Award

ZV-Bauherrenpreis 2021
Bauherrenpreis - ZV der ArchitektInnen Österreichs - Wien (A)
Preisverleihung: 15. Oktober 2021

Hoppauf ohne Fahrstuhl

Was haben eine Liftkabine, ein VinziDorf, ein Steinbockzentrum, das Sigmund-Freud-Museum, eine Auferstehungskapelle und ein Schulzentrum gemeinsam? Sie alle wurden mit dem diesjährigen Bauherrenpreis ausgezeichnet.

30. Oktober 2021 - Franziska Leeb
One of the most difficult design issues: how to go from A to B?“ lautet eine handschriftliche Notiz auf einem Grundrissplan der Villa dall'Ava in Paris, den Rem Koolhaas anno dazumal in seinem Buch „S, M, L, XL“ veröffentlichte. Die Herstellung einer guten Verbindung von A nach B hat auch die Verantwortlichen der Stadt Steyr immer wieder beschäftigt. Die Stadtteile Steyrdorf und Tabor sind durch eine 35 Meter hohe Geländestufe getrennt. Bis vor genau 70 Jahren, Ende Oktober 1951, die Taborstiege eröffnet wurde, war man nur auf Umwegen auf die Höhe gelangt. Als „eine dem Gelände und dem Baucharakter der Umgebung vorzüglich angepasste Stiege“ beschrieb ein Reiseführer aus den 1950er-Jahren die nach Plänen von Architekt Josef Preyer errichtete und seit 2009 denkmalgeschützte Anlage, die mit 243 Stufen nach oben führt.

Statt der Treppe einen Aufzug zur Überwindung der Höhendifferenz hätte sich nicht nur der Lehrkörper des Bundesrealgymnasiums am Michaelerplatz gewünscht, als in den 1960er-Jahren einige Klassen in einer Expositur auf dem Tabor untergebracht waren: Während der fünfminütigen Pausen mussten die Lehrer die steile Stiege – angespornt von Hoppauf-Rufen der Schüler – hinaufsprinten, ehe der Direktor die Anfeuerungen strengstens verbot, berichtet die Maturazeitung des Jahres 1967. Der Architekt Helmut Reitter war zu dieser Zeit Gymnasiast in Steyr. 2017 gewann er den Wettbewerb für einen Lift auf den Tabor, dem mehrere Machbarkeitsstudien vorangegangen waren. „Mehr Reichtum kann Einfachheit nicht generieren“, heißt es im Juryprotokoll zum Siegerprojekt, das im Sommer vergangenen Jahres eröffnet und heuer mit dem Bauherrenpreis ausgezeichnet wurde. Der Zugang führt durch einen Teil des im Zweiten Weltkrieg von Zwangsarbeitern errichteten Luftschutzstollens. Eine Grafik vom Stollensystem und ein Text des Mauthausenkomitees erinnern an diese traurige Vergangenheit.

Schlicht und zweckmäßig

Ein paar Sekunden fährt die verglaste Liftkabine durch den Berg, ehe sie im vor dem Felsen geführten Liftturm den Blick auf die Stadt freigibt, um schließlich auf dem oberen Zugangssteg zu landen, der zugleich Aussichtsplattform ist. Ein vertikaler und ein horizontaler Balken, minimalistisch und so gesetzt, dass weder die Stiege noch die Grotte im Konglomeratgestein beeinträchtigt wird. Beton und Stahl, in der rostbraunen Farbigkeit auf die Natur und die Dachlandschaft der Stadt abgestimmt. Schlicht und zweckmäßig ist er, der Panoramalift, der ohne gestalterische Verrenkungen zu einem markanten Zeichen in der Stadt wurde, das alltägliche Wege erleichtert und bereichert.

Über zehn Jahre lang kämpfte der Grazer Pfarrer Wolfgang Pucher Seite an Seite mit Alexander Hagner und Ulrike Schartner vom Architekturbüro Gaupenraub gegen kleinliche Einwände, die wohl in erster Linie zum Ziel hatten, das VinziDorf für alkoholkranke Obdachlose in Wien-Hetzendorf zu verhindern. Der Bauherrenpreis dafür würdigt nicht nur das soziale Engagement, sondern auch die großartige Architektur, die trotz der prekären Umstände gelungen ist.

Die Errichtung der kleinen Siedlung aus Holzhäusern unter Bäumen und die Umwandlung eines Wirtschaftsgebäudes zum gastlichen Gemeinschaftshaus wurden dank Spenden und von Firmen geschenktem Baumaterial sowie tatkräftiger Hilfe von Schülerinnen und Schülern der HTL Mödling möglich. Nur neun Quadratmeter stehen den Bewohnern in den unter den Bäumen verteilten Häusern zur Verfügung. Bei der Gestaltung und Positionierung der Häuser wurde aber alles bedacht, was in luxuriöseren Wohnanlagen oft vergessen wird: Gedeckte Wege und auskragende Dächer schützen den Zugang zu den Wohneinheiten, keine Eingangstür liegt einer anderen gegenüber, aus keinem Fenster gibt es Einblick in ein anderes, sodass die Privatheit der Bewohner, die Mühe haben, sich mit den Bedingungen in herkömmlichen Quartieren für Obdachlose zu arrangieren, gewahrt bleibt. Hier finden sie einen achtsam gestalteten Ort vor, der ihnen Sicherheit und Geborgenheit bietet und mehr als bloß ein Dach über dem Kopf gibt.

Der Geschichte der Wiederansiedlung des Steinbocks und der Kulturgeschichte der Region ist das Tiroler Steinbockzentrum in St. Leonhard im Pitztal gewidmet. Dass neben Wissenswertem über den Steinbock hier auch die spannende Geschichte der Männer und Frauen aus dem Pitztal erzählt wird, die als Pioniere der Fotografie Porträts der Region schufen und als Wanderfotografen ganz Europa bereisten, ist dem Engagement der Gemeinde unter Bürgermeister Elmar Haid und den Architekt:innen Rainer Köberl und Daniela Kröss zu verdanken. Es ist ein Gebäude, das architektonisch und inhaltlich mit der Landschaft eins ist, keine für Tourismusdestinationen typische modische Spektakel-Architektur.

Vorstellungskraft statt Inszenierung

Geschichte und Zusammenhänge zu erläutern ist auch die Aufgabe des Sigmund-Freud-Museums in der Wiener Berggasse. Unter der Regie der Sigmund-Freud-Stiftung und Direktorin Monika Pessler sowie der Architekten Artec, Hermann Czech und Walter Angonese wurde es saniert, um neue Besucherservice-Einrichtungen erweitert und allgemein ein Museum geschaffen, das nicht die gängige Erwartungshaltung einer Inszenierung, wie es hier einmal gewesen sein könnte, erfüllt, sondern die Vorstellungskraft der Besucher stimuliert.

Viele Mitwirkende – allen voran die Mitglieder des Kapellenvereins, die selbst Hand anlegten, sowie Architekt Tom Lechner – ermöglichten auch ein weiteres preisgekröntes Objekt: die Auferstehungskapelle in Straß im Attergau. Der feine Sakralbau aus (gespendetem) Holz über einer Klammer aus gespitztem Beton ist nicht nur ein Ort der Andacht geworden, sondern ebenfalls ein Anziehungspunkt für viele Menschen aus der Umgebung.

Fichtenholz und Lärche dominieren die Raumstimmung im Schulzentrum Gloggnitz von Dietmar Feichtinger Architectes. Gefordert und realisiert wurde ein nachhaltiges Gebäude, womit einerseits die ökologischen Faktoren gemeint waren und andererseits eine Schule, die auf vielfältige Weise gestisch und funktional mit der Stadt in Dialog tritt sowie zeitgemäßen Bildungskonzepten, Inklusion und Diversität Raum gibt. Das ist so vortrefflich gelungen, dass die Stadt Gloggnitz und Bürgermeisterin Irene Gölles als Bauherrschaft geehrt wurden. Dieses vielschichtige Gebäude wie auch die anderen fünf Preisträger werden wohl nicht nur noch lange ihren Anforderungen gerecht werden, sondern ihren Benutzerinnen und Benutzern auch viel Freude bereiten.

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