Zeitschrift

TEC21 2008|27-28
New Orleans Blues
TEC21 2008|27-28
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Es war eine Frage der Zeit, bis ein Hurrikan einmal genau über New Orleans ziehen und das Wasser aus dem Golf von Mexiko durch die vielen Seen und Kanäle im Mississippidelta bis in die Stadt hinauftreiben würde. Alle wussten das. Doch als es am 29. August 2005 soweit war, brachen an über hundert Stellen die Dämme, die in einem solchen Fall die Stadt unter dem Meeresspiegel schützen sollten. Auch das hatten viele vorausgesagt. Vier Fünftel des Stadtgebiets wurden überschwemmt, 1300 Menschen starben.

Drei Jahre danach wollten wir wissen, wie New Orleans seinen Wiederaufbau meistert, was dabei Neues entsteht und welche Lehren für die Verbesserung des Flutschutzes gezogen worden sind – doch das sind offenbar Fragen, die der schweizerischen Art der Katastrophenbewältigung entspringen. Für New Orleans sind sie nicht angemessen. Das merkten wir, als die bestellten Artikel eintrafen: Oliver Pohlisch erzählt, wer in den letzten drei Jahren was getan hat – oder vielmehr: nicht getan hat. Denn der Wiederaufbau zerstörter Quartiere kommt nicht voran. Nur wenige neue Häuser wurden gebaut, dank Selbsthilfe und NGO. Die Bevölkerung ist um 30 % geschrumpft. Schlendrian und Korruption sind legendär in der Stadt. Auch darauf zielt New Orleans’ Übername «The Big Easy», der nicht nur die aussergewöhnliche Kultur feiert, die aus dem Zusammenleben der französischen Gründerbevölkerung mit den Nachkommen der Sklaven und Einwanderern aus der französischen Karibik sowie anderen USStaaten entstanden ist. Hinzu kommen bald 30 Jahre neoliberaler Steuerpolitik: Die Gemeinden in den USA sind heute zu arm, um sich selbst zu helfen.

Fast noch unglaublicher ist der Bericht von Robert G. Bea. Der Professor am Institut für Bau- und Umweltingenieurwesen der Universität Berkeley untersuchte als Mitglied einer unabhängigen Kommission die Gründe für das Versagen des Flutschutzsystems. Er beschreibt dieses als Flickwerk und Resultat von Jahrzehnten der Misswirtschaft. Katrina sei keine Umwelt-, sondern eine politische Katastrophe, schreibt Bea. Und sie werde sich wiederholen, denn aus Katrina habe man nichts gelernt. Der Ingenieur ist so wütend, dass er gar nicht auf unsere Bitte einging, technische Verbesserungsvorschläge zu machen; sinnlos scheint ihm dies, solange keine politische Kultur in Sicht ist, die sie umsetzen könnte.

Wenn die Gemeinden verarmt sind, die Verwaltung zerstritten und die Politik korrupt ist, gibt es in den USA eine weitere Instanz, die einspringen kann, auch wenn sie nicht offi ziell zum berühmten «System of Checks and Balances» gehört – Hollywood. Lilian Pfaff beschreibt eines der wenigen funktionierenden Aufbauprojekte in New Orleans. Hinter dem internationalen Architekturwettbewerb steht der Schauspieler Brad Pitt.
Ruedi Weidmann

05 WETTBEWERBE
Hoch und Tief: Wohnüberbauung in Basel

14 MAGAZIN
Zehn Jahre Minergie | Wenig Sinn und viel Sinnlichkeit – Ausstellung im S AM Basel

22 NEW ORLEANS – DREI JAHRE NACH DER FLUT
Oliver Pohlisch
In New Orleans harzt der Wiederaufbau nach dem Hurrikan Katrina. Am ehesten funktionieren noch Selbsthilfeprojekte der Stadtbevölkerung.

28 NICHTS GELERNT VON KATRINA
Robert G.Bea
Der Flutschutz von New Orleans brach 2005 an über 100 Stellen, weil Politik und Gesellschaft versagt haben: der Bericht eines wütenden Spezialisten, der vor Ort war.

33 HOLLYWOOD HILFT
Lilian Pfaff
Brad Pitt, Hollywoodstar und Architekturliebhaber mit sozialem Gewissen, nutzt den Kult um seine Person für architektonisch interessante Wiederaufbauhilfe.

38 SIA
Die Dauer der Welt | Architektur und Ökonomie | Stipendien für junge Bauingenieure

45 PRODUKTE

53 IMPRESSUM

54 VERANSTALTUNGEN

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Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

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