Bauwerk

Besucherzentrum Weinerlebniswelt Loisium
Steven Holl, Franz Sam, Irene Ott-Reinisch - Langenlois (A) - 2003
Besucherzentrum Weinerlebniswelt Loisium, Foto: Paul Ott
Besucherzentrum Weinerlebniswelt Loisium, Foto: Lukas Wassmann

Auf nach Disneylois

„Ich werde ständig gefragt, ob ich nun zum Winzer avanciert bin.“ Steven Holl, planender Architekt des „Loisiums“, über Weingärten, Kellergänge, Kork, grünes Flaschenglas, Etiketten und den Steven-Holl-Veltliner. Ein Gespräch.

8. November 2003 - Wojciech Czaja
Vor wenigen Wochen eröffnete das zungenbrecherische Loisium in - Langenlois. Was auf den ersten Blick das neue Produktionsgebäude eines Weinbauern zu sein scheint, entpuppt sich sehr bald als kommerzielles Schlaraffenland. Aber nichts anderes wollte die „Loisium Kellerwelt Betriebs GmbH“, die nun in der Loisiumallee 1 ihren neuen Sitz hat. Planender Architekt: der US-Amerikaner Steven Holl, Jahrgang 1947. Auf dem Programm stand nicht nur ein neues Besucherzentrum - man rechnet mit 150.000 Gästen jährlich -, sondern auch eine „Erlebniswelt“: Da kann man nun durch kilometerlange unterirdische Gänge waten und sich durch (mehr oder weniger) künstlerische Installationen beeindrucken lassen. Unter dem Motto „Machen Sie mit!“ also auf nach Disneylois!

Sie werden gern mit der Aussage zitiert: „Ich möchte jedes Projekt mit einem klaren und leeren Kopf beginnen.“ War Ihr Kopf beim Loisium auch leer?

Anfangs ja. Sehr leer und frei für Inspirationen. Zuerst besichtigte ich die Weingärten und sah das gesamte Grundstück. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch überhaupt keine Idee, wie das Projekt aussehen könnte. Heute sieht man, dass es sich sehr stark an den umliegenden Weingärten und vor allem an den unterirdischen Weinkellern orientiert. Die Morphologie dieser Kellergänge beziehungsweise Tunnelröhren schlägt sich nun in der Form der Glaseinschnitte im Kubus nieder, auch im Griff des Haupteingangs. Dieses Konzept ist schon der allerersten Skizze abzulesen, die nun als Etikett auf der Flasche des Steven-Holl-Veltliners verkauft wird. Ich werde übrigens ständig gefragt, ob ich zum Winzer avanciert bin.

Wenn man neben den Weinkellern nun auch die Weingärten betrachtet - in welchen Teilen des Projekts tauchen die auf?

Irgendwer sagte mir unlängst: „Ach, das Gebäude sieht eigentlich nicht danach aus, dass es irgendwas mit Weingärten zu tun hätte.“ Tut es aber doch, und zwar in einer sehr abstrahierten Form. In sehr ungewohnter Weise entsteht durch die Lichteinschnitte ein neues Bild von den Weingärten rundherum, die Blickbezüge und das Einfangen von Bilden in verschiedenen Formaten sind ein essenzieller Bestandteil dieser Korrelation zwischen dem Loisium und dem Wein. Das Gleiche trifft auf das Material zu: Ich habe beispielsweise noch nie ein Projekt mit Kork gemacht, und hier ist gleich der gesamte Innenraum damit ausgelegt. Auch in den Glasbrüstungen kehrt er wieder, das sieht man an den wasserstrahleingeschnittenen Löchern, die die Struktur des Korks imitieren. All diese Ideen resultieren aus der Tatsache, dass der Kopf am Beginn leer war, um Gefühle und Inspirationen zuzulassen. Alles ändere wäre persönlicher Stil und vorgefasste Meinung.

Wie in Ihren Aquarellen ist eines der immer wiederkehrenden Grundbestandteile Ihrer Projekte das Licht. Welche Rolle spielte das Licht beim Loisium?

Beim Loisium geht es um Inversion, um das Gegenüberstellen von Gegensätzen: Die Weinkeller sind dunkel, das Loisium ist hell. Wo es unter der Erde dunkel ist, ist hier nun eine Öffnung, die Tageslicht in den Raum bringt. Die Figur des unterirdischen Kellers wird zum Schlitz in der Fassade, der Tageslicht in den Raum bringt. Und dann gibt es da noch einen zweiten Punkt: Im gesamten Innenraum gibt es keinen einzigen Pfeiler, keine einzige Säule. Diese urtypische und klassische, ja fast schon archaische Komponente der Architektur kommt als Abbild dennoch vor: Im Verbindungsgang zu den Kellerwelten befinden sich in der Decke fünf kreisrunde Bullaugen, die in Form von „Lichtsäulen“ Licht nach unten führen. Die Fläche über den Bullaugen ist mit Wasser gefüllt, sodass sich unten Lichtreflexionen des plätschernden Wassers an Wand und Boden abzeichnen.

Ist es aber nicht so, dass Sie durch die Lichtsäulen und durch die anderen Einschnitte in die Hülle des Loisiums so viel Licht einfangen, dass der Raum für eine geheimnisvolle, sakrale Stimmung bereits zu hell ist?

Was aus meiner Sicht im Nachhinein nicht gelungen ist, ist das grüne Glas, mit dem einige Fensteröffnungen verblendet wurden. Die ursprüngliche Idee war, in Anlehnung an die gesamte Thematik, grünes Flaschenglas zu verwenden. Da das technisch nicht möglich war, mussten wir auf eine Variante zurückgreifen und haben ein gewölbtes Glas mit einer grünen Folie laminiert.

Das Loisium wirkte auf den Modellfotos viel wuchtiger und größer, in Wirklichkeit sieht es ein bisschen geschrumpft aus.

Der gesamte Baukörper ist um fünf Grad gekippt. Diese Neigung kommt zum einen dem Raumeindruck zugute, da der Innenraum auf Grund seiner nicht versehrten, sondern nur gekippten kubischen Form als Einheit wahrnehmbar bleibt. Und es ist damit auch gelungen, das Einsinken des Baukörpers in die Erde sichtbar zu machen. Dass man dieses Versinken nun auch in Wirklichkeit bemerkt, ist vielleicht der Grund dafür, dass das Gebäude kleiner erscheint. Ich sehe das aber nicht als Nachteil. Ganz im Gegenteil: Das Loisium ist eine Landmark geworden - und auf die Größe beziehungsweise deren optische Erscheinung allein kommt es da nicht an.

Ihre Projektpartner, Franz Sam und Irene Ott-Reinisch, haben angemerkt, wie aufwändig das Projekt und wie schwierig viele Detaillösungen waren. Ott-Reinisch im O-Ton: „Holl arbeitet skulptural, ihm geht es ums Licht, er kümmert sich nicht um Technik.“

Die technischen Details wie Haustechnik, Klimakonzept und die überaus schwierige Statik - das alles sind wichtige Themen, die dieses Projekt geprägt haben. In Kombination mit dem großen Zeitdruck - die Bauzeit hat nur neu Monate betragen - waren das nicht gerade die günstigsten Umstände für eine reibungslose Umsetzung. Die beiden hatten sicher eine harte Zeit, aber sie haben es in den Griff bekommen und gut gemanagt. Ich denke, das war eine Partnerschaft, die als Konstellation geklappt hat und wo jeder seinen Part eingebracht hat.

Haben Sie bei den Kellergängen auch ein Wörtchen zu sagen gehabt?

Oh nein, in diese disneylandartige Sache war ich nicht involviert.

Wie gehen Sie mit dem kommerziellen, diesem disneyartigen Loisium-Hype inmitten dieser „malerischen“ Naturlandschaft um?

Ich hätte mir gewünscht, da unten einfach die nackten Gänge zu belassen, anstatt sich auf Inszenierungen einzulassen. Aber die Realität ist eben nicht so clean, wie sie auf Renderings und Fotomontagen dargestellt wird. Was wir lernen müssen, und das haben viele Architekten noch nicht kapiert, ist, mit Kompromissen umzugehen. In den seltensten Fällen steht ein Gebäude so solitär da, wie es den vermeintlich perfekten Umständen entsprechen würde. Stellen Sie sich vor, ich plane ein Innenstadt-Café mit ausgefuchsten Details à la Carlo Scarpa und inszeniere jede einzelne Kante. Was passiert? Daneben schießt plötzlich ein 99-Cent-Store aus dem Boden! Da knallen doch zwei Realitäten aufeinander. Es ist ganz einfach: Es gibt das eine, und es gibt das andere - und beides ist okay.

Es gibt das eine, das andere - und am Hotel, dem dritten Teil des Projekts, arbeiten Sie noch. Wie geht es da weiter?

Die Bauherren sind einfach großartig: Sie wollten kaum etwas geändert haben. Und so geht es nun auf in die nächste Projektphase. Das Gesamtkonzept des Loisiums ist recht simpel: Es gibt drei Projektteile, die sich auf ihrem Grundstück beziehungsweise in der Erde unterschiedlich verhalten: Die alten Weinkeller befinden sich unter der Erde, das eben fertig gestellte Loisium steckt schief in der Erde, und das Hotel - noch etwas weiter oben - befindet sich auf der Erde, wird also vollkommen überirdisch sein. Das Hotel als letztes Teilstück des Projekts ist daher sehr wichtig, da es essenzieller Bestandteil des Konzepts ist. Geplanter Baubeginn ist März 2004. Genaueres will ich noch nicht verraten - bis dahin muss die Zeichnung auf dem Weinetikett herhalten!

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