Akteur

Roland Rainer
* 1910 Klagenfurt 2004 Wien

Roland Rainer (1910-2004)

Der unbequeme Architekt, Stadtplaner und Theoretiker Roland Rainer starb am Samstag, wenige Tage vor seinem 94 Geburtstag

12. April 2004 - Thomas Trenkler
Rainer plädierte für „direkte“ Architektur, die der Funktion dient, und einen menschengerechten Wohnbau: Das Hochhaus war ihm verhasst.

Wien - Vor knapp vier Jahren, am 27. April 2000, feierte die Architektenschaft ihren Doyen: Man pries Roland Rainer, der vier Tage später, am 1. Mai, 90 Jahre alt wurde, mit unendlich vielen Worten in der Halle E der Wiener Stadthalle, die er 1954 bis 1958 erbaut hatte. Und der alte Herr, dem Eitelkeit zuwider war, schien glücklich. Nicht der Standing Ovations wegen: Seine Lieblingshalle war restauriert worden. Und in seiner Rede, denkbar knapp, sagte er gerührt, sie sei noch nie so schön gewesen: „Man hat mich verstanden. Kein Klimbim. Keine Späße. Schönheit.“

Doch das sollte nicht generell für die Stadthalle gelten, deren klare Form das Logo bildet: Die Betreiber modernisierten den Bau, tauschten die schlichten Sessel gegen samtgepolsterte Stühle in Pink und Altgold aus; die Garderobeständer landeten beim Sperrmüll, wo sie von einigen, die den Wert erkannten, herausgefischt wurden - im Herbst 2003 zahlte jemand bei Sotheby's in London 5600 Euro dafür. „Ich wollte mit meinen Möbeln nicht repräsentieren“, klagte Rainer gegenüber dem STANDARD. Seine Intentionen wurden zerstört: „Mich hat keiner je kontaktiert.“

Vielleicht hat man Rainer doch nicht verstanden. Oder wollte es nicht. Denn immer trat er für ein menschengerechtes Wohnen ein. In anderen Bereichen (Büro, Hotel, Krankenhaus) sei das Stapeln von Stockwerken durchaus zweckmäßig, aber „zum Wohnen braucht der Mensch Ruhe, Geborgenheit, Intimität, einen Garten“, sagte er. „Es ist eine Tatsache, dass die Mehrzahl im Einfamilienhaus die gewünschte Wohnform sieht.“ Doch dies werde nicht respektiert, nur Hochhäuser brächten Renommee: „Damit steht man groß da. Jeder will den Knalleffekt - aber lauter Knalleffekte haben keine Wirkung.“

Sich anbiedern, Kompromisse eingehen, nach Effekten schielen, modisch sein: Das war nie sein Weg. 1935 dissertierte Rainer, 1910 in Klagenfurt geboren, an der Technischen Hochschule in Wien über den Karlsplatz, dessen problematische Gestaltung ihn jahrzehntelang beschäftigte. 1937 ging er nach Berlin zur Deutschen Akademie für Städtebau. Nach dem Kriegsdienst übersiedelte er 1945 zurück nach Österreich. Seine an der TU eingereichte Habilitationsschrift Die Behausungsfrage wurde 1946 mit der Begründung abgelehnt, es handle sich um eine „sozialpolitische Propagandaschrift“.

Planung mit Weitsicht

1956, nach drei Jahren als Ordinarius an der TU von Hannover, übernahm er an der Akademie der bildenden Künste eine Meisterklasse für Architektur, die er bis 1980 leitete. Und 1958 wurde er zum Stadtplaner von Wien berufen - er legte einen Entwicklungsplan vor, der zu den fortschrittlichsten in Europa zählte und in Grundzügen (Schaffung der Donauinsel und neuer Stadtzentren) verwirklicht werden sollte. Aber aus Protest gegen politische Verhinderungen trat er 1963 zurück. Das bedeutete auch das Ende der Architektentätigkeit im Auftrag der Stadt Wien.

Doch er baute das ORF-Zentrum. Und von 1963 an entstand bei Linz die Gartenstadt Puchenau: Rainer erbrachte den Nachweis, dass mit dem verdichteten Flachbau - niedrige Verbauung in Terrassen, abgeschlossene, intime Gartenbereiche - „grüne“ Gesinnung kostengünstig und Flächen sparend umgesetzt werden kann. Sowohl das ORF-Zentrum als auch die Gartenstadt, der weitere folgten (z. B. 1990-92 in der Tamariskengasse in Wien), begleiteten ihn sein weiteres Leben: Puchenau wuchs in Etappen auf eine autofreie Stadt mit zwei Kilometer Länge und 1000 Wohnungen an; und vor drei Jahren entstand am Küniglberg ein Zubau, ein dreigeschoßiger Bürotrakt aus Stahl und Glas mit einer Dachterrasse.

Bei anderen Gebäuden war ihm hingegen nicht dasselbe Glück beschieden: Das Domes-Lehrlingsheim in Wien wurde abgerissen und durch ein Kulturheim im „Funktionärsbarock“, so ein Lieblingsausdruck von Rainer, ersetzt. In Kötschach-Mauthen steht eine Kirche, die er als „kein Werk von mir“ bezeichnet, weil sie kurz vor der Fertigstellung stark verändert wurde. Und auch das Haus, das er für Franz Morak plante, sei keines: Der Staatssekretär soll zu massiv eingegriffen haben. Doch zumindest das 1958 fertig gestellte Böhler-Bürohaus gegenüber der Akademie am Schillerplatz mit seiner Glas-Aluminium-Fassade, das jahrelang leer stand, wurde gerettet: Komplett saniert, dient es heute als Nobelhotel.

Im Jahr 2000 antwortete Rainer auf die Frage, ob er jemals zu arbeiten aufhören werde: „Zur Ruhe legen werde ich mich wohl eines Tages müssen, zur Ruhe setzen nie.“ Am vergangen Samstag legte sich Rainer zur Ruhe.

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