Bauwerk

ENGEL Nord - Erweiterung der Montagehalle
RIEPL RIEPL ARCHITEKTEN - Schwertberg (A) - 2013
ENGEL Nord - Erweiterung der Montagehalle, Foto: Mark Sengstbratl
ENGEL Nord - Erweiterung der Montagehalle, Foto: Mark Sengstbratl

Spritzguss mit Ausblick

Wenn Architektur ein tragfähiges wie inspirierendes Umfeld für Arbeit schafft: ein Besuch im Mühlviertler Schwertberg.

28. Januar 2017 - Romana Ring
Oesterreich baut auf seine Unternehmen: Sie schaffen Arbeit, sie zahlen Steuern, sie halten den Kreislauf der Wirtschaft in Schwung. Unternehmen bauen Österreich, auch im direkten Sinn des Wortes. Wer durch ein Gewerbegebiet in eine Stadt oder in ein Dorf einfährt, bemerkt schnell, dass in diesem Teil unserer Lebenswelt Gestaltung keine tragende Rolle spielt. Nun ist es einigermaßen wohlfeil, sich über das Fehlen städtebaulicher Konzepte für diese Zonen in ihrer Gesamtheit ebenso zu mokieren wie über die Scheußlichkeit des einzelnen Objektes. Es wird Ihnen kaum jemand widersprechen. Die zuständigen Gemeinden aber werden in Gedanken an das Steueraufkommen stumm die Achseln zucken, und der eine oder andere Firmenchef wird Ihnen versichern, dass er mit seinem eigenen Geld baut, wie er es für richtig hält. Punkt. Ende der Diskussion.

Zum Glück gibt es auch Unternehmen, die dem qualitätsvollen Bauen einen hohen Rang einräumen. Für die Firma Engel mit ihrem Stammhaus im oberösterreichischen Schwertberg etwa ist die Planung der Firmengebäude auf gestalterisch hohem Niveau Teil der Unternehmenskultur. Die Repräsentation nach außen, ein Anliegen, das auch weniger Architektur-affinen Entscheidungsträgern geläufig wäre, steht hier nicht im Vordergrund. Vielmehr halten die Eigentümer des zu hundert Prozent im Familienbesitz stehenden Weltmarktführers für Spritzgießmaschinen nun schon in der vierten Generation an der Überzeugung fest, dass Architektur in der Lage ist, ein ebenso tragfähiges wie inspirierendes Umfeld für erfolgreiches Arbeiten zu schaffen. Der jeweilige Zugang zum konkreten Bauvorhaben – Engel hat neun Produktionswerke in Europa, Nordamerika und Asien sowie zahlreiche Niederlassungen weltweit – ist stets ein anderer.

Auch das Stammhaus in Schwertberg hat sich seit seiner Gründung 1945 stark verändert. Es ist mit dem Betrieb gewachsen, hat sich jedoch dank ordnender Eingriffe zur rechten Zeit nie zu einer jener heillos heterogenen Strukturen entwickelt, in denen so viele Betriebe ihr baukulturelles Desinteresse unter Beweis stellen. Die in der Firmenchronik gesammelten Bilder zeigen das Werkin jeder Epoche als ein in sich stimmiges Ganzes, das ein angemessenes Arbeitsumfeldmit einem gediegenen Auftritt nach außen verbindet. „Unser Anspruch an Qualität, Innovationskraft und Offenheit spiegelt sich in unserer Architektur wider“, fasst Stefan Engleder, CEO der Engel Holding, die Haltung der Eigentümer zusammen.

Die vorläufig letzte Anpassung der Anlage wird nun vom Linzer Architekturbüro Riepl Riepl Architekten betreut. Das Werksgelände liegt in fußläufiger Distanz südlich des Zentrums von Schwertberg. Es wird im Süden von der Bahn, im Norden und Osten von Straßen und im Westen von der Aist begrenzt, die mit ihren Hochwässern schon manchen Schaden verursacht hat. Dass Engel den Standort dennoch nie in Zweifel gezogen, sondern lieber in effizienten Hochwasserschutz investiert hat, ist nicht nur der Ortsverbundenheit der Eigentümerfamilie zu verdanken. Man weiß eben den Wert einer besonders wichtigen und beileibe nicht überall verfügbaren Ressource zu schätzen: eines soliden Stammes gut ausgebildeter Mitarbeiter. Diese Hinwendung zum Ort ist an dem jüngst fertiggestellten, „Halle Nord“ genannten Objekt der Riepl Riepl Architekten deutlich ablesbar. Die in der Grundfläche etwa 90 mal 22 Meter messende, zwölf Meter hohe Halle erweitert den Produktionsbereich der Anlage zur nördlichen Grundgrenze hin. Sie wurde als konstruktiver Stahlbau auf einer monolithischen Stahlbeton-Bodenplatte errichtet, wodurch eine variable Aufstellung der schweren Maschinen möglich ist. Die gesamte Nordseite ihrer schwarz glänzenden, aus hochwertigen Aluminium-Verbundplatten gefertigten Hülle öffnet sich über einem geschlossenen Sockelgläsern zu der etwas erhöht vorbeiführenden Straße. Dem daraus gewonnenen Einblick in den von seiner Konstruktion und denBeleuchtungskörpern strukturierten Raum entsprechen die Sicht der Mitarbeiter in den Ort und die umgebende Landschaft.

Im Inneren der Halle wiederum werden in der geschlossenen Außenwandzone die Leitungen sämtlicher Medien wie Strom, Druckluft, Öl oder Maschinenkühlung hinter textilen Vorhängen geführt. So sind sie an jeder gewünschten Stelle zum Anschluss an die Maschinen verfügbar, ohne die Ordnung des Arbeitsumfeldes zu stören.

Alle in der Halle Nord sehr deutlich zum Ausdruck gebrachten Qualitäten sind der Anlage eingeschrieben: das über die (zahlreichen) Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz weit hinausgehende Bemühen um eine angenehme, Kreativität und Leistung fördernde Stimmung der Räume, die Weltoffenheit oder das Bekenntnis zu neuen Technologien, hochwertigen Materialien und gediegener Verarbeitung. Das zeigt sich nicht nur in jenen Bereichen, die man auf den ersten Blick mit dem Begriff Architektur in Verbindung bringen würde. So verfügt etwa die von Riepl Riepl Architekten im südlichen Erweiterungstrakt des Produktionsbereiches geplante Lehrwerkstätte nicht nur über höchst moderne Maschinen, sondern bietet den jungen Menschen überdies einen großzügigen, hellen und luftigen Raum, der unter anderen Ausblicken den Sichtbezug in eine neue Erschließungsachse des Unternehmens herstellt.

Diese Achse entsteht gerade im Zuge einer Erweiterung des Bürotraktes an der östlichen Flanke des Firmengeländes, den Klaus Kada seinerzeit als Gewinner eines geladenen Architektenwettbewerbes konzipierte. Mit seiner mehrgeschoßigen, von einem plastisch durchgeformten Auditorium flankierten Eingangshalle und den transparent geteilten, um begrünte Innenhöfe gruppierten Büros lädt es nicht zuletzt die Kunden der Firma Engel ein, sich als Teil eines vielfältigen wie funktionstüchtigen Ganzen zu fühlen. Das Bürogebäude wird von Riepl Riepl Architekten erweitert und begradigt nun die südliche Kante des Gesamtkomplexes. Hier ist noch Baustelle.

Ein wichtiges Element darin ist jedoch fertig und in Betrieb: die „Kleinen Engel“. In zwei hellen Gruppenräumen mit Ruheraum, dem an einen Spielgarten gekoppelten Bewegungsraum und den entsprechenden Nebenräumen tauchen die Kinder der Mitarbeiter in die Arbeitswelt ihrer Eltern ein, bevor sie mit drei Jahren alt genug sind, in einen Kindergarten einzutreten.

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