen entspricht die Massivität der Materialien und das Pathos dieser Architekturströmung der Zwischenkriegszeit. Ein zeitgenössischer Kunstkritiker sah Holzmeisters Umbau als „mit der historischen Umgebung verwachsen, als wäre er immer gewesen“. Im „Kubischen” wurde in den 1920er Jahren von fortschrittlichen Kräften die ”Wesensverwandtschaft zwischen der alten Salzburger Architektur und der zeitgenössischen Baukunst” gesehen. „Zwischen dem äußeren Bild eines Alt-Salzburger Bürgerhauses“ und „einem Bauwerk der modernen Richtung“ bestand - so Kai Mühlmann - „im Grunde kein wesentlicher Unterschied“ (Kai Mühlmann, Neue Architektur in Salzburg, in: Die Bau- und Werkkunst, 4, 1927/28, H. 1, S. 7).

In der Baugeschichte des benachbarten Collegium Benedictinum St. Peter wird die damalige Situation in Salzburg deutlich. Der Neubau sollte ursprünglich eine „im einfachen Altsalzburger Barock gehaltene Fassade“ erhalten (Salzburger Volksblatt, Nr. 178, 7. 8. 1925). Bei der Verpackung im „Salzburger Kleid“ handelte es sich um einen historisierenden Neobarock. Als Reaktion auf den modernen, internationalen Historismus des 19. Jahrhunderts prägte und überformte ein Historismus, der lokale Architekturelemente nutzte, massiv das Erscheinungsbild der Altstadt, beginnend in den 1910er Jahren und besonders stark in der Zwischenkriegszeit.

Beim Kolleg (1924-26) gewährleistete erst die Zuziehung des deutschen Architekten Peter Behrens, dass der Neubau gemeinsam mit dem „Kleinen Festspielhaus“ zu einem besonders frühen und seltenen Beispiel einer Haltung wurde, die kreativ Bezüge auf Bautradition, Geschichte und Ort herstellte, ohne plakativ-historisierendes Beiwerk zu bemühen. Eingliederung in den historischen Kontext, nicht oberflächliche Anpassung wurde erzielt.

In dieser Tradition steht auch Holzmeisters Festspielhausumbau 1937/38 mit der Drehung des Zuschauersaals um 180 Grad. Holzmeister interpretierte das neue monumentale Bühnenhaus als Teil des anschließenden Massivs des Mönchsbergfelsens, um, wie er schrieb, „diesen Riesenklotz, der ganz aus dem Verhältnis der Nachbarhäuser dieser Gegend und vielleicht von ganz Salzburg steht, in das Stadtbild einzupassen.“ Dabei spielte die Oberflächengestaltung der Fassade im Toscaninihof eine wichtige Rolle. Die grobe, gestockte Betonoberfläche mit seinen Kiesnestern ist in ihrer Wirkung jener des benachbarten Konglomerats sehr ähnlich.

Holzmeisters wesentlicher Beitrag für die Architekturgeschichte Salzburgs im 20. Jahrhundert liegt nicht im großen Festspielhaus aus den späten 1950er Jahren, einer – so Johann Kräftner - „Mischung aus Staatsarchitektur und neuem Heimatstil, die das Bauen des offiziellen Österreich in hohem Maß repräsentierte“, sondern im noch heute beeindruckenden Bauensemble „Kleines Festspielhaus“.

Holzbauer verabsäumt – sowohl bei der Einreichplanung wie auch bei der überarbeiteten, aktualisierten Austauschplanung zum „Haus für Mozart“ – eine großzügige Verbreiterung des Auditoriums, obwohl beide Längswände eliminiert wurden. Die Holzmeister-Fassade wird abgerissen, ohne die Defizite des Raumes, die geringe Breite und die Schlauchform, substanziell zu verbessern. Groteskerweise bezieht sich Holzbauer bei der mehrfach „nachgebesserten“ Fassadenplanung auf Holzmeisters letztes Umbaukonzept von 1982 kurz vor dessen Tod, der den Kernbereich von 1926 erhält und in Richtung Großes Haus weiterentwickelt. Die heterogene Gestaltung der ARGE Holzbauer/Irresberger/Hermann/Valentiny ist unbefriedigend und die im Juli 2003 vom Präsidenten des Bundesdenkmalamts Wilhelm G. Rizzi freigegebene Eliminierung holzmeisterlicher Qualitäten unter diesen Umständen inakzeptabel.

Aus der „Kunsthistoriker“ http://kunsthistoriker.at/x11/templ/artikel.php?itemid=197&menuid=5&rubrikid=1&pubid=26,
mit freundlicher Erlaubnis des Autoren.

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