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Álvaro Siza Vieira
Porto (P)

Die Bäume der Baronin

Kontroverse um die Neugestaltung des Paseo del Prado in Madrid

19. Mai 2006 - Markus Jakob
Der Madrider Prachtboulevard Paseo del Prado, ein heute vergammelter und täglich von 130 000 Fahrzeugen umbrauster Strassenzug, der die drei wichtigsten Museen der Stadt verbindet, zeugt nicht eben von urbanistischer Kultur. Ebenso wenig tut dies die Kontroverse, die sich um seine Neugestaltung nach den Plänen von Alvaro Siza entsponnen hat. Ausgelöst wurde sie von Baron Thyssen-Bornemiszas Witwe Tita Cervera, die sich als Schönheitskönigin und Kunstsammlerin, aber bisher nicht als Stadtplanerin hervorgetan hat. Nun droht sie, sich vor dem Museum Thyssen-Bornemisza an einen der Bäume fesseln zu lassen, die bei der Neugestaltung umgepflanzt werden sollen. Sie könnte damit ein Projekt zu Fall bringen, das bereits alle Bewilligungsverfahren durchlaufen hatte.

Gemäss der Baronin ist das Siza-Projekt ein ökologisches Attentat, dem 690 alte Bäume zum Opfer fallen werden. Baustellenmüde und dankbar für die Gelegenheit, ihr Umweltgewissen so bequem beweisen zu können, sind die Madrider scharenweise auf diese Behauptung hereingefallen, die laut den Planern irreführend ist. Gefällt werde nicht ein einziger Baum: Vorgesehen seien ausschliesslich Umpflanzungen (die indessen erfahrungsgemäss nicht alle Bäume überleben). Zudem beziehe sich die Zahl 690 auf das gesamte Planungsgebiet, schliesse die zahlreichen kranken Gewächse ein (deren 200 inzwischen bereits gefällt wurden) und entstamme ohnehin einem längst überholten Planungsstadium. Von den voraussichtlich 11 betroffenen Bäumen in der Umgebung des Thyssen-Museums sei im Übrigen kaum einer über zehn Jahre alt.

Alvaro Siza liess verlauten, der Wunsch der Baronin, ihr Museum durch einen Garten zu betreten, sei «höchst respektabel, aber leider nicht akzeptabel». Sein Entwurf sieht vor, den Verkehr fast ganz auf die West- bzw. Thyssen-Seite des Boulevards zu verlegen - freilich drastisch reduziert: Verglichen mit den bisher annähernd zwanzig Fahrspuren, wirken die fünf, die künftig vor dem Museum durchführen sollen, geradezu idyllisch. Besonnenere Kritiker erachten denn auch die Verkehrsführung und nicht die botanischen Aspekte für bedenklich an dem Projekt. Zumindest diskussionswürdig ist darüber hinaus, dass es die Symmetrie der auch als «Salón del Prado» bekannten Anlage bricht.

Für Diskussionen gesorgt aber hat allein der «Regenbogenurbanismus» der Baronin, von der übrigens keine der 600 im Bewilligungsverfahren behandelten Einsprachen stammt. Der Stiftungsrat des Thyssen-Museums hatte in mehreren Sitzungen mit den Planern Gelegenheit, seine Wünsche einzubringen, und die Verbreiterung des Trottoirs von drei auf fast acht Meter erscheint als klare Verbesserung der Museums-Umgebung. Dennoch konnte die Baumfreundin bereits einen Erfolg verbuchen: Madrids Bürgermeister hat inzwischen eine zweite öffentliche Präsentation des Projekts angeordnet.

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