Zeitschrift

TEC21 2011|12
Stromnetz der Zukunft
TEC21 2011|12
zur Zeitschrift: TEC21
Verlag: Verlags-AG
Selten gehen die Meinungen zu einem Heftthema innerhalb der Redaktion so auseinander, wie es beim beginnenden Umbau des heutigen Stromnetzes zu einem intelligenten Netz, auch Smart Grid genannt, der Fall ist. Die Aussicht, dass der eigene Energieverbrauch künftig laufend an den Energieversorger übermittelt wird und wir als Stromkunden angehalten sind, unseren Verbrauch der Erzeugungskurve anzupassen, weckt bei den einen Faszination angesichts neuer Technologien sowie Spielfreude beim Umgang mit intelligenten Anzeigen und Haushaltsgeräten. Bei den anderen ruft diese Vision hingegen eine vehemente Ablehnung solcher Eingriffe in die persönliche Freiheit hervor und schürt Ängste vor der Überwachung der Lebensgewohnheiten.

Fakt ist, dass die Liberalisierung des Strommarktes und der steigende Anteil erneuerbarer Energie diesen Markt grundlegend verändern. Zunehmende Stromtransporte über weite Entfernungen sowie die schwankende und dezentrale Einspeisung aus Anlagen für die Erzeugung erneuerbarer Energie erfordern einen Um- und Ausbau des Stromnetzes (vgl. «Intelligentes Netz»). Das sind lukrative Aussichten für alle, die an den dafür notwendigen Invesititionen verdienen. Entsprechend stark engagieren sich die betroffenen Branchen für Smart-Grid-Aktivitäten. Auch die Politik hat deren wirtschaftliche Bedeutung erkannt und fördert die Realisierung von Smart Grids beispielsweise durch die Finanzierung von Pilotprojekten (vgl. «Im Praxistest»).

Die Erfahrungen aus diesen Projekten zeigen, dass für den Erfolg von Smart Grids die erforderliche Technologie nur ein Faktor ist. Genauso wichtig, wenn nicht ausschlaggebend, ist die Akzeptanz durch die Stromkunden. Die Synchronisation von Energieerzeugung und -verbrauch lässt sich nur umsetzen, wenn der Kunde bereit ist, mitzuwirken und z.B. den Rasen erst mittags zu mähen, wenn die Fotovoltaikanlage auf Hochtouren läuft – etwas, um das er sich bisher nie kümmern musste und das ihm bei den derzeitigen Strompreisen auch nur minimale finanzielle Vorteile bringt.
Seriöse Kosten-Nutzen-Abwägungen braucht es auch auf Seite der Energieversorger: Wie gross ist das Potenzial zur Verschiebung von Lastspitzen im Vergleich zum zusätzlichen Stromverbrauch der intelligenten Komponenten und zum finanziellen Aufwand für die Umrüstung (vgl. «Begrenztes Potenzial»)?

Schliesslich müssen auch die Ängste betreffend Datenschutz und Störanfälligkeit solcher Systeme ernst genommen werden. Je mehr das Stromnetz über Informations- und Kommunikationstechnolo-gie gesteuert wird, umso gravierender wirken sich Computerpannen aus und umso anfälliger wird das System für Hacker-Angriffe. All diesen Ängsten und Gefahren lässt sich nur begegnen bzw. vorbeugen, wenn die Einführung von Smart Grids nicht überstürzt, sondern sorgfältig und umfassend angegangen wird.
Claudia Carle

05 WETTBEWERBE
Neue Zugänge zum Rhein

12 MAGAZIN
Mit Minergie-A zum Nullenergiehaus | Norwegische Architektur 1945–1965 | Weiterentwicklung von Minergie-Eco

20 INTELLIGENTES NETZ
Thilo Krause Die Liberalisierung des Strommarktes und die zunehmende Einbindung erneuerbarer Energiequellen werden Energieerzeugung und -verteilung in den nächsten Jahren grundlegend verändern.

24 BEGRENZTES POTENZIAL
Lukas Küng Das Potenzial für Lastmanagement, also die aktive Steuerung bzw. zeitliche Verschiebung des Stromverbrauchs, ist begrenzt und für die Kunden teilweise mit Kompromissen verbunden.

27 IM PRAXISTEST
Claudia Carle Beim deutschen Pilotprojekt «MeRegio» wird stufenweise ein Smart Grid aufgebaut, um Erfahrungen mit dem Verhalten der angeschlossenen Kunden und den technischen Komponenten zu sammeln.

31 SIA
Und der «Sesam» ging an ... | Paradigmenwechsel mit der SIA 382/2 | Vernehmlassungen

35 PRODUKTE

45 IMPRESSUM

46 VERANSTALTUNGEN

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Verlags-AG der akademischen technischen Vereine

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