Veranstaltung

9. Architektur-Biennale Venedig 2004
Ausstellung
12. September 2004 bis 7. November 2004
Giardini della Biennale, Arsenale
I-30122 Venedig


Veranstalter:in: Biennale di Venezia

Bauen an der Peripherie

Deutsche Baukunst auf der Architekturbiennale Venedig

1. Oktober 2004 - Hubertus Adam
In den vergangenen Jahren zählte der deutsche Pavillon nicht eben zu den Highlights der Architekturbiennalen in Venedig: Als Massimiliano Fuksas im Jahr 2000 das Motto «Less Aesthetics More Ethics» vorgegeben hatte, zeugten die uninspirierten Schwarzpläne des Planwerks Innenstadt von einem neuen Berliner Formalismus, und als Deyan Sudjic vor zwei Jahren unter dem Motto «Next» nach den Bauten der nahen Zukunft fahndete, war der deutsche Pavillon mit Studentenprojekten gefüllt, die wie Erstsemester- Arbeiten wirkten. Gewiss kann thematische Kontradiktion fruchtbar sein - hier indes wirkte die Bespielung der Räume wie eine Pflichtübung, deren Erfüllung letztlich dem Zufall überlassen blieb. Ganz anders auf der diesjährigen Architekturbiennale (NZZ 11. 9. 04). Keine Spur von einer braven Leistungsschau deutschen Baugeschehens oder von einer Flucht vor der Architektur in den Bereich der bildenden Kunst ist diesmal auszumachen. Unter dem Titel «Deutschlandschaft - Epizentren der Peripherie» hat die Kuratorin Francesca Ferguson den Pavillon mit einem 80 Meter langen Panorama versehen, das sich kontinuierlich durch die Innenräume schlängelt.

Das Panorama, gestaltet von dem Berliner Grafikbüro «cyan», zeigt eine Fotocollage von suburbanen Landschaften und von 37 herausragenden Bauten deutscher Architekturbüros der jungen und mittleren Generation. Die von Primärkörpern aus Backstein geprägte Schule von Lederer Ragnarsdottir Oei sowie das zeichenhafte Stadthaus von Jügen Mayer H., beide in Ostfildern bei Stuttgart, oder die Experimentelle Fabrik von Sauerbruch Hutton in Magdeburg rücken die neue Architektur in einen Kontext, der von gesichtslosen Bauten der fünfziger und sechziger Jahre ebenso geprägt wird wie von Dönerbuden, Tankstellen und Plus-Filialen. Es ist dies die Umgebung, die all jene ablehnen, welche von der Rekonstruktion der «europäischen Stadt» sprechen, und gleichwohl der Lebensraum eines grossen Teils der Bevölkerung. Und gerade in dieser eigenschaftslosen Zone, die bald als Sprawl, bald als Suburbia und bald als «Generic City» apostrophiert wird, sind in Deutschland in den vergangenen Jahren Bauten entstanden, die Massstäbe gesetzt haben und von einer lebendigen, jungen Architekturszene zeugen.

Die Bauten, die nun in Venedig versammelt sind, oszillieren zwischen Ironie und Pragmatismus, zwischen Subversion und Camouflage. Gleichzeitig beweisen sie, dass die baurechtlichen Restriktionen der biederen Einfamilienhausquartiere mitunter qualitätvollere und intelligentere Architektur entstehen lassen, als man sie von den grossen Stadterneuerungsprojekten gewöhnt ist. Der Journalistin, Kuratorin und Initiatorin des Architekturnetzwerks «Urban Drift», Francesca Ferguson, ist es gelungen, ein Panorama von Bauten zusammenzustellen, die von einem Aufbruch in Deutschland zeugen: Es gärt an den Rändern nicht zuletzt aufgrund schrumpfender Städte, und man kann hoffen, dass das Land nach Jahren der Stagnation zum internationalen Architekturdiskurs zurückfindet.


Bis 7. November. Katalog: Deutschlandschaft. Epizentren der Peripherie. Hrsg. Francesca Ferguson. Verlag Hatje Cantz, Ostfildern 2004. 256 S., Euro 25.-.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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