Award

ZV-Bauherrenpreis 2019
Architekturpreis - ZV der ArchitektInnen Österreichs - Wien (A)
Preisverleihung: 8. November 2019

Beauty beim Bauen!

Schön, im Einklang mit der Umgebung und ihren Nutzern, nachhaltig in mehrfacher Hinsicht und ein Vorbild für andere Bauherren: Das sind die Sieger des Bauherrenpreises 2019.

9. November 2019 - Franziska Leeb
Einfamilienhaussiedlungen, die wie unheilbare Geschwüre aus den Siedlungskörpern der Dörfer herauswachsen, vom Immobilienrausch überformte Dachlandschaften in den Städten, mit hilflos kreativen Färbelungen unterteilte styroporverpackte Fassaden, vom Wettrüsten der Skigebiete verschandelte Landschaften, der Wildwuchs an Werbeflächen und Stadtmobiliar, außerhalb der Geschäftszeiten brachliegende Parkplätze der Gewerbeparks, die Kaufkraft und Leben aus den Ortszentren abziehen: Haben wir uns schon daran gewöhnt? Fragen wir uns noch, wer das verantwortet? Ist uns bewusst, dass diese Hässlichkeiten ökologische und ökonomische Auswirkungen haben?

2342 Kilometer war die Jury – Donatella Fioretti, Andreas Cukrowicz und Albert Kirchengast – des von der Zentralvereinigung der Architekten ausgelobten Bauherrenpreises durch Österreich unterwegs. Im Vergleich mit der Masse der Bausünden und baukulturellen Problemfälle schnitten wohl alle der zu beurteilenden Bauten gut ab. Besser als gewohnt ist nicht zwangsläufig gut. Architektonisch vorbildliche, innovative Projekte waren gefragt, die einen Beitrag zur Verbesserung des Lebensumfeldes leisten, und selbstverständlich ist das hohe Engagement der namensgebenden Bauherren eine Bedingung für die Zuerkennung des Preises. Da fällt das Anlegen der Maßstäbe nicht immer leicht. In kleinen Gemeinden stehen selten kommunale Bauaufgaben an; entsprechend ungeübt sind die Verantwortlichen. Wenn es gelingt, im neuen Kindergarten die Raumsituation für Pädagoginnen und Kinder eklatant zu verbessern, den Energiebedarf zu senken und mit möglichst unbedenklichen Materialien zu bauen, ist es oft schon eine große Leistung. Soll man hier also weniger streng sein als bei routinierten Auftraggebern? Nein! Sonst würde man das Mittelmaß als Vorbild etablieren.

Diese Vorbilder braucht es besonders im ländlichen Raum. Dort, wo zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung wohnen und zugleich Ortskerne veröden, ist Baukultur oft noch ein Fremdwort und werden Planer, die sich kritisch mit örtlichen Problemfeldern befassen, als Quertreiber wahrgenommen. Umso wichtiger ist es also, jene Bauherren im ländlichen Raum vor den Vorhang zu bitten, deren Leistungen exemplarisch wirken können. So wie Hubert und Diana Huemer, die im Hausruck Wagyu-Rinder züchten und sich für die Tiere einen Stall in traditioneller Holzbauweise wünschten, in dem der japanische Ursprung der Rasse anklingt. Architekt Herbert Schrattenecker, für den der Stallbau Neuland war, orientierte sein architektonisches Konzept an den Stallbewohnern: wie das Wagyu-Rind selbst sicher auf dem Hang stehend, etwas geduckt, mit starkem Körper auf festen Beinen und dennoch weich und beweglich. Das Holz stammt von Fichten und Tannen aus der Region, wurde kernfrei geschnitten, um Rissbildungen vorzubeugen, und so eingesetzt, dass die Konstruktion traditionelles Zimmermannswissen und die Möglichkeiten des Materials ausschöpft. Bis zu neun Meter lang sind die Balken, die zu einer schützenden Behausung gefügt wurden. Die statische Aussteifung erfolgt über das Dach und das obere Tragwerk, um den Rindern maximalen Bewegungsraum und dem Traktor die Durchfahrt zu gestatten. Voneinander abgesetzte, überlappende Dachflächen sorgen für Durchlüftung, die Verglasung des Firstes und der Giebel mit echtem klarem Glas statt mit transluzentem Kunststoff lässt das Tageslicht ungetrübt über die ganze Länge einfallen. Die Bauherren rühmen die „Erfahrung, Besonnenheit und aufrichtige Art“ des Architekten, der somit seine Zunft für Bauaufgaben empfiehlt, die schon längst Katalogware geworden sind. Mit viel Eigenleistung und dem Mut, Außergewöhnliches zu wagen, ermöglichte die Bauernfamilie eine Architektur, die den Ansprüchen einer modernen, nachhaltigen Landwirtschaft vortrefflich gerecht wird.

Lokale Denk- und Bauweisen übernehmen und etwas Neues schaffen, das mit unserer modernen globalisierten Welt im Einklang steht, das gelang auch bei den zwei weiteren Preisträgern in ländlicher Umgebung. Im burgenländischen Weingraben war auf dem Hof der Großmutter vom Ehemann der Enkelin schon länger Schnaps gebrannt worden, und so reifte bei Elisabeth und Claus Schneider der Wunsch, auf dem Grundstück ein Domizil für die eigene Familie zu errichten. Mit Architekt Jury Troy, Vorarlberger wie der Bauherr, aber schon lange in Wien ansässig und mit den Bautraditionen Ostösterreichs vertraut, wurde der Streckhof weitergebaut. Hinter der Scheune, die zur Schnapsbrennerei umfunktioniert wurde, entstand das neue Haus neben dem Nachbarstadel. Zwischen halbmeterdicken seitlichen Ziegelwänden ein Holzbau, verputzt mit ungefärbtem Kalkzementputz, schlicht und unprätentiös in der Sprache der Region. Raumhohe breite Fenster mit vorgelagerten Loggien sorgen für viel Bezug zum Freien, im ungenutzten Zustand machen Faltschiebeläden aus Holz das Haus blickdicht. Mit naturbelassenen Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen hinterlässt der Neubau einen mindestens so geringen ökologischen Fußabdruck wie jene Bauten, die das Bild der Gegend über Jahrhunderte prägten und heute – sofern noch vorhanden – vom Verschwinden bedroht sind.

Alt und Neu in Einklang gebracht wurden auch beim „Haus obd'r Lech“, obwohl ein erfahrener Zimmermann aus technischen und wirtschaftlichen Gründen bereits zum Abbruch des Walserhauses aus dem 14. Jahrhundert geraten hatte. Bauherr Clemens Schmölz entschied sich dennoch für den Erhalt, beauftragte eine exakte Untersuchung der Substanz und gab mit den Architekten Gernot Thurner und Matthias Hein und einer Schar von erfahrenen Handwerkern dem Haus eine neue Zukunft.

Die andere Hälfte der Preise geht in Städte, zweimal nach Wien: zum einen an die Bauherren des Stadtelefanten, errichtet und genutzt von Architekturbüros und architekturaffinen Unternehmern, geplant von Franz & Sue – ein Impulsgeber im Sonnwendviertel und ein Beweis, dass mit knappen Mitteln Schönes und Gutes gelingen kann. Zum anderen an die Bundesimmobiliengesellschaft für die an dieser Stelle („Spectrum“, 13. 10. 2018) besprochene Generalsanierung der Universität für angewandte Kunst mit den Architekten Riepl Kaufmann Bammer, wo, so die Jury, Architektur dem Prinzip Dialog mit den Nutzern und der Bausubstanz folge. An die Stadt Bregenz ging ein weiterer Preis für einen Bildungsbau, die Schule Schendlingen von Studio Bär, Bernd Riegger und Querformat: reformierte Pädagogik in großzügigen Raum aus Beton und viel Holz im Inneren gegossen.

Im September hat der Nationalrat den „Climate Emergency“ ausgerufen, das klingt schicker und weniger bedrohlich als Klimanotstand. Von den Taten, die nun den Worten folgen müssen, haben ganz viele mit dem Bauen zu tun. Also bitte „more Beauty“ und weniger sinnlos Hässliches!

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