Bauwerk

Kunsthaus Graz
Sir Peter Cook, Colin Fournier - Graz (A) - 2003

Was bleibt vom utopischen Entwurf?

Nach viel Skepsis, Kritik, aber auch Lob wird am Wochenende das Kunsthaus Graz eröffnet.

27. September 2003
Eine blau schimmernde Blase mitten in der Stadt: Am rechten Ufer der Mur zwischen all den Barockbauten, klassizistischen Gebäuden und schmucklosen Nachkriegshäusern gegenüber der Altstadt wirkt das extravagante neue Kunsthaus Graz wie ein Fremdkörper.


Neugier und Skepsis

Spitznamen wie „Wildschwein“ und „Kunst-UFO“ verdeutlichen die Neugier und Skepsis der Grazer gegenüber dem Bau, der nach der Eröffnung am Wochenende zeitgenössische Kunst in der steirischen Hauptstadt präsentieren wird.


Freundliche blaue Blase

Die Londoner Architekten Colin Fournier und Robert Cook haben ihren Entwurf „Friendly Alien“ getauft - freundlicher Fremdling/Außerirdischer. Das blasenförmige Gebilde mit den nach oben gerichteten, warzenförmigen Röhren erinnert an frühe Science-Fiction-Filme und an biologische Strukturen.

Ein „Haus des Abenteuers und der Überraschungen, das immer neue Blickwinkel und Perspektiven öffnet“, sollte entstehen, beschreibt Fournier seine Arbeit. „Wir möchten die Menschen zum Lächeln bringen“, fasst Cook zusammen.


Veränderungen am Entwurf

Veränderungen am Bau haben in den letzten Monaten jedoch weniger Lächeln als Kontroversen in Politik und Bevölkerung ausgelöst.

Besonders die Korrekturen an der Außenhaut sind Anlass für Kritik. Die transparent geplante Blase ist auf Wunsch der Kuratoren, die durch das einfallende Licht eine Beschädigung der Exponate befürchtet hatten, undurchsichtig geworden und von einer halb transparenten blauen zweiten Schicht umgeben.


1.200 „Hautschuppen“

Diese neue Haut besteht außerdem aus über 1.200 Acrylglasplatten und nicht wie geplant aus wenigen, 100 Quadratmeter großen Laminatstücken. Sie kann auch nicht wie im ursprünglichen Konzept angedacht chamäleonartig ihre Farbe ändern.

Und auch die so genannten „Nozzels“, organische Hautausstülpungen am Dach, die ursprünglich dem Licht hätten folgen sollen, wurden in einer billigeren, starren Variante umgesetzt. Der Grund: Geldmangel. Dabei musste die Stadt kürzlich sogar zusätzliche zwei Millionen bewilligen, um den Bau überhaupt fertig stellen zu können.


Grundidee nicht umgesetzt?

Das „Friendly Alien“ sei jetzt „nur noch die Ahnung der Idee, die einmal dahinter steckte“, kritisiert Ute Woltron im „Standard“.

„Diese Idee des Fließenden, Transluzenten, des Raumgewoges und des Amorphen ging zu Grunde“, weil die Faktoren Zeit, Kosten und technische Machbarkeit nicht berücksichtigt wurden.


„Nicht schön anzuschauen“

Der raffinierte Entwurf von Fournier und Cook habe sich als optimistische, nicht umsetzbare Gedankenspielerei entpuppt, so Woltron.

„Die freundlichen Grazer begannen zu hudeln, der Außerirdische zu trudeln, das Resultat steht nun bruchgelandet am Murufer, und das ist nicht schön anzuschauen.“


Ein Bauwerk zum Streicheln

Ganz anders sieht das der britische Architekturjournalist Tom Dyckhoff in der Londoner „Times“. Er beschreibt die blaue Blase als „unwiderstehlich“: „Sie bringt zum Schmunzeln. Sie will, dass man sie streichelt.“

Auch Intendant Peter Pakesch ist zufrieden. Für ihn ist das Kunsthaus ein „Wunderbauwerk“: „Das Gebäude hat enorme Offenheit und Eigenwilligkeit, darin liegt das ungeheuer Spannende.“


Run auf Zählkarten

Die Grazer interessieren sich jedenfalls trotz aller Kontroversen für ihr neues Wahrzeichen. Innerhalb von wenigen Stunden waren am Montag die rund 11.000 Gratis-Zählkarten für die Eröffnung am Wochenende vergeben.

Die Besucher können das „Friendly Alien“ in voller Pracht erleben. Am Mittwoch wurden die letzten blauen Acrylglasplatten der Außenhaut montiert. Zuletzt hatte es Bedenken gegeben, dass sich die Fertigstellung verzögern könnte, da jedes Element einzeln und nach Maß angefertigt werden musste.


Aufwendiger Röhrenwechsel

Möglicherweise müssen die Platten aber zumindest teilweise schon bald wieder abmontiert werden: Sollten die unmittelbar darunter liegenden Leuchtstoffröhren doch nicht die erwartete Lebensdauer von zehn bis zwölf Jahren haben, müssen Teile der Außenverkleidung zum Röhrenwechsel wieder heruntergenommen werden.

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Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

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