Bauwerk

Museum der Moderne
Friedrich Poerschke Zwink Architekten Stadtplaner - Salzburg (A) - 2004

Epigonaler Minimalismus

Das Museum der Moderne in Salzburg

Der Blick vom gerade auf dem Mönchsberg in Salzburg fertiggestellten Museum der Moderne ist atemberaubend. Weniger inspirierend ist hingegen die Architektur des Neubaus, die mit dem Minimalismus flirtet, aber lediglich Mittelmässigkeit erreicht.

17. August 2004 - Hubertus Adam
Es gibt Situationen, da gerät selbst Kleinmut zur Befreiungstat: Im Juli 2001 beschloss der Salzburger Gemeinderat die Realisierung des Museums der Moderne auf dem Mönchsberg und beendete damit eine 15 Jahre währende Diskussion. Begonnen hatte alles in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre, als die barocke Stadt an der Salzach unter einem engagierten Stadtrat die zeitgenössische Architektur für sich entdeckte. Neben österreichischen Grössen arbeiteten die Schweizer Michael Alder, Diener & Diener oder Bétrix Consolascio am «Salzburg-Projekt», und Alvaro Siza gewann den Studienauftrag für den Mönchsberg: Das Casino und Café Winkler, ein belangloser Flachbau aus den siebziger Jahren, der wegen seiner grandiosen Aussicht über Dom, Festspielhäuser sowie die Festung Hohensalzburg zu den beliebtesten Attraktionen der Stadt zählte, sollte grundlegend umgebaut werden.

Diskussionen ohne Ende

Mehr Aufmerksamkeit als Sizas Projekt erzielte 1988 Hans Holleins Entwurf, die erste Europa- Dépendance der Guggenheim Foundation als gewaltige Kaverne in den Nagelfluh des Mönchsbergs zu sprengen - gleichsam eine Fusion aus dem Negativ von Frank Lloyd Wrights New Yorker Guggenheim-Spirale und Fischer von Erlachs Felsenreitschule. Auch wenn der Landeshauptmann dem Vorhaben 1990 eine Absage erteilte, blieb Holleins Vision in der Diskussion - selbst dann noch, als Guggenheim-Chef Thomas Krens sich für Frank O. Gehry und den Standort Bilbao entschieden hatte. Ende der neunziger Jahre schliesslich rückte der Mönchsberg erneut ins Blickfeld der Öffentlichkeit: Nicht mehr Museum im Berg, sondern Museum auf dem Berg lautete das Gebot der Stunde, und in einem Wettbewerb von 1998 unter Vorsitz von Luigi Snozzi konnten sich die jungen Münchner Architekten Klaus Friedrich, Stefan Hoff und Stefan Zwink durchsetzen. Die Box, welche die Sieger an die Stelle des Cafés Winkler neben der Vertikalen eines historisierenden Wasserturms zu placieren vorschlugen, stiess indes auf verhaltene Resonanz, und letztlich war nicht recht einsichtig, was denn eigentlich auf dem Mönchsberg ausgestellt werden sollte.

Restaurant als Herzstück

Kontakte zu privaten Sammlern wurden geknüpft und zerschlugen sich wieder. Inzwischen hat das Stammhaus Rupertinum eine Kollektion zeitgenössischer Kunst zusammengetragen, die - ergänzt durch Dauerleihgaben - zur Eröffnung des neuen Museums am 23. Oktober unter dem Titel «Vision einer Sammlung» erstmals zu sehen sein wird und, laut Pressemitteilung, «ein Panorama entwirft, das als Zielsetzung der weiteren Sammlungstätigkeit zu verstehen ist». Doch offensichtlich trauten die Verantwortlichen der Zugkraft ihrer Eröffnungsschau nur bedingt und veranstalten nun während der Festspiel-Saison eine Art von Voreröffnung mit der Ausstellung «ein-leuchten». Das Kalkül ist vermutlich richtig: Auffallen in Salzburg, das geht nur während der Festspiele, und der Mönchsberg ist von den Festspielhäusern nur knapp 200 Meter zu Fuss und 60 Höhenmeter im Lift entfernt.

Während Baumaschinen noch lautstark die Umgebung modellieren, ist der Bau fertiggestellt, und endlich hat auch Salzburg sein Museum für moderne Kunst - nach Wien, nach Klagenfurt, nach Linz, nach Graz. Auch das Café-Restaurant hat seinen Betrieb aufgenommen. Der prominente Spitzenkoch und Präsident der österreichischen Hoteliervereinigung, Sepp Schellhorn, sowie das Interior-Design von Matteo Thun garantieren dem Restaurant «Mönchsberg» sein Publikum - zusammen mit der Freiterrasse und ihrem atemberaubenden Blick über die Stadt. Das Restaurant bildet denn auch gewissermassen das Herzstück des neuen Museums: Zur Talseite hin überspannt die mit Platten aus Untersberger Marmor verkleidete Betonstruktur bügelartig den vitrineartigen Gastraum. Wirkt schon diese Kombination etwas schematisch, so nimmt man die 35 Meter lange Fassade mit ihrer simplen Box- Ästhetik von unten kaum als ästhetischen Gewinn für das Stadtbild wahr.

Da hilft es auch wenig, wenn die Architekten Friedrich, Hoff und Zwink durch die unterschiedliche Grösse des Plattenzuschnitts sowie schlitzartige Vertikalfugen - das Vorbild der Bauten von Ortner & Ortner ist überdeutlich - Lebendigkeit der Oberflächen zu erzielen suchten. Das in grauem Sichtbeton realisierte Innere gliedert sich in drei Raumschichten, die durch die beiden als Lichthöfe ausgebildeten Treppenhäuser getrennt sind. Unterirdisch gelangt man vom Mönchsberg- Lift aus direkt in das Foyer mit Auditorium und Museumsshop. Die zweite Ebene beherbergt Kunstlichträume, die dritte - auf der sich auch das Restaurant befindet - öffnet sich mit einem Panoramafenster zum Skulpturengarten auf der Nordseite und lässt den benachbarten Wasserturm über Gebühr ins Blickfeld treten. Die vierte Ebene schliesslich besteht aus Sequenzen von Oberlichtsälen.

Vorpremiere

Die gemeinsam mit «T-B A21» (Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Wien) organisierte Ausstellung «ein-leuchten» vereint Lichtobjekte und Lichtinstallationen zeitgenössischer Künstler. Der Bogen spannt sich von Jenny Holzer über Pipilotti Rist und Silvie Fleury bis hin zu Olafur Eliasson, der mit einigen neuen Arbeiten vertreten ist. Bald trifft man auf Discokugeln von John Armleder, dann wieder auf Neonarbeiten von Tracy Emin, Tim Noble und Sue Webster. Um die Werke zur Geltung zu bringen, mussten die Innenräume weitgehend verdunkelt werden. Gerade die Räume im obersten Stockwerk können so ihre Wirkung kaum entfalten. Aber auch ohne Abdunklung vermögen die Räume wohl kaum Faszination auszulösen. Gewiss, sie entsprechen den Konventionen, wie heute ein Museum für zeitgenössische Kunst auszusehen hat: reduzierte Materialpalette, orthogonale Anordnung der Säle, unterschiedliche Belichtungssituationen. Also alles richtig gemacht? Man könnte sagen ja, denn das Museum der Moderne ist flexibel und funktioniert gut. Doch woran es ihm fehlt, das ist räumliche Magie, das ist zurückhaltende Eleganz, das ist subtile Spannung. Etwas brav und banal kommt das neue Gebäude daher - Minimalismus auf epigonalem Niveau.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Akteure

Architektur

Bauherrschaft
Verein Museum der Moderne am Mönchsberg

Tragwerksplanung

Landschaftsarchitektur

Fotografie