Bauwerk

Miss Sargfabrik
BKK-3 Architektur - Wien (A) - 2000

Der Trick mit dem Knick

„Miss Sargfabrik“ - die bessere Art, in Wien günstig zu wohnen

27. September 2000 - Gert Walden
Wien - Im Gegensatz zur Bundesregierung halten gute Architekten ihre Versprechen. Vor einem Jahr noch war die Wohnheimanlage „Miss Sargfabrik“ in Wien-Penzing das innovativste Wohnbauprojekt dieser Stadt. Nun wissen alle gelernten Architekturverständigen, dass zwischen Planung und Ausführung der leidvolle Weg der Kompromisse und Abstriche gegenüber Genossenschaften und Generalplanern liegt.

Nicht so beim Projekt der Architektenteams BKK-3 (Johann Winter, Franz Sumnitsch), das vom „Verein für integrative Lebensgestaltung“ getragen wird: „Miss Sargfabrik“ hat sich ihren jugendlichen Charme und ihre architektonische Qualität bewahrt.

Das Konzept der Architekten beruht auf einer seltenen Mischung von ökonomischer Intelligenz und architektonischer Konsequenz. Selbst beim schwierigen Typus der Gar¸conni`eren entstanden Raumsituationen, die Enge und Weite, Höhe und Tiefe der Dreidimensionalität ausspielen. Hier ist nichts mehr von der Tristesse der üblichen Wiener Wohnbauschachteln zu spüren, die ihre Benutzer auf Papa-Mamma-Bubi-Mädi-Grundrisse verteilen. Dafür sorgt auch ein wenig die orange Fassadenfarbe im grauen Gründerzeitviertel.

Das volle 3D-Erlebnis wird durch eine sinnvolle, wie einfache Idee erreicht. Die Wände zwischen den Wohnungen sind geknickt, sodass jeweils zwei unterschiedliche Raumkonfigurationen entstehen: eine mit erweiterter Wohnungsmitte, eine andere „extrovertierte“ mit größerer Öffnung zur Fassade hin. Dazu kommen noch die unterschiedlichen Raumhöhen in den einzelnen Wohnungen, sodass auch schräge Ebenen eingezogen werden können. Bei den größeren Wohnungen erhöht sich noch der räumliche Reichtum. Da gibt es auch Galerien und zwei Wohngeschoße. Aber eines verbindet alle 38 Einheiten, die von einem Clubraum, einer Bibliothek und einem Waschsalon begleitet werden.

Die Leute vom BKK-3 haben keine selbstgefälligen Kunstwerke geschaffen, sondern funktional sinnvolle Behausungen, die gleichzeitig wertvolle Architektur sind. Die architektonische „Funktionalismus“ lässt sich auch an der Fassade der Eingangsseite ablesen: Die abgetreppten Decken sind wie in einem Scherenschnitt von außen sichtbar. Von ihrer Idee sind die Baukünstler selbst überzeugt: sie haben ihr Atelier in der „Miss Sargfabrik“.

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