Award

ZV-Bauherrenpreis 2018
Bauherrenpreis - ZV der ArchitektInnen Österreichs - Wien (A)
Preisverleihung: 19. Oktober 2018

Wider den baulichen Wahnsinn

Sechs Preisträger machen aus unserem Land noch keine Baukulturnation. Sie sind rare Musterbeispiele, für die dringend Nachahmer gefragt wären. Zur Verleihung des Österreichischen Bauherrenpreises.

20. Oktober 2018 - Franziska Leeb
Ob überdimensionale Baustrukturen von Großinvestoren, die gewachsene Stadtmorphologien zerstören, scheußliche Gewerbegebiete, die für die Entvölkerung malerischer Innenstädte sorgen, oder der ökonomische, ökologische und gestalterische Wahnsinn der Zersiedelung durch Einfamilienhäuser: Für all das sind – vom Investor bis zum Häuslbauer – Bauherren verantwortlich. Im Idealfall verstehen sie etwas von Architektur und vom Bauen. Immer öfter dirigieren das Bauen jedoch externe Bauherrenvertreter und Juristen und sind Bauherren als Personen nicht greifbar. Dann werden Architektur und Baukultur von kurzsichtigem Verwertungsdenken und schnelle Renditen in die Mangel genommen.

Daher ist es recht und billig, einmal pro Jahr jene Gebäude samt ihren Auftraggebern und Planern zu ehren, die in gedeihlicher Kooperation der Akteure entstanden, architektonisch vorbildlich sind und einen positiven Beitrag zur Verbesserung des Lebensumfeldes leisten. Seit über 50 Jahren verleiht die Zentralvereinigung der Architektinnen (ZV) den Österreichischen Bauherrenpreis. Sechs Siegerprojekte ermittelte heuer die mit der Architekturpublizistin Gabriele Kaiser sowie den Architekten Stefan Marte und Andreas Bründler besetzte Jury.

Dass sich darunter zwei Schulbauten befinden, überrascht nicht, haben doch die gesellschaftliche Debatte über das Bildungswesen und geänderte Abläufe im Schulalltag den Diskurs über die adäquate Schularchitektur befördert. Beiden gingen EU-weit ausgeschriebene Wettbewerbe voran. Bei der Bundesschule Aspern in der Wiener Seestadt war mit der Bundesimmobiliengesellschaft eine im Schulbau routinierte Bauherrin zugange. Sie erarbeitete ein Raum- und Funktionsprogramm, mit dem Österreich an internationale pädagogische Standards im Schulbau anschließt und das Fasch und Fuchs Architekten in eine ebenso international konkurrenzfähige lichtdurchflutete, stimulierende Lernlandschaft übersetzten.

Alles andere als Routine ist ein Schulbau in kleineren Gemeinden wie Lauterach in Vorarlberg, wo es den politisch Verantwortlichen Courage abverlangt, neue Wege zu gehen. In einem langjährigen Entwicklungsprozess wurden ab 2005 die pädagogischen und räumlichen Grundlagen in mehreren Arbeitsgruppen entwickelt. Es ist den intensiven Diskussionen und der Testplanung im Vorfeld zu danken, dass das Bestandsgebäude aus den 1930er-Jahren nicht kurzerhand einem Neubau weichen musste, sondern in eine Erweiterungsplanung integriert wurde. Man betrat zweifach Neuland: mit dem offenen Raumkonzept, aber auch architektonisch, da die Wettbewerbssieger, das Grazer Architekturbüro Feyferlik/Fritzer, mit einem lockeren Pavillon-Gefüge mit direkt von außen betretbaren Unterrichtsclustern landläufigen Vorstellungen von typisch „Vorarlberger Architektur“ nicht entsprachen. „Die Architektur macht den Kindern nichts vor, sondern schenkt ihnen einfach Raum für Erfahrung“, resümierte die Jury. Ums Vormachen geht es oft im Tourismus, wo mit auf alt getrimmtem Holz Klischees vom gemütlichen Urlaub in der Alpenrepublik bedient werden. Hotelier Robert Hollmann ging mit den Architekten Winkler und Ruck einen anderen Weg. Die in Holzblockbauweise und mit Sockeln und Stiegenhäusern aus brettgeschaltem dunklem Beton auf wenig Grundfläche errichteten Häuser Luki, Toni und Franzi auf der Turracher Höhe zelebrieren traditionelle Handwerkskunst und bringen Archaik und Moderne souverän in Einklang. Aus einer Katastrophe geboren ist ein Siegerprojekt, das sich als Ausflugsdestination empfiehlt. Am Rindberg in Sibratsgfäll im Bregenzer Wald setzte 1999 heftiger Regen einen ganzen Hang samt Almdorf in Bewegung. Die große Rutschung hinterließ tiefe Spuren in der Landschaft und im Bewusstsein der Einwohner, und es ist gewiss, dass der Boden weiter in Bewegung bleiben wird. Zur Bewältigung und Akzeptanz dieser Situation trägt die „Georunde Rindberg“ bei, ein Erinnerungspfad, initiiert vom ehemaligen Bürgermeister Konrad Stadelmann und gestaltet vom Architekturbüro Innauer-Matt mit dem Designteam Super BfG. Acht Installationen in der Landschaft zeichnen die Geschehnisse nach und deuten die Geschichte positiv um. Auch so kann Dorferneuerung praktiziert werden.

„Was immer Sie vorschlagen, ich sage Ja.“ So ein Deal wird auch für erfolgsverwöhnte Architekten wie Wolf D. Prix selten angeboten. Und so kam es, dass ein schillerndes, mit Edelstahlschindeln verkleidetes Gebilde von Coop Himmelb(l)au gleich einem aufgehenden Teigling an der Westautobahn bei Asten hinter den Leitplanken emporwächst. Backmittelerzeuger Peter Augendopler macht hier in der „Wunderkammer des Brotes“ seine aus Tausenden Exponaten bestehende Sammlung zum Thema Brot zugänglich und konnte mit der exzellenten Präsentation im kühn nach oben gedrechselten Ausstellungsraum die Jury für sich gewinnen.

Solche Inszenierungen haben im Wohnbau nichts verloren, wenngleich der Name des steirischen Preisträgers glamourös und die Ausbildung des Wohn- und Geschäftshauses im Grazer Lendviertel von höchster Eleganz ist. Die „Prinzessin Veranda“ bildet mit dem weißen Kleid ihrer Fassadenschicht aus Loggien und Veranden einen eleganten Ruhepol im zerfransten Quartier. Licht in den tiefen Baukörper kommt über ein elliptisches Atrium, von dem Laubengänge die Wohnungen erschließen. Für die leicht zu merkende Binsenweisheit „Wohnungsbau ist Städtebau“ findet sich hier ein heute rares Musterbeispiel, dazu gute Grundrisse, konsequente Materialisierung und hohe Detailqualität: Geht so etwas wirklich nur dann, wenn – wie es die Schöpfer der Prinzessin, das Architekturbüro Pentaplan, es seit 20 Jahren erfolgreich praktizieren – Planer und Projektentwickler in Personalunion agieren?

Die sechs Bauherrenpreisträger setzen Maßstäbe, und dafür wurden sie jüngst im Orpheum in Graz gefeiert. Sogar der Bundespräsident sandte eine Grußbotschaft: „Raumordnungsfragen und Stadtentwicklungen beeinflussen alle Bereiche der Gesellschaft. Sie prägen den öffentlichen Raum, unser Lebensumfeld, das soziale Lebensgefühl.“ Fußballspielen und Skifahren haben jedenfalls deutlich weniger Auswirkungen. Für die Bauherren des Jahres bräuchte es wohl ein ähnliches Begleitbrimborium mit TV-Show und Publikumsvoting, wie es den Sportlern des Jahres zuteilwird, damit sie zu breitenwirksamen Vorbildern und Helden der Nation werden

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