Bauwerk

Seminarzentrum und Gästehaus
Marcel Meili, Markus Peter Architekten - Rüschlikon (CH) - 2000
Seminarzentrum und Gästehaus, Foto: Christian Vogt
Seminarzentrum und Gästehaus, Foto: Christian Vogt
Seminarzentrum und Gästehaus, Foto: Christian Vogt

Leere Sockel im Buchsparterre

Besuchte man Mitte des vergangenen Jahrhunderts den Industriemagnaten Carl Martin Leonhard Bodmer und seine Frau Anna Vogel auf ihrem Landsitz in Rüschlikon, bog man von der Hauptstrasse in eine Allee und liess sich von den Linden hangabwärts in den üppig von Koniferen gefassten, schattigen Ehrenhof vor das Portal der grossbürgerlichen, neobarocken Villa geleiten.

1. Mai 2002 - Udo Weilacher
Wem sich die Eingangspforte und schliesslich sogar die grossen Türen vom schönen Salon zur sonnigen Gartenterrasse öffneten, der konnte zwischen zwei Bäumen hindurch über das flankierende Buchsparterre mit Rosen hinweg in den zentralen Gartenraum blicken: auf einen grosszügigen quadratischen Rasenteppich, seitlich gefasst von zwei Kastanienalleen und mit einem Brunnen in der Zentralachse, hinter dem sich am Horizont das malerische Alpenpanorama aufspannte. Bis heute ist der Grünraum aus den zwanziger Jahren das Herz der gesamten Anlage, doch der Brunnen ist ebenso verschwunden wie der Blick in die Alpen, den eine Kulisse aus Ahornbäumen versperrt.

Wer heute das neue Centre for Global Dialogue der Swiss Re aufsucht, fährt an der Allee zum ehemaligen Bodmergut eher achtlos vorüber und verlässt die Strasse erst da, wo kleine Baumgruppen und formgeschnittene Hecken die Vorfahrt zum eleganten Seminargebäude der Architekten Meili & Peter markieren. Es könnte in seiner stilistischen Zurückhaltung kaum in grösserem Kontrast zur nahe gelegenen Villa stehen, welche die Architekten Richard von Sinner und Hans Beyeler 1926/27 historisierend im Stil bernischer Landschlösser des 18. Jahrhunderts errichteten.

Was Alt und Neu jedoch verknüpft, ist der vermutlich vom Gartenarchitekten Vivell entworfene Park, in dem sich von jeher architektonisch formale, «französische» Gestaltungselemente mit landschaftlich freien, «englisch» gestalteten Gartenteilen in reizvollem Kontrast verbanden. Diesem Gartenensemble wurde im Zuge der Neu- und Umbauten eine aktuelle gestalterische Schicht gekonnt hinzugefügt, zwischen 1996 und 1998 geplant von den Zürcher Landschaftsarchitekten Kienast Vogt Partner und bis zum Jahr 2000 realisiert von Vogt Landschaftsarchitekten.

Kennzeichnend für die neue Gestaltung ist Respekt vor dem historischen Parkkonzept, dezente Akzentuierung vorhandener Parkelemente und taktvolle Neuinterpretation jener Gartenteile, die den Lauf der Zeit oder die jüngsten Baumassnahmen nicht überstanden. Mit Neupflanzungen verstärkt wurde etwa die pittoreske Kieferngruppe auf dem Rasenhügel beim neuen Haupteingang, den ein schmaler, gewundener Parkweg erschliesst. Auf der Kuppe des Hügels, den das Tagungszentrum waagrecht durchkreuzt wie ein Luxusliner eine Ozeanwelle, ahnt man noch nichts vom tiefer gelegenen zentralen Gartenraum. Eine minimalistische Betonskulptur von Sol LeWitt hat sich kammförmig im Hügel verankert und lenkt den Blick zum Zürichsee.

Erst an der meterhohen Stützmauer weiter unten überblickt man die beiden Buchsparterres mit ihren leeren Sockeln im Zentrum. Die schlecht erhaltenen Statuetten konnten nicht wiederhergestellt werden, doch anstatt sie zu reproduzieren, liess man die Sockel leer und verlieh den rechteckigen Parterres damit einen neuen, unarchitektonischen Ausdruck. Unterschiedliche Buchsarten in verschiedenen Grüntönen zeichnen rätselhafte amorphe Formen, deren Bezüge zur neobarocken Anlage man vergeblich sucht.

Auf überlieferten Grundrissen entstanden auch zwei lange Reflexionsbecken, die ins schattige Grün der beiden alten Kastanienalleen stimmungsvolle Lichtreflexe werfen und in der Spiegelung die irritierende Leere der Sockel in den Parterres verdoppeln. Das westliche Wasserbecken führt an jene Schlüsselstelle, wo sich das Seminargebäude durch die Kastanien an den zentralen Grünraum schiebt, um Anschluss an das Herz des Parks zu finden.

Vom grossen Seminarraum im weit auskragenden Obergeschoss geniesst man den Blick in die Baumkronen und auf die Rasenfläche, die im Frühling von vierhunderttausend Krokussen in einen farbenfrohen Blütenteppich verwandelt werden soll. Eine willkommene Abwechslung inmitten der monochromen Inszenierung aus fein abgestuften Grüntönen und unterschiedlichen Blatttexturen.

Im Erdgeschoss gelingt an der Schnittstelle zwischen Alt und Neu die genussvolle Zuwendung zum Garten nur an der Glasfront der Bibliothek, die sich nach Osten jener Baumhalle öffnet, wo früher der Brunnen den Blickpunkt bildete. Ulrich Rückriem akzentuierte diesen Ort mit einer flach in den Boden eingelassenen, kraftvollen und farbig dezent vom Kiesbelag abgesetzten Natursteinskulptur.

Dem Zürichsee entgegen gelangt man auf die grosse Aussichtsterrasse, die die Hangkante topographisch gekonnt betont. Den Ausblick in die Landschaft werden auch in Zukunft zwei markante Dreiergruppen von Säulenpappeln rahmen. Gehölze, die den Blick versperrten, liess man roden und bepflanzte den Hang stattdessen mit einer Komposition aus Blütensträuchern und Stauden, die zu jeder Jahreszeit einen abwechslungsreichen Anblick bieten sollen.

In den südostexponierten Geländevorsprung bauten die Architekten ein von der Terrasse aus kaum sichtbares Teehaus mit Aussichtsterrasse, das man über eine schmale Treppe oder über den hangparallelen Panoramaweg durch die Blütensträucher erreicht. Vom Teehaus führt einen der Weg zurück und hinauf zum ehemaligen Gärtnerhaus an der Strasse.

Hier begegnen sich nochmals architektonische Vergangenheit und Gegenwart auf engstem Raum, treffend prononciert durch ausdrucksvolle Baumgruppen.

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