Bauwerk

Sensei
Rainer Köberl - Innsbruck (A) - 2007
Sensei, Foto: Lukas Schaller
Sensei, Foto: Lukas Schaller
Sensei, Foto: Lukas Schaller
Sensei, Foto: Lukas Schaller

Sushibar Sensei in Innsbruck

„Schwarz und Gold“

Die Maria-Theresien-Straße ist Innsbrucks Marktplatz – eine breite Fußgängerzone mit Kettenläden, Drogerien, Bank- und Kaffeefilialen, wie man sie überall findet. Die Straßenbahn fährt durch, aber hauptsächlich muss man sich vor übers Kopfsteinpflaster flitzenden Radfahrern in Acht nehmen. Selbstverständlich gehört auch eine Nordsee-Filiale dazu. Ihre Imbisstheke steht zur Straße offen, und ihr Firmenzeichen, der rote Fisch, hängt wie ein Wirtshausschild heraus. Ein Geschoss darüber hat im April eine Sushibar geöffnet, die frech das Fischzeichen mitbenutzt, obwohl sie geschäftlich rein gar nichts mit Nordsee zu tun hat: Sensei nennt sie sich – zum roten Fisch. Die beiden sind wie Yin und Yang, Gegensätze, die Welten auseinander liegen: Unten bekommt man schnell eine Fischsemmel in die Hand gedrückt, oben kann man in eine Oase der Ruhe eintauchen.

Entrückt vom Fußgängerzonentrubel versinkt hier oben der schwarz lackierte Raum im schimmernden Dämmerlicht, konzentriert hantieren die Gäste mit ihren Stäbchen, während sich das Geschehen auf der Straße nur in bewegten bunten Flecken an der Decke widerspiegelt. Am späten Nachmittag schauen fesche Innsbrucker Damen nach dem Shoppen auf ein paar leichte Häppchen vorbei; später füllt sich das Lokal mit Gruppen von jungen Leuten, die sich nach der Arbeit mit Freunden treffen. Seit der Eröffnung ist es stets ausgebucht.

Der Architekt Rainer Köberl meint, von japanischer Kultur verstünde er zwar nicht viel, aber ihm schwebten Farben vor, schwarz und gold. Tatsächlich gelang es ihm überzeugend, mit geringem Budget eine Atmosphäre zu zaubern, die „asiatisch“ auf uns wirkt: ein streng in links und rechts gegliederter, kleiner Raum ohne überflüssige Details, mit reflektierenden Wänden und Decke. Seine Raumkanten verschwimmen, so wird die Aufmerksamkeit auf die wenigen Lichtinseln auf den Tischen gelenkt. Die Wandverkleidung aus schwarz glänzenden Schichtstoffplatten ist makellos montiert, was das preisgünstige Material überraschend veredelt. Die beiden langen Raumseiten flankieren bequeme, tiefe Sitzbänke mit einem schwarz changierenden Pannesamtbezug. Fast wie Blattgold leuchtet die heftige, gelb und schwarzbraune Maserung der quadratischen Holztische aus indischem Apfelbaum. Gleich beim Eintreten wird der Blick mit Hilfe von Deckenleuchten vom Raum ab- und auf den Boden gelenkt: ein handwerklich gekonnt ausgeführter Holzboden aus Lärche. Die Dielen wurden gebürstet, schwarz gebeizt und geschliffen, bis die harten Jahresringe wieder im hellen Holzton hervortraten. Sie sind gespiegelt verlegt, so dass sich die Maserung in exotischen Flammenornamenten am Boden abbildet. Außer diesen „goldenen“ Schnörkeln fallen als einzige Dekoration im Raum drei Vasen mit weißen Lilien auf; sie werden von dünnen Halogenlichtröhren wie auf einer Bühne angestrahlt und heben sich so scharf vom diffus schillernden Hintergrund ab.

Inhaber und Sushi-Meister ist der Nepalese Dil Ghamal. Er hat ursprünglich das Goldschmiede-Handwerk gelernt und werkelt nun hinter einer schwarz bedruckten Glasscheibe, die die kleine Küchenzeile vom Raum ein Stück weit bis zur Bar abtrennt. Nur ein schmaler Sehschlitz aus Klarglas gewährt einen Blick auf seine Hände zwischen Sojasaucen, Salztöpfen, Ölen und dem Wok. Rainer Köberl gelingt es, die delikaten Sushi-Wickelkünste des Meisters, die auf den Tisch kommen, wie Schmuckstücke zu präsentieren – sie sind Mittelpunkt und Hauptattraktion des Interieurs. (Text: Sabine Schneider, aus: Baumeister 6/07)

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Für den Beitrag verantwortlich: aut. architektur und tirol

Ansprechpartner:in für diese Seite: Claudia Wedekindclaudia.wedekind[at]aut.cc