Zeitschrift

TEC21 2009|48
Notation
TEC21 2009|48
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Als Einstein gefragt wurde, ob sich alles auf naturwissenschaftliche Weise abbilden lasse, meinte dieser, die Darstellung einer Symphonie Beethovens als Luftdruckkurve sei zwar denkbar, aber «[...] es wäre eine Abbildung mit inadäquaten Mitteln [...]».[1]

Dennoch hat es die Moderne – mit der Wissenschaft als Impulsgeberin – unternommen, die geistige Seite der Existenz und immaterielle Phänomene künstlerisch darzustellen. Morphische Resonanzen, serielle Strukturen und Schallwellen faszinierten sie. Richard Paul Lohse etwa stellte sein Werk «Zehn gleiche Themen in fünf Farben», 1946–47, in direkte Beziehung zu einer Abbildung der «Banden im Absorptionsspektrum des Stickstoffoxid-Moleküls bei 1680 Å».[2] Die Kunstschaffenden verliehen aber auch der Analyse der Entstehung – ob der Malerei, des Films, der Architektur, der Musik oder der Literatur – Werkcharakter, erhoben die Entwurfsprozesse selbst zu autonomen Kunstwerken, indem sie das künstlerische Potenzial der Notation ausloteten. In der Architektur tat dies wohl am radikalsten Peter Eisenman in seinen frühen Hausserien. Analog zu den «Notes on Conceptual Architecture»[3] von 1970 – fünfzehn auf vier Blätter verteilte Zahlen, die auf Fussnoten verwiesen mit Literaturangaben zu den Themen Minimalismus, Konzeptkunst, Linguistik oder Ikonologie – war das HouseVI von 1975 gleichsam das Manifest der Konzeptualisierung der Architektur. Die pragmatischen und funktionalen Aspekte waren in eine konzeptuelle Matrix eingespannt. Wand und Stütze, Bad und Toilette sollten weder nach ihrer Funktion noch nach ihrer Form interpretiert, sondern als Notation im konzeptuellen Kontext gelesen werden.[4]

Notationen bewegen sich zwischen Raum und Zeit. So finden sich in diesem Heft ein Artikel, der sich mit der Notation des Räumlichen («Raum, filmisch notiert»), und einer, der sich mit der Darstellung des Zeitlichen («Zeit, technisch gezeichnet»), befasst.
«Die Notation [...] ist zuerst ein ingeniöser Behelf, eine Improvisation festzuhalten, um sie wiedererstehen zu lassen. Jene verhält sich aber zu dieser wie das Portrait zum lebendigen Modell», schrieb Ferruccio Busoni 1916 in seinem «Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst».[5] Notgedrungen ist dieses Heft nur ein «Behelf»...
Rahel Hartmann Schweizer


Anmerkungen:
[01] Aus dem Briefwechsel Einsteins mit Max und Hedwig Born. In: Max Born, Physik im Wandel meiner Zeit. 4. erweiterte Auflage, Braunschweig, 1966, S. 292; zit. nach: Lothar Kreimendahl, Humes verborgener Rationalismus. De Gruyter, Berlin, New York, 1982, S. 30, Anm. 47
[02] Georg Schmidt, Robert Schenk (Hg.): Kunst und Naturform. Basilius Presse, Basel 1960,
S. 76/77, in: Johanna Lohse, Felix Wiedler (Hg.): Richard Paul Lohse, Drucke Prints – Dokumentation und Werkverzeichnis. Hatje Cantz, 2009, S. 113
[03] Peter Eisenman: Notes on Conceptual Architecture. Towards a Definition. Institute of Architecture and Urban Studies, NY 1970
[04] Suzanne Frank (Hg.): Peter Eisenman’s House VI. The Client’s Response. NY 1994, S. 31
[05] Ferruccio Busoni: Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst. Insel, Leipzig 1916, S. 20

05 WETTBEWERBE
Wohnüberbauung Kriens Zentrum

12 MAGAZIN
Vom 2 CV zur DS | Langer Nachhall

16 RAUM, FILMISCH NOTIERT
Doris Agotai
Zur Darstellung von Architektur verwenden wir unterschiedliche Notationssysteme: Zeichnungen, Fotografien oder Modelle. Wie das Medium des Films in den Raum eingreift, wird anhand dreier Beispiele gezeigt. Sie illustrieren die Verflechtung von architektonischer Dramaturgie und filmischer Interpretation.

21 ZEIT, TECHNISCH GEZEICHNET
Thomas Herrmann
Um zeitliche Abläufe übersichtlich darzustellen, bedient man sich Diagrammen, Tabellen oder Listen. Während Bahnreisenden tabellarische Anzeigen ausreichen, bedürfen die betrieblichen Abläufe des Systems Eisenbahn ausgeklügelterer Darstellungsformen. Sie bestimmen sowohl Abfahrts- und Ankunftszeiten von Zügen als auch Spezifikationen der Gleisbelegung.

27 SIA
2. Präsidentenkonferenz 2009 | Resolution zum Sparprogramm | Qualifikation für Stahlbaubetriebe | Vernehmlassung Normenfamilie SIA 269 | Neues Berufsbild ZeichnerIn

32 PRODUKTE

37 IMPRESSUM

38 VERANSTALTUNGEN

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Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

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