Zeitschrift

hochparterre 06-07|2007
Zeitschrift für Architektur und Design
hochparterre 06-07|2007
zur Zeitschrift: hochparterre

Kongressklotz Zürich

Die Überlagerung von Moneos Projekt für das Zürcher Kongresszentrum mit anderen Bauten zeigt: Für den Standort am See ist der Bau zu gross. Doch um Spitzenarchitektur zu sein, ist er zu klein. Damit aus dem Programm nicht nur Fläche, sondern Raum wird, müsste das Gebäude doppelt so gross sein. Das Kongresszentrum braucht einen anderen Standort.

21. Juni 2007 - Werner Huber
In Rafael Moneos Projekt für das Zürcher Kongresszentrum gibt es auch nach der Überarbeitung viel Fläche, aber kaum Raum (HP 5/07). Die Ansicht der Seefront illustriert, wie das Projekt über dem benachbarten Roten Schloss aufragen würde und wie das architektonische Irgendetwas des Kongresshotels die Villa Rosau und das Ho-tel Baur au Lac zu Statisten degradieren würde. Die vergleichende Fassadenkunde zeigt Überraschendes: Etliche stattliche Bauten schrumpfen im Schatten des Kongressklotzes Zürich (KKZ) zu Zwergen. Das Warenhaus Globus wird zum Globüsli, das Opernhaus zum Opernhüsli und selbstverständlich verschwindet auch das Kongresshaus von Haefeli Moser Steiger vollständig hinter der Silhouette des geplanten Neubaus. Auch das hoch aufragende Betonsechseck des St. Galler Stadttheaters liesse sich bequem im KKZ versorgen. Diese Bauten umfassen zwar nur einen Bruchteil der Räume des Kongresszentrums, doch selbst Gebäude, die der Inbegriff von Grösse sind, sehen neben dem Moneo-Projekt niedlich aus. Auch die Fassaden des Hallenstadions sind nur halb so hoch und die Limmatfront des Hauptbahnhofs mit den beiden Thermenfenstern verschwindet vollständig hinter den Umrissen. Der Hochhausscheibe des Locherguts reicht das Kongresszentrum bis zum Bauchnabel, vom Hochhaus zur Palme ist gerade mal das obere Drittel sichtbar und an seinem höchsten Punkt kitzelt Moneo das Opernhaus.

Noch grösser als der KKZ

Einen noch monumentaleren Auftritt als das Kongresszentrum scheint einzig das Bundeshaus zu haben, dessen drei Kuppeln in grosse Höhen aufragen. Doch diese Monumentalität muss man relativieren: Die Kuppeln sind von der Bundesplatzfassade zurückgesetzt und auf die Fernwirkung angelegt. Und dort stimmt der Massstab, denn die Südseite des Bundespalastes ist Teil der langen Front aus den drei Monumentalbauten Bundeshaus West, Parlamentsgebäude und Bundeshaus Ost.

Die grossen Vorbilder in Sachen Spitzenarchitektur sind Jean Nouvels Kultur- und Kongresszentrum in Luzern (KKL) und Frank Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao. Beide sind ähnlich gross wie das Zürcher Projekt, doch der Vergleich hinkt: In Luzern gibts viel weniger Räume und deshalb viel mehr Platz und vor allem öffentlichen Raum unter dem grossen Dach. Nouvels KKL steht auf zwei Seiten frei, so kann es seine Wirkung entfalten. Moneos Projekt hingegen ist eingezwängt. Das Guggenheim-Museum andererseits sprengt jeden schweizerischen Rahmen. Der Architekt konnte aus dem Vollen schöpfen und seine Formen frei im Stadtraum tanzen lassen; ein Spektakel, das die schwierige Situation überspielt.
Zusammenfassend: Der Architekt konnte knapp die Pflicht (das Raumprogramm) erfüllen, für die Kür (die Architektur) hat ihm der Platz gefehlt. Das Resultat verdient die Note Viereinhalb. Um eine Fünfeinhalb oder gar die Sechs zu erreichen, muss für das Kongresszentrum ein anderer Standort gefunden werden, einer, der den Architekten den Atem lässt, den es für ein Projekt dieser Grösse braucht.

Bestehende Gebäude im Vergleich:
1 Seefront mit Rotem Schloss (Heinrich Ernst, 1893), neuem Kongresszentrum, neuem Hotel, Villa Rosau (Ferdi-nand Stadler, 1845) und Hotel Baur au Lac (ab 1844)
2 Hochhaus zur Palme Zürich, Haefeli Moser Steiger, 1964
3 Lochergut Zürich, Karl Flatz, 1966
4 Stadttheater St. Gallen, Claude Paillard, 1968
5 Kultur- und Kongresszentrum KKL Luzern, Jean Nouvel, 2000
6 Globus Zürich, Karl Egender, 1967
7 Hauptbahnhof Zürich (Limmatfassa-de), Jakob Friedrich Wanner, 1871
8 Kongresshaus Zürich, Haefeli Moser Steiger, 1939
9 Hallenstadion Zürich, Steger Egender, 1939
10 Opernhaus Zürich, Fellner und Hellmer,1891; Annexbau: Paillard, Leemann und Partner, 1984
11 Bundeshaus Bern, Hans Wilhelm Auer, 1902
12 Guggenheim-Museum Bilbao, Frank Gehry, 1997

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: hochparterre

Ansprechpartner:in für diese Seite: Roderick Hönighoenig[at]hochparterre.ch

Tools: