Bauwerk

Swarovski Kristallwelten - Spielturm und Spielplatz
Snøhetta Studio Innsbruck - Wattens (A) - 2015
Swarovski Kristallwelten - Spielturm und Spielplatz, Foto: Snøhetta
Swarovski Kristallwelten - Spielturm und Spielplatz, Foto: Snøhetta

Spielturm und Spielplatz

Swarovski Kristallwelten Erweiterung

2. Oktober 2015 - aut. architektur und tirol
Die vor 20 Jahren nach einem Konzept von André Heller geschaffenen Swarovski Kristallwelten sind in ihrer Mischung aus Kunst und Kultur, Entertainment und Shopping eine der meist besuchten Tourismusattraktionen in Österreich. Anlässlich des 20-jährigen Bestehens wurde diese Erlebniswelt rund um den Riesen auf das Doppelte vergrößert. Neben fünf neuen Wunderkammern und einem weitläufigen Park mit einer Wolke aus 800.000 Kristallen und einem Spiegelwasser als Herzstück (Gestaltung Andy Cao und Xavier Perrot), wurde von s_o_s architekten (Hanno Schlögl, Johann Obermoser und Daniel Süß) ein neues Eingangsgebäude errichtet und der Store komplett neu gestaltet. Der Zugangstunnel zum Store wurde vom Büro Snøhetta konzipiert, das außerdem für ein Restaurant und einen Spielturm mit Spielplatz verantwortlich zeichnet.

Die Erweiterung der Swarovski Kristallwelten zielt darauf ab den Besucher durch vielseitige Sinnesreize zu bewegen. Unter diesem Aspekt wurde mit besonderem Fokus auf Kinder eine völlig neue Gebäudetypologie entwickelt. Im südlichen Ende des weitläufigen Parks situiert, bietet ein 20 Meter hoher Spielturm eine Vielzahl von Spielmöglichkeiten auf mehreren Ebenen Kinder können hier entdecken und neben Netz klettern. Die Fassade des Turms besteht aus 160 kristallinen Glaspaneelen, wobei keines dem anderen gleicht. Bedruckt sind die Glasflächen mit einem Pattern aus Tiermotiven, entwickelt aus Figurinen der Fa. Swarovski. Der Blick von innen nach außen ist immer frei, genauso wie man von außen alle Aktivitäten im Inneren des Turm beobachten kann. Der Spielplatz ist eine frei geformte Struktur, bestehen aus Stahl und Holz, die Kindern Freiraum zum Spielen bietet. Während die bedeckte Fläche oben zum Klettern, Verweilen oder Rutschen einlädt, kann man sich ebenerdig in den verwundenen Gängen verstecken.

Das Kernthema des Entwurfs ist es „Spielen“ in seiner ursprünglichen Form zu begreifen und dafür eine zeitgemäße architektonische Umgebung zu schaffen. Spielen ist intuitiv, ungezwungen, überraschend und kreativ. Diese Überlegungen führten dazu, dass das Spielareal der Kristallwelten nicht aus einer Aneinanderreihung einzelner Spielgeräten besteht, sondern vielmehr als Landschaft wirken soll, die von Kindern intuitiv benutzt wird. Der Spielplatz sowie der Spielturm laden zum Entdecken ein, zum Benutzen und Erfinden. Daher gibt es wenige „klassische“ Spielgeräte, sondern vielmehr thematische „Zonen“. Spielgeräte werden im Kombinationen wirksam, Spielräume und Zonen überschneiden sich.

Während der Spielplatz mehr als horizontale Landschaft wirkt, fokussiert sich der Turm auf ein Spielen im vertikalen Raum. Der Außen-Spielplatz ist weitläufig und besteht im Wesentlichen aus zwei Ebenen: zum einen die begehbare Holzfläche, zum anderen die Fläche darunter, in der sich durch die gebogenen Stahlplatten runde Gänge und Räume bilden. Es geht hier vor allem um das weitläufige Bewegen, Entdecken, Verstecken. Zusätzlich sind Schaukeln, eine breite Rutsche und Klettergriffe in die Struktur integriert.

Im Spielturm sind die Spielzonen eindeutiger ablesbar, da sie sich auf die verschiedenen Ebenen verteilen, wobei diese Zonen durch vertikale Durchbrüche verbunden werden. Als zentrales Verbindungselement wirkt das etwa 13 m hohe Kletternetz, welches von Ebene 2 bis Ebene 5 reicht. Das Netz ist in dieser Form einzigartig und konnte in enger Zusammenarbeit mit Vertretern des TÜV sowie dem Hersteller entwickelt werden. Eine Struktur aus aneinander liegenden abgestumpften Oktaedern ermöglicht zum einen das Klettern, zum anderen garantiert sie, dass ein Abstürzen im Netz verhindert wird.

Die horizontalen Ebenen gliedern sich in die Eingangsebene sowie vier Spielebenen. Der Eingangsbereich lädt dazu ein sich auf das Spielerlebnis vorzubereiten, das Schuhwerk gegen Socken zu tauschen, Kleidungsgegenstände in den Schließfächern zu verstauen sowie sich zu informierten. In der „Wölbbodenebene“ geht es um einfaches Klettern auf der geschwungenen Holzoberfläche, das Verstecken in der Holzhöhle, aber auch das Gestalten des großformatigen Wandpuzzles.

Zusätzlich liegt hier der unterste Einstieg in das vertikale Kletternetz. Ein Geschoss darüber - in der Schwingstabebene – ist das zentrale Thema „schwingen“ oder „hanggeln“ – man kann es als horizontale Bewegung bezeichnen. Ein von der Decke abhängender Parcours lädt ein sein Gleichgewicht zu testen, zu schwingen, seinen Weg zu suchen. Die Rutsche aus dem Geschoss darüber endet ebenfalls in dieser Ebene. In der Trampolinebene darüber geht es um vertikale Bewegung – das Springen!

Durch das Netz der Trampoline sieht man dabei was darunter passiert und der Spiegel an der Wand bietet durch das Verzerren des in Bewegung befindlichen Körpers einen zusätzlichen Effekt. Der Einstieg der Rutsche liegt in diesem Geschoss. In der letzten Ebene ist ein horizontales Netz gespannt, das komplett durchsichtig wirkt. Die Ebene ist begehbar, man soll den Eindruck haben zu schweben. Dabei kann man den Ausblick auf das weitläufige Gelände der Kristallwelten genießen oder das Geschehen im Geschoss darunter beobachten.


Technische Details - Spielturm
Die Fassade entstand im digitalen Prozess und wurde mittels parametrischen Methoden beschrieben. Es wurde kein statisches Objekt entworfen, sondern ein digitales Skript, welches alle geometrischen Abhängigkeiten in der Ausformulierung der Fassade regelt. Nur so war es möglich, die 170 verschiedenen Glasflächen, die in komplett unterschiedlichen Winkeln zueinander stehen, sowie die gesamte Unterkonstruktion dreidimensional zu erfassen. Bis in ein weit fortgeschrittenes Planungsstadium konnte somit die gesamte Fassade adaptiv angepasst werden. Im Bauprozess wurden alle unterschiedlichen Einzelteile von der Stahlbaufirma vorfabriziert und auf der Baustelle eingerichtet. Jede Scheibe hat ihre genaue Position. So wurde die Fassade vor Ort Schritt für Schritt in einem aufwendigen Justierungsprozess eingerichtet.

Zusätzlich muss die gekrümmte „Wölbbodenebene“ im Spielturm gesondert erwähnt werden. Diese Ebene besteht komplett aus Holz, wobei in den gekrümmten Bereich eine einzigartige Technik zur Anwendung kam: hier wurden einzelne kreuzverleimte Fichtenholzlamellen aneinandergereiht und anschließend so abgehobelt, dass eine homogene Holzoberfläche entstand. Der Prozess ist in dieser Form komplett neu – eine Holzbaufirma aus Osttirol stellte sich der besonderen Herausforderung.

Eine Besonderheit stellt auch das Belüftungskonzept für den Turm dar. Dieses sieht eine natürliche Durchlüftung von unten nach oben vor. Daher gibt im unteren Abschlusskranz der Glasfassade Lüftungsfenster, welche sich elektronisch gesteuert öffnen. Die Luft zirkuliert über die fassadenseitig angeordneten Lochbleche bis in das oberste Geschoss, wo sie über die Dachfenster abziehen kann. Um einer Überhitzung vorzubeugen ist der Turm zusätzlich so ausgerichtet, dass die verglasten Spielflächen in Richtung Norden weisen. Das gesamte Belüftungskonzept ist vollautomatisch geregelt.

Das Heizsystem bilden Rippenrohrradiatoren, welche außen an den Deckenträgern rundum angeordnet sind. So wie jede Glasscheibe der Fassade eine unterschiedliche Größe hat, ist auch die Länge jedes Radiators unterschiedlich. Die Radiatoren bilden in jeder Ebene einen umlaufenden Heizkreis.


Glasdruck
14 verschiedene Tierchen sind in zufälliger Reihung und „Blickrichtung“ auf die Glasscheiben gedruckt. Die Tiere wurden aus zahlreichen Swarovski Figurinen ausgewählt. Sie müssen zum einen ihr umschreibendes Quadrat möglichst gut ausfüllen, um im Gesamtbild eine möglichst gute Wirkung für den Sonnenschutz zu erreichen. Zum anderen müssen die Tiere möglichst einfach beschrieben werden können, da zu feine Details beim Glasdruck nicht möglich sind. Zusätzlich verändern die 14 Tierchen in einem graduellen Verlauf ihre Größe, auf jeder Scheibe entsteht dadurch ein verdichteter Bereich – ein subtiler Effekt, der die großen Flächen zusätzlich strukturiert. Die Bedruckung ist je nach Entfernung des Betrachters unterschiedlich wirksam. Von weiten erscheint sie wie ein feiner Schleier auf dem Glas, aus einigen Metern erkennt man die einzelnen Punkte – eine Struktur wird lesbar, bis schließlich von Nahem betrachtet die einzelnen Tierchen sichtbar werden.


Technische Details - Spielplatz
Der Spielplatz basiert ebenfalls auf einem parametrischen Modell. Auch hier wurden die einzelnen Elemente über ihre geometrischen Zusammenhänge definiert Die Grundstruktur des Spielplatzes besteht aus 12mm starken Stahlplatten, die grundrisslich gekrümmt sind. Die Platten formen in ihrer Höhenentwicklung einen weichen Landschaftsverlauf nach, wobei die Oberfläche schließlich durch ca. 2000 Holzlatten gebildet wird. Wie bei der Glasfasse gleicht auch hier kein Element dem anderen, jede Latte musste auf eine andere Länge zugeschnitten werden. Im Produktionsprozess wurde jede Stahlplatte wurde separat gebogen und schließlich in Teilabschnitten im Werk vorjustiert bevor die einzelnen Stahlelemente auf der Baustelle zusammengesetzt und verschweißt wurden. (Text: Architekten)

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Für den Beitrag verantwortlich: aut. architektur und tirol

Ansprechpartner:in für diese Seite: Claudia Wedekindclaudia.wedekind[at]aut.cc