Bauwerk

Museum der Moderne
Friedrich Poerschke Zwink Architekten Stadtplaner - Salzburg (A) - 2004

Wirklich weh tut's keinem

Demokratisch, offen, anonym: Architektenwettbewerbe sind auf den ersten Blick der ideale Modus der Projektfindung. Aber nicht immer - wie das Siegerprojekt des Wettbewerbs zum „Museum der Moderne auf dem Mönchsberg“ zeigt.

22. August 1998 - Liesbeth Waechter-Böhm
Wettbewerbe sind eine Einrichtung gegen die sich schwer argumentieren läßt. Dieser demokratische Modus zur Projektfindung, bietet Architekten eine Chance, sich zu profilieren, vor allem den jungen. Und er ist nicht selten der konkrete Anlaß, auch einmal solche Aufgaben konkret durchzuarbeiten, die im beruflichen Alltag ansonsten nicht vorkommen. Ohne Wettbewerbe käme es zu einer Verarmung der architektonischen Vielfalt und zu einer Austrocknung des architektonischen Berufsfeldes.

Man kommt nicht umhin, sich diese Tatsachen ins Bewußtsein zu rufen, wenn man über den Ausgang des europaweiten, einstufigen, offenen, anonymen baukünstlerischen Realisierungswettbewerbes zum „Museum der Moderne auf dem Mönchsberg“ nachdenkt. Vorneweg: Stürme der Begeisterung über das zur Realisierung empfohlene Siegerprojekt der jungen Münchner Architektengemeinschaft Stefan Zwink, Stefan Hoff und Klaus Friedrich sind nicht angesagt. Dabei hätte man sich genau die gewünscht.

Es ist die altbekannte und sehr österreichische Zwickmühle: Über irgendein Bauvorhaben wird so lange gestritten und diskutiert, bis es zu einer Zwangslösung kommt, von der vor allem die fachlich qualifizierten Diskutanten nur mit großen Einschränkungen überzeugt sind. Aber diese Einschränkungen lassen sich hierzulande ab einem gewissen Stand der öffentlichen Erörterung nicht mehr artikulieren, denn sie würden der falschen Seite zugeschlagen; sie würden, schlimmer noch, nicht die beabsichtigte, sondern eine gegenteilige Wirkung erzielen.

Salzburg hat in dieser Hinsicht viel mit Wien gemein. Und dort steht das wahrscheinlich prominenteste Bauvorhaben der Zweiten Republik, das sich einer vergleichbar ausweglosen Situation verdankt: das Haas-Haus von Hollein. Auch damals hat die qualifizierte Fachöffentlichkeit genau gewußt, daß das Projekt in seiner Endfassung weder städtebaulich noch in seiner architektonischen Durchbildung optimal ist. Aber auf dieser sachlichen Ebene hätte man öffentlich nicht operieren können, ohne sich unversehens im falschen politischen Lager zu finden beziehungsweise das Projekt grundsätzlich in Frage zu stellen. Und beides wollte wirklich keiner.

In Salzburg sind die Weichen ebenfalls in diese Richtung gestellt, obwohl kein prominenter Architekt im Spiel ist, nur ein prominenter Bauplatz. Salzburg hat jahrzehntelange Diskussionen über das Café Winkler und das inzwischen verwaiste Casino auf dem Mönchsberg hinter sich, es hat unbedingt diskussionswürdige Projekte - Sizá, Hollein - nicht weiterverfolgt, aber es hat mit einem demokratischen, offenen, anonymen Verfahren einen neuen Anlauf genommen. Und jetzt ist der politische Wille wirklich da, das von einer höchst qualifizierten Fachjury - Vorsitz: Snozzi; Mitglieder: unter anderem Achleitner, Schweighofer, Schattner, Czech - gekürte Siegerprojekt zu realisieren.

Aber man wird darüber nicht froh. Und gleichzeitig getraut man sich kaum, seine Vorbehalte zu formulieren. Denn man kann ja nicht sagen, daß das Siegerprojekt schlecht ist. Alle 145 Wettbewerbsbeiträge sind öffentlich ausgestellt. Aber es ist mir praktisch nicht passiert, daß ich innegehalten hätte, weil ein inhaltliches Konzept, eine formale Lösung so beeindruckend gewesen wäre, daß ich mehr hätte wissen wollen.

In dieser Ausstellung bleibt man stehen, weil man den Namen eines Architekten kennt und erfahren will, was er vorgeschlagen hat. Und weil man sich fragt, ob man auch ohne Kenntnis seines Namens (es geht um ein anonymes Verfahren) auf diesen Vorschlag reagiert hätte oder es nur tut, weil man jetzt weiß, von wem er ist? Im Angesicht des Krischanitz-Projektes, um die Sache zu konkretisieren, bin ich selbst zu keiner Antwort gekommen. Der Kommentar eines Jurors, daß es Krischanitz sehr geschadet habe, daß er „Museum“ auf sein Haus geschrieben hat (Frage: Was ist das für ein Haus, das so etwas nötig hat?), kann mich allerdings auch nicht zufriedenstellen.

Es ist nicht so, daß man der Jury nachsagen könnte, sie habe das entscheidende Projekt mißachtet. Wer will schon in das weitgehend vorgegebene Bauvolumen eine Adaption der Guggenheim-Spirale implantiert sehen? Oder aus dem Berg Schlitze herausgeschnitten, die dann oben auf dem Hang als Stelen aufgerichtet sind? Raimund Abraham hat einen gewaltigen „Drachen“ auf den Mönchsberg gestellt, dem man allerdings eine Qualität nicht absprechen kann: Er hat die (Ausschreibungs-)Diktion vom Umbau ernst genommen und sehr viel mehr von der Bausubstanz erhalten als die meisten anderen Mitbewerber, ohne daß die Stringenz seiner Architektur darunter gelitten hätte. Insofern wäre sein Projekt preiswürdig, zumindest ankaufwürdig gewesen.

Andererseits erstaunlich, daß etwa ein Antonio Citterio ein Projekt vorschlägt - Naturstein-Mauerwerk in Verbindung mit leichter Konstruktion - , das in Süditalien angemessen sein mag, aber - bei aller Präsenz einer gewissen Italianità - in Salzburg? Und Ben van Berkel hat sich eigentlich um überhaupt nichts gekümmert, er hat einfach seine ureigene Entwurfshaltung auf den Mönchsberg verpflanzt - ohne Rücksicht auf Verluste, ohne Rücksicht auf spezifische Anforderungen.

Man kommt nicht umhin: Es bleibt (fast) nur das Siegerprojekt übrig. Aber das ist leider eine ziemlich flaue Angelegenheit: Der Hauch der Inspiration weht einem jedenfalls nicht entgegen.

Es ist brav: Oberirdisch zwei Geschoße, flach hingeduckt, eine Terrasse zur Stadt und ein gewaltiges Panoramafenster, eine Steinfassade (Niederfluh, das Konglomerat des Mönchsberges). In das oberirdische Gebäudevolumen eingeschnitten sind zwei hofartige Räume, sodaß für natürliche Belichtung gesorgt ist. Diese Räume sind zwar nur etwa sieben Meter breit (Länge des Baus: circa 35 Meter), aber zumindest im einen Fall liefern sie letztlich die Rechtfertigung für jene übergebührliche, sentimentale, aber auch von der Jury sanktionierte Berücksichtigung des Wasserturms neben dem jetzigen Café Winkler. Wer künftig durch das Museum geht, hat diese architektonische Belanglosigkeit sozusagen als Orientierungspunkt vor Augen.

An dieser Stelle ist ein Brückenschlag zu meinen Eingangsbemerkungen angebracht: Wettbewerbe. Anonyme Wettwerbe. Das heute so viel geschmähte Café Winkler verdankt sich einem solchen Verfahren. Es wurde seinerzeit von jungen Architekten gewonnen, der erste und der zweite Preis wurden zusammengespannt, was dabei herauskam, das sieht man.

Auch aus dem jetzigen anonymen Wettbewerbsverfahren sind Sieger hervorgegangen, die niemand kennt; die noch nie gebaut haben. Man muß es ihnen gönnen. Es gibt keinen Grund, sie zu beflegeln. Aber auf das Urteil der Jury fällt doch ein Schatten: Gut, die Münchner haben einen niedrigen Bau vorgeschlagen, eine Terrasse zur Stadt, ein Panoramafenster, eine Steinfassade; ihre Haupterschließung des Gebäudes schraubt sich schneckenartig, serpentinenartig in die Höhe, zum Licht. Die Ausstellungsräume sind ruhig, zurückhaltend, aber sicher geeignet für die adäquate Präsentation auch konventioneller Kunst. All das tut keinem weh.

Die Fassadenlösung der Münchner hat trotzdem niemand gelobt. Und bei genauer Analyse kommt man nicht umhin, sogar funktionelle Mängel zu konstatieren. Denn um vom Museum ins Restaurant zu kommen, muß man das Gebäude verlassen. Das ist schon recht merkwürdig. Und die Schauräume des Museums und die temporären Ausstellungen sind nicht praktikabel getrennt. Und diese Argumentation ließe sich fortsetzen.

Nein, ein massiver Protest gegen den Salzburger Jury-Entscheid ist nicht angebracht. Nur der Hinweis, daß zum Beispiel gerade das, was am Projekt des Zweitgereihten, Ortner & Ortner, beanstandet wurde, eine konkrete Aussage über die Fassade, im Siegerprojekt nicht standhält. Denn Niederfluh oder Untersberger Marmor - das wird, das darf es ja wohl nicht sein? Oder ist wirklich keiner der Salzburger Juroren je am Bodenseeufer gestanden und hat die Delikatesse der Zumthor-Fassade bewundert?

Tatsächlich enthält das Ortner-Projekt keine lesbare Aussage über die Fassade. Andererseits: Funktionell ist es dem Siegerprojekt bei weitem überlegen. Bleibt die Frage: Wenn die Fassade überarbeitet werden muß, wenn auch die Erschließung überarbeitet werden muß und wenn - ganz unpragmatisch gesehen - auch die Inspiriertheit des Projekts im luftleeren Raum hängenbleibt, was von diesem Projekt hält sich dann überhaupt noch?

Die Antwort: der offene, anonyme, einstufige, baukünstlerische Wettbewerb. - Was aber, wenn das in diesem sehr speziellen und wohl auch für Österreich bedeutenden Fall das falsche Verfahren gewesen ist? Da sind wir wieder bei der Zwangslage, und um die kommen wir hierzulande bei den wirklich entscheidenden Bauvorhaben offenbar nicht herum.

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