Bauwerk

Kunsthaus Graz
Sir Peter Cook, Colin Fournier - Graz (A) - 2003

Zangengeburt eines Außerirdischen

Am Freitag wurde die Fertigstellung des Grazer Kunsthauses gefeiert

29. September 2003 - Thomas Trenkler
Mit dem Grazer Kunsthaus, das in Windeseile fertig gestellt und am Freitag mit zwei Pressekonferenzen, die Festakten glichen, eröffnet wurde, sei er, sagte der Architekt Colin Fournier, „zu 80 Prozent“ zufrieden. Und im Flüsterton gestand der eine oder andere ein, dass Ute Woltron mit ihrer harschen Kritik am Bauwerk (siehe ALBUM vom 20. September) durchaus auch Recht habe. Aber mehr sei, meinte Herfried Peyker vom Team Architektur Consult, das mit der Planung beauftragt worden war, nicht möglich gewesen: „Schwadronieren über Utopien ist leicht, sie umzusetzen jedoch nicht.“

Im April 2000 hatte die Jury einstimmig die „Blaue Blase“ zum Sieger des Architekturwettbewerbs gekürt. Und was Cook/Fournier damals versprachen, klang überwältigend: Das Material der Haut könne je nach Bedarf das Licht einlassen oder aussperren, wie ein Chamäleon die Farbe wechseln. Zu ebener Erde werde es eine „unendliche Bar“ geben, in der bekrönenden „Needle“ ein Restaurant.

Doch nichts davon wurde Wirklichkeit (auch wenn der Pressetext nach wie vor behauptet, die Tageslichtöffnungen, „Nozzles“, würden für eine „optimale Beleuchtungssituation“ sorgen). Denn für reale Probleme wie Rauchabzug, Fluchtwege, Brandschutz hatten die britischen Architekten keine Lösungen parat. Und so konnten die Erwartungen, die sie geschürt hatten, nicht ganz erfüllt werden. Angesichts der „Zangengeburt“ (Peyker) sei das Ergebnis aber hervorragend. Zumal die Kosten so gut wie nicht überschritten wurden: Das Kunsthaus wird maximal 40,5 Millionen Euro gekostet haben.

Die Misstöne überhörte man daher wohlgelaunt. Frau Landeshauptfrau Waltraud Klasnic sprach von einem „Meisterwerk der Architektur“, das noch viele Generationen begeistern werde, Bürgermeister Siegfried Nagl (VP) von einem „idealen Experimentierfeld“ für Künstler und Kuratoren. Den Begriff „Bubble“ findet er nicht völlig geglückt, weil eine Blase theoretisch auch platzen könne: Er spricht lieber von einer „Kunstwolke“, die sich auf Graz gelegt habe und befruchtenden Regen bringe.

Die Sozialdemokraten propagieren hingegen den Ausdruck „Kunst-Igel“: Sie hießen in Inseraten das Kunsthaus „Willkommen“ - obwohl sie 2001 die Finanzierung des Bauwerks im Gemeinderat ablehnten (zusammen mit den meisten Freiheitlichen).

Eberhard Schrempf, Vizeintendant von Graz 2003, wiederum sprach freudig vom „Friendly Alien“, das gelandet sei. Und Fournier zeigte sich zufrieden, dass diese Bezeichnung, die von ihm und Cook stammt, breit angenommen wurde. Er dankte für die Courage und Graz 2003, denn ohne das Kulturhauptstadtjahr wäre das Kunsthaus wohl nicht realisiert worden.

Auch der Wiener Museumsexperte Dieter Bogner, der als Berater fungierte, lobte das Gebäude: Es ziehe die Menschen an, ziehe sie herein - und der „Travellator“, das Laufband, ziehe sie hinauf zu den Ausstellungsebenen. Diese zu bespielen stelle eine Herausforderung dar, sagte Peter Pakesch, der als Intendant des Landesmuseums Joanneum auch Chef des Kunsthauses ist. Ob er dieser gewachsen ist, zeigt sich am 25. Oktober mit der Eröffnung der Themenschau Einbildung.

Nicht am Podium sitzen durfte bei der Pressekonferenz Christine Frisinghelli, die mit ihrer Camera Austria ebenfalls ins Kunsthaus, in das Eiserne Haus, einzieht. Sie lächelte. Denn sie hat nicht nur den schönsten Raum, sondern eröffnet bereits am 3. Oktober - mit Positionen japanischer Fotografie, einer Koproduktion mit Graz 2003.

Dieses Wochenende steht das Kunsthaus der Bevölkerung offen. Aber nur jenen 10.800, die ein Gratis-Zeitticket ergattern konnten.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at