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O&O Baukunst, HNP architects ZT GmbH, Lintl & Lintl - Wien (A) - 2006

Welterbe „erniedrigt“ die Türme

Völlig überraschend hat sich die Bauträger Austria Immobilien vom bisherigen Projekt Wien-Mitte verabschiedet. Bis zum Schluss wurde beteuert, man wolle die Bahnhofsüberbauung realisieren. Nicht zuletzt, weil der Baubescheid vorlag. Der wird auch weiterhin genützt, kündigt der Bauträger an, um eine niedrige „Light-Version“ realisieren zu können.

15. März 2003 - Ute Woltron
Wien - Das war es dann also: zwölf Jahre Planung, zwei Jahre Diskussion um Höhen, Baudichte und Welterbe - jetzt das endgültige Aus. Die Bauträger Austria Immobilien (B.A.I.), ein Unternehmen der Bank-Austria-Gruppe, gibt das Projekt Wien-Mitte in seiner jetzigen Form auf: keine 97 Meter hohen Türme, kein wuchtiger Bau entlang der Invaliden-und Landstraßer Hauptstraße.

Stattdessen soll die „Light-Variante“ realisiert werden, kündigt man seitens der B.A.I. an. Ein Büro- und Geschäftszentrum beim Bahnhof Wien-Mitte soll jedenfalls gebaut werden, aber wesentlich niedriger, versichert eine B.A.I.-Sprecherin. Vor allem will man die bestehenden Baurechte nützen, denn der Investor verfügt über eine Baugenehmigung, hätte damit seit Monaten die Möglichkeit gehabt - ungeachtet sämtlicher Proteste von Politikern, Denkmalschützern und Anrainern -, mit dem Bau zu beginnen.

Nähere Details zu „Wien-Mitte-Light“ werden Anfang nächster Woche bekannt gegeben, kündigte die Sprecherin gegenüber dem STANDARD an. Die Stadt stehe einer reduzierten Projektvariante, die seit Wochen intern diskutiert wurde, jedenfalls positiv gegenüber, hört man aus dem Rathaus.

Für den wichtigsten Projektpartner kommt die Entscheidung der B.A.I. ebenfalls unerwartet. Man sei im Laufe des Freitags informiert worden, dass eine endgültige Entscheidung seitens des Investors getroffen worden sei - „aber wir warten noch auf die offizielle Verständigung“, erklärt ÖBB-Sprecher Gary Pippan. Dass sich der Projektpartner B.A.I. allerdings vom bestehenden Projekt verabschieden würde, sei nicht abzusehen gewesen, betont er. Die Österreichischen Bundesbahnen blieben jedenfalls an einer Neugestaltung des heruntergekommenen Bahnhofsareals interessiert. Man müsse jetzt abwarten, wie die neuen Detailpläne der B.A.I. aussähen.


Jahrelanges Tauziehen

Von derlei „Light“-Plänen wird auch die weitere Diskussion um das Projekt abhängen. Vor allem, ob dann in Ruhe und mit Aussicht auf Rendite gebaut werden kann. Denn der Streitpunkt war die Bauhöhe des ursprünglichen Projekts gewesen. Bis zu 97 Meter sollten die vier Türme über der Bahnhofsplatte in die Höhe ragen. Was zu immer heftigeren Protesten seitens Icomos geführt hatte, als Wiens Innenstadt am 13. Dezember 2001 den Status „Welterbe“ zuerkannt bekommen hatte. Der Unesco-Welterbebeirat sah durch das Projekt das Welterbe beeinträchtigt - und drohte Wien, das prestigeträchtige Prädikat abzuerkennen. Das Welterbekomitee empfahl schon seit Dezember 2001, die Höhe und das geplante Bauvolumen zu überdenken. Wie die Unesco über den Welterbe-Status Wiens unter den neuen Bedingungen denkt, wird sich spätestens im Juni bei ihrer Generalversammlung zeigen.

Wiens SP-Bürgermeister Michael Häupl hatte noch am Tag der Aufnahme der City in die Unesco-Liste Gespräche mit dem Bauträger aufgenommen. Planungsstadtrat Rudolf Schicker (SP) nahm ebenfalls Gespräche mit dem Bauträger Austria Immobilien auf. Die Forderungen der Projektkritiker - darunter die FPÖ, Denkmalschützer, eine Bürgerinitiative und namhafte Architekten wie Gustav Peichl und Roland Rainer - nach einer Reduktion stieß bei der B.A.I. zunächst auf taube Ohren. Sogar der Bürgermeister kritisierte die Art, in der die B.A.I. Anrainer und Öffentlichkeit über ihre Pläne (nicht) informierte.

Im März 2002 wurde dann verkündet, dass die Türme wie geplant bis zu 97 Meter hoch gebaut würden. Eine Verkleinerung wurde „aus Gründen der Wirtschaftlichkeit“ abgelehnt.


Frage der Ökonomie

Kommt Wien-Mitte „light“, würde das die Welterbe-Debatte entschärfen. Offen bleiben nun verschiedene ökonomische Aspekte.

Einerseits muss die B.A.I. eine Variante der Verbauung finden, die es ihr mit dem Ko-Investor Sonae Immobiliare aus Portugal ermöglicht, vernünftige Renditen zu erwirtschaften. Bei derart guten Lagen wie jener am Verkehrsknotenpunkt Wien-Mitte gilt es, hohe Grundstückspreise und Kosten für die Infrastruktur zu kompensieren. Das bedingt mehr Stockwerke, in denen Büros und Geschäfte untergebracht und vermietet werden müssen.

Darüber hinaus sind die ÖBB Grundstückseigentümer. Sie sind ebenfalls interessiert daran, die gute Innenstadtlage gewinnbringend für sich zu nutzen. Bis dato wollen sie 700.000 Euro Jahrespacht von den Investoren. Eine Reduktion der Pachtsumme, um das Turmprojekt bei geringerer Bauhöhe rentabel zu halten? Davon will man bei den ÖBB nichts wissen. Man habe eine exquisite Innenstadtlage anzubieten, dafür sollen auch marktübliche Preise gezahlt werden. Die ÖBB würden nicht „einen privaten Investor quersubventionieren“, wurde erst kürzlich auf Wirtschaftlichkeit gepocht.

Der nächste ökonomische Aspekt ergibt sich aus den bisher geleisteten Arbeiten für das Projekt. Kolportierte „zig Millionen“ seien bereits für Planungen, Umgestaltungen, Geometer, Anwälte und Wettbewerbskosten ausgegeben worden. Das macht die Neuausschreibung eines Wettbewerbs für die „Light“-Version unrealistisch.

Architekt Heinz Neumann, von der „Arge Architekten Wien-Mitte“, will sich vorerst nicht äußern. Er geht aber davon aus, dass die bisherigen Planer - Neumann, Ortner & Ortner sowie Lintl & Lintl - auch für die Neugestaltung der Bahnhofsüberbauung verantwortlich zeichnen werden. Man habe auch bisher bloß „Aufwandsentschädigungen“ erhalten, was einem „Bruchteil“ der tatsächlich geleisteten Arbeit entspreche. Eine Neuauflage eines Wettbewerbs dürfte es also nur geben, wenn die B.A.I. sich völlig zurückziehen würde, was aufgrund der teuren Vorleistungen unwahrscheinlich ist.

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