Bauwerk

Musiktheater Linz
Terry Pawson, archinauten, Architektur Consult - Linz (A) - 2013

Innen sehr stimmig

Das Musiktheater: 30 Jahre Bauzeit, ein goldener Saal und ein paar Kompromisse.

11. April 2013 - Lorenz Potocnik
Fangen wir innen an. Innen ist eine Überraschung. Innen stimmt das meiste. Das Haus ist hell, die Stiegenhäuser sind eine Freude. Überall wurden hochwertige Materialien wie Stein, Messing und Holz verwendet. Die Stimmung ist unaufdringlich feierlich. Die Lobby mondän, der große Saal prächtig.

Der goldene Probesaal des Bruckner Orchesters ist in seiner Einzigartigkeit ein Höhepunkt. Er wirkt technisch reduziert, fast wie ein Tonstudio, und ist trotzdem spektakulär.

Hinter den Kulissen geht es aufgeräumt zu. Auch hier: hell und transparent. Ziemlich perfekt alles. Zu perfekt? Im Theater muss ja auch geschwitzt und improvisiert werden. Und Künstler brauchen für ihre Arbeit Räume, die sie sich aneignen können. Egal. Die gesamte Komposition der Innenräume zeugt von Stilsicherheit. Vielleicht ein wenig konservativ, aber doch legitim und richtig in einer zu sehr nach Aufmerksamkeit heischenden Architekturwelt. Hier im Inneren sind die echten Qualitäten des neuen Musiktheaters. Und die Räume versprechen besonders im Wechselspiel mit den Besuchern gut zu wirken und zu funktionieren.

Außenansicht

Außen wird es deutlich schwieriger. Die Fassade aus Stein und Beton will repräsentieren. Aber braucht es heute bei einem Theaterbau dieser Dimension überhaupt noch Repräsentation über die Oberfläche? Und ob dafür der verwendete Travertin (aus Italien) das Richtige ist? Es wird von einem Vorhang gesprochen. Das ist so aber nicht erfahrbar und damit in die Kategorie Architekten-Marketing-Jargon zu reihen. Die Fassade ist zwar an sich sauber durchgespielt, steht aber im unangenehmen Widerspruch zum geglückten Inneren. Das ist – was die Architektur betrifft – der Wermutstropfen.

Bauliche Integration

Städtebaulich bleibt das Theater ein Solitär und zu sehr Stück Architektur. Es ist zu wenig mit dem Umfeld verzahnt. Nur in Richtung des Volksgartens entsteht dank des offenen Foyers Austausch. Das war auch der entwerferische Fokus und entscheidend im Wettbewerb. Dieser Fokus hat aber einen hohen Preis: Sehr nachteilige Hinterseiten entstehen. Die positive Strahlkraft auf das gesamte und unmittelbare Umfeld bleibt deswegen in Wirklichkeit begrenzt. Städtebaulich scheint sich das Theater daher mehr zu „nehmen“ als zu „geben“.

Es ist allseits bekannt, aber doch wesentlich: Das Musiktheater hat lange gebraucht. Besonders die Standortfrage erwies sich als schwierig, obwohl sie das eigentlich nicht hätte sein dürfen. In Linz gab es genug gute Standorte für einen solchen Bau. Eine fundierte Untersuchung Anfang der 1990er durch ein Grazer Team verglich diese. Dabei war eindeutig eine Position an der Donau, egal ob auf Urfahraner oder Linzer Seite, die beste. Mehrere Standorte wurden im Laufe der Jahre durchgespielt, zum Teil mit baureifen Plänen (Theater im Berg). Alle scheiterten.

Diese über 30 Jahre dauernde und schwindelerregende Entstehungsgeschichte ist integraler Bestandteil des heute an diesem Ort fertig gebauten Musiktheaters. Vieles – aber nicht alles – erklärt sich daraus. Städtebauliche Schwächen, ein mit „Schaum“ aus Aluminiumkugeln verkleidetes Trafohäuschen, das dort am Vorplatz einfach nicht sein dürfte (Kunst am Bau von Hans Kupelwieser), oder eben die Steinfassade (anstatt der von Wettbewerbssieger Terry Pawson vorgeschlagenen, aber verhinderten „ortsspezifischen“ Stahlplattenhaut) sind Beispiele für diese Kompromisse.

In einem Satz: Das neue Linzer Musiktheater ist im Inneren sehr stimmig, als Meisterwerk in die österreichische Architekturgeschichte wird es voraussichtlich aber nicht eingehen.

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Für den Beitrag verantwortlich: Oberösterreichische Nachrichten

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