Zeitschrift

TEC21 2007|14
Implantate
TEC21 2007|14
TEC21 2007|14
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Jedes Implantat ist auch eine Prothese, aber nicht jede Prothese ist auch ein Implantat. In dieser Kurzformel manifestiert sich die Crux der Unterscheidung: Einerseits deutet sie eine klare Trennlinie zwischen Prothese und Implantat an, andererseits verwischt sie ebendiese Grenze wieder. Doch während die Prothese ein Fremdkörper bleibt, entwickelt sich das Implantat zunehmend zu einem körpereigenen «Wesen».

Ist die Prothese ursprünglich ein künstliches Glied, ein Fremdkörper, wird das Implantat in den Organismus eingepflanzt. Dennoch ist etwa ein Bypass – obwohl er implantiert wird – eine Prothese. Denn er überbrückt bzw. umgeht ein Hindernis, zum Beispiel verengte Herzkranzgefässe. Aber auch die künstliche Netzhaut kommt nicht ohne Prothese aus: Das als eine dünne Folie ausgebildete, mit Computerchips besetzte Retina-Implantat wird an der Rückseite des Auges aufgelegt. Gesehen wird das Bild aber von einer speziellen Kamerabrille, die Funksignale an die Retinafolie sendet.

Das Cochlear-Implantat besteht aus einem prothetischen äusseren Sprachprozessor und einem implantierten Stimulatorteil. Der Schall wird über ein Mikrofon im äusseren Teil des Systems aufgenommen, analysiert und über eine Sendespule durch die intakte Haut an den implantierten Empfänger (Stimulatorteil) übertragen. Dieser stimuliert den Hörnerv elektrisch über einen in die Hörschnecke eingeführten Elektrodenstrang, sodass Höreindrücke hervorgerufen und sogar Sprache wieder verstanden werden können.1 Und der Gehirnchip, der einem Querschnittsgelähmten implantiert wird, damit er E-Mails abrufen und Computerspiele steuern kann, ist keine Utopie mehr. Aber auch an «echten», bionischen Implantaten wird geforscht, an solchen, die ein Organ organisch ersetzen. Davon und von der Verpflanzung des medizinischen Vokabulars in die Architektur handelt «Transplantierte Körperlichkeit».

Die «Implantierte Urbanität» und der «Setzling» spiegeln das aktuelle Bedarfsspektrum an architektonischen Implantaten. Wer kennt sie nicht, die -kons, -bachs und -hausens mit Schlafstadtcharakter? Die historischen Dorfkerne fallen der Musealisierung anheim, und zum Einkaufen fährt man «in die Stadt». Verlassene Industrieareale bieten hier die Chance, architektonischen Altbestand neu zu definieren und durch Implantate ein Innenstadtgefühl zu erzeugen. In den Dörfern stellt sich dieses Problem meist nicht. Hier geht es um die Bewahrung gewachsener Alltagsstrukturen ohne Verzicht auf moderne Annehmlichkeiten. Beiden Bedürfnissen kann durch geschicktes Implementieren Rechnung getragen werden. Gemein ist beiden Formen des Implantats jedoch eines: Ihre Qualität hängt in erster Linie vom Verständnis für den Genius Loci ab.
Rahel Hartmann Schweizer, Christian Kammann, Volontär bei TEC21

WETTBEWERBE
Ausschreibungen / Strassenbau mit Grünräumen: Bypass Thun Nord / Janusköpfig: Stadtmuseum Rapperswil-Jona

MAGAZIN
Kurzmeldungen / «Renaturiert» / Holzbau in der Lehre

TRANSPLANTIERTE KÖRPERLICHKEIT
Rahel Hartmann Schweizer
Die Architektur hat immer schon sprachliche und inhaltliche Anleihen bei der Medizin gemacht. Neuerdings findet die «Verleiblichung der Architektur» ihr Spiegelbild im «Body-Engineering».

URBANES IMPLANTAT
Hansjörg Gadient
Im Gegensatz zur monofunktionalen Umgebung vereint das Projekt «in- tegra square» von agps architecture am Bahnhof Wallisellen verschiedenste Nutzungen und Bautypologien: Es entsteht eine Innenstadt.

«SETZLING»
Christian Holl
Das Implantat ist der Aufgabe verpflichtet, das Funktionieren des Bestehenden zu verbessern. Guido Neubecks Zwischenhaus MP3 in Oberscheid (D) vereint drei Generationen unter einem Dach ¬ und schafft so neuen Raum für gewachsene Dorfstrukturen.

SIA
Casino Lugano: öffentliches Interesse / Überzeugende Ausstellung zu «Umsicht»

PRODUKTE

IMPRESSUM

VERANSTALTUNGEN

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Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

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