Bauwerk

Laténium
Laurent Chenu - Hauterive (CH) - 2001

Landschaft, Architektur, Design

Das neu eröffnete Laténium von Laurent Chenu in Hauterive

2. November 2001 - Suzanne Kappeler
Im Jahre 1986 wurde ein Wettbewerb für den Museumsbau des Laténium in Hauterive am Neuenburgersee lanciert, und erst fünfzehn Jahre später konnte das Haus an genau jener Stelle eröffnet werden, wo bei Bauarbeiten für die A 5 Funde aus drei bedeutenden prähistorischen Epochen, der Steinzeit, der Jungsteinzeit und der Bronzezeit, zum Vorschein gekommen waren. Der Genfer Laurent Chenu als Architekt, der Museograph Michel Etter und das Atelier Oï aus La Neuveville als Gestalter der Ausstellungsräume haben zusammen einen Erlebnisraum geschaffen, der den drei Funktionen Lernen, Zeigen und Konservieren dienen soll (NZZ 11. 10. 01). Vor fünf Jahren bereits wurde direkt am Seeufer ein Archäologiepark angelegt, in welchen nun das Museum gleichsam eingebettet ist. Blickachsen verbinden den lang gezogenen, holzverkleideten Bau mit seinen Aussenstationen im Park, der Schiffswerft, dem Grabhügel, dem Haus auf Pfählen und dem künstlich angelegten Fischteich. Da sich vor dem Bau von Park und Museum der See an dieser Stelle als seichte Uferzone präsentierte, wurde mit dem schilfbewachsenen «étang» Ersatz für den ehemaligen Lebensraum geschaffen. Der Fischteich, dessen Lage dem früheren, etwa drei Meter höheren Niveau des Sees entspricht, soll die Seelandschaft zeigen, wie sie vor der Juragewässerkorrektion (1879) hätte sein können.


Architektonische Aspekte

Von der Strassenseite her führt eine baumbestandene Esplanade den Besucher zum seeseitigen Eingang des Gebäudes, von wo sich ihm die Landschaft mit ihren unterschiedlichen Vegetationsbereichen und Schauplätzen öffnet. Die vorgeblendete Holzfassade aus einheimischer Douglasie gibt dem massiven Betonbau etwas Schlichtes, beinahe Archaisches, das gut zu seiner Funktion als Museum für Archäologie passt. Den Architekten interessierte der Wechsel zwischen der natürlichen, sanften Aussenhaut und dem kargen, harten Innern, das der Inszenierung des Lichts und der durch Farben definierten, unterschiedlichen archäologischen Zeitalter die Hauptrolle überlässt. «Wie ein reversibles Kleid, bei dem man im Innern ein anderes Material entdeckt», meint Chenu. Der Museumsteil des Gebäudes unterscheidet sich vom administrativen Bereich mit Bibliothek, Büros und Konservierungsateliers durch seine kompakte Aussenhaut, die seeseits von dem zentralen, schwarz umrahmten Aussichtsfenster definiert wird, das auf den Fundort der bronzezeitlichen Siedlung weist. Den Büroteil gliedern grosszügige Fenstereinschnitte, während die rückseitige Fassade asketisch und streng wirkt und erst mit der Zeit durch die wetterbedingte Ausbleichung der Holzschindeln eine gewisse Lebendigkeit erhalten wird.

Der Ausstellungsteil ist als offene Halle mit versetzten Ebenen konzipiert, die gleichsam den Gang hinab in die Kontinuität der Geschichte illustrieren wollen. Über eine Rampe und über Treppenstufen dringt der Besucher in die Tiefe der acht Epochen ein, von denen jede mittels Vitrinen, Lichtführung und Farben als eigener Raum gestaltet ist. Auch die unterschiedlichen Raumniveaus und -höhen unterstreichen die Gliederung der Ur- und Frühgeschichte, wobei nicht ganz klar ist, nach welchem Prinzip die Räume verteilt wurden. Die verglaste Öffnung des Museums über die ganze Höhe auf der Stirnseite gegen den Fischteich dient als Rahmen für den bei Bevaix im See gefundenen gallorömischen Lastkahn. Hier dringt das Haus am deutlichsten in den Aussenraum vor, wobei zusätzlich die Anlage eines römischen Gartens als Blickpunkt diskutiert wird. Die Öffnung findet ihr Pendant in der lichtdurchfluteten Eingangshalle, bevor man ins Halbdunkel der Geschichte abtaucht.


Vitrinen und Licht

Für die Innenraumgestaltung des Museums zeichnet das Grafik- und Designatelier Oï zusammen mit den Pariser Lichtspezialisten MC2 verantwortlich. Ihre klassisch schönen Vitrinen aus Kunstharz und geäztem Glas lassen sich beliebig aneinander reihen und gliedern so den Innenraum, wobei das Hallenprinzip erlebbar bleibt und immer wieder Blickachsen zwischen den verschiedenen Zeiträumen geschaffen werden. Die Stellung der sparsam eingesetzten Vitrinen und anderer Module passt sich den jeweiligen Exponaten an und schafft zusammen mit den wechselnden Farben, dem unterschiedlichen Lichteinfall und der Öffnung der Räume einen dynamischen Leitfaden für die Besucher. Wie in einem Film, auf additive Art, entwickelt sich langsam der Ablauf der Geschichte. Die auf massiven Sockeln gebauten Vitrinen erhalten durch den leicht abgesetzt angebrachten Glasteil eine Leichtigkeit, die durch das weiche Streulicht auf die Ausstellungsobjekte unterstrichen wird.

Das Farbkonzept baut zum einen auf Kontrasten auf; so sind etwa Fundgegenstände, die mit Wärme und Feuer zu tun haben, vor blauem Hintergrund zu erleben. Zum andern dienen die Farben als markierende, beschreibende Elemente; so werden die Objekte aus der Römerzeit, die dem Landleben einen grossen Stellenwert beigemessen hat, auf grüner Fläche präsentiert. Jeder Epoche ist ausserdem ein Thema zugeordnet, das auf einer Plattform mit Modellen illustriert wird, zum Beispiel die Baukunst der Römerzeit. Zusammen mit den Vitrinen rhythmisieren diese Plattformen den Raum. Insgesamt ein überzeugendes Raumkonzept, das sich als sehr variabel erweist und als Antithese zum Äussern des Gebäudes erscheint. Dieses wirkt mit seiner kompakten rückseitigen Mauer wie ein erratischer Block. Der Architekt sieht sein Haus als «musée des sites», als Museum der Schauplätze, das auch im Innern stets den Bezug zum Archäologiepark und zum See erlaubt.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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